„Ich finde es ganz wichtig, dass wir die Presse als Vierte Gewalt sehen“, sagte Bundesfamilienministerin Franziska Giffey zur Eröffnung der Jugendmedientage mit rund 300 Teilnehmer*innen in der Berliner Kalkscheune. Die Freiheit der Presse sei „nicht verhandelbar und nicht bedrohbar“, erklärte Giffey. Die Jugendmedientage hatten in diesem Jahr kein übergreifendes Motto. Sie widmeten sich überwiegend den Möglichkeiten einer Medienkarriere, sei es im Journalismus, in der Öffentlichkeitsarbeit oder als Influencer*in.
Giffey, die wegen ihrer angezweifelten Doktorarbeit selbst in den vergangenen Monaten Objekt der Berichterstattung war, mahnte die jungen Leute um Sorgfalt in der Wortwahl, auch wenn das Nachrichten-Karussell immer schneller würde. Auch die Moderatorin der Eröffnungsveranstaltung, Aline Abboud, die für die ZDF-Nachrichtenredaktion und funk arbeitet, betonte, wie wichtig eine verständliche, reflektierte Sprache sei, bei der Journalist*innen mit bedenken müssten, was sie mit ihrer Wortwahl auslösten. Dabei verwies Abboud auf das seit einiger Zeit immer wieder bemühte „Political Framing“, bei der es um die Positiv- oder Negativbesetzung von Begriffen geht.
Zum Auftakt beklagte Enno Lenze, der als Journalist seit Jahren bei den Kurden im Irak unterwegs ist, dass das „Vertrauen als Währung des Journalismus“, leider sinke, auch weil manche Kolleg*innen statt auf eigene Recherche lieber auf Agenturmeldungen setzten. Clare Devlin, die für den WDR laut Programmheft „auf fast allen Kanälen“ arbeitet, redete über Selbstdarstellung im Netz und darüber, wie viele Follower auf sozialen Medien man als Journalist brauche. Sie empfahl, im Netz sichtbar und aktiv zu sein, aber darauf zu achten, welcher Kanal zu dem eigenen Karriereziel – angestellt in einem großen Medienhaus oder frei arbeiten – am besten passe.
„Inhalte first, Influence (und Geld) second“, meint Oguz Yilmaz, der nach eigener Darstellung als „Autodidakt aus der Oberpfalz“ zum bekannten Influencer wurde. Eine gute Präsenz im Netz erreichen, sei harte Arbeit, die Chance dies zum Vollerwerb ausbauen zu können, aber nur für wenige real. „Wenn ihr aus Versehen dann mal reich werdet, freue ich mich für euch, aber konzentriert euch auf gute Inhalte.“
Morten Wenzek, der sich bei Bild um neue Plattformen und „Social Media“ kümmert, berichtete, wie sich der Springer-Verlag mit über 9000 vorproduzierten Geschichten auf die gerade eröffnete Möglichkeit der „Publisher Stories“ auf Snapchat eingestellt habe.
Nach den Medientouren in Hauptstadtstudios, Verlagen und Werbeagenturen gab es am ersten Abend ein neues Format, den Wettbewerb „Journalismus Jam“. Fünf Reporterinnen und Reporter sowie ein betroffener Publizist beschrieben in zehn Minuten ihre Recherchen und die Reaktionen auf ihre Veröffentlichungen. Thembi Wolf (bento) hatte in den Kanälen ihres Mediums vorgeschlagen, christliche Feiertage abzuschaffen, da sie den meisten Menschen inhaltlich nichts mehr sagten. Als Antwort erhielt die Thüringerin unter anderem Vorschläge, doch dahin zurückzukehren, wo sie herkäme. Nachdem sie versucht hatte, die Anfeindungen mit Humor zu beantworten, machte sie die negativen Kommentare öffentlich und erlebte daraufhin eine Welle des Zuspruchs. Wlada Kolosowa (Zeit Online) schilderte ihre Recherchen über junge Russen, die aus Langeweile Kanalisationspartys wie die sogenannten „Digger“ in Moskau feierten, oder andere schwer nachvollziehbare Gefahren suchten. Über Recherchen in einem Swingerclub berichtete Frank Seibert (funk), Jan Petter (bento) begleitete einen nächtlichen E-Scooter-Einsammler und Nik Afanasjew besuchte die Fußballweltmeisterschaft nicht-anerkannter Mannschaften in dem nicht-anerkannten Land Bergkarabach (frei, unter anderem für den Tagesspiegel). Fünf Jurygruppen aus dem Publikum entschieden über den Wettbewerbssieger. Gewonnen hat der Nicht-Journalist Linus Giese mit seinem Bericht über die Anfeindungen, die er erlebte, seit er über sich als Transmann geschrieben hat. Seine Darstellung, wie er bis zu seiner Wohnung und seinem Arbeitsplatz verfolgt werde, sprach das Publikum emotional stark an. Dagegen hatten die journalistischen Recherchen keine Chance.
Die Workshops in der Hochschule für Medien, Kommunikation und Wirtschaft widmeten sich überwiegend journalistischen Arbeitsweisen und Darstellungsformen. Die dju in ver.di bot das Thema „Fuß fassen – Einstieg in den Journalismus“ an.
Im Jahr 2020 nimmt sich die Jugendpresse Deutschland eine Denkpause: Nach 18 Jugendmedientagen lassen rückläufige Anmeldezahlen, die zum allgemeinen Trend des sinkenden Interesses am Journalistenberuf passen, eine neue Konzeption für die Jugendmedientage geraten erscheinen. Andere erfolgreiche Angebote der Jugendpresse wie der Schülerzeitungswettbewerb der Länder werden 2020 weiter ausgerichtet.