Die Medienbranche gilt als weiblicher, internationaler, “diverser” als andere Industrien. Ob sich das in Berlin und Brandenburg auch in Zahlen niederschlägt, hat das aktuelle medien.barometer untersucht. Diverser aufgestellte Unternehmen sind erfolgreicher und schauen optimistischer in die Zukunft, lässt sich aus der repräsentativen Umfrage folgern. Andrea Peters, Vorstandsvorsitzende des Branchennetzwerks media:net berlinbrandenburg, interpretiert auf M-Nachfrage einige der Studienergebnisse.
M |Warum ist Diversität diesmal Schwerpunkt der jährlich erscheinenden Branchenumfrage, die Sie in Auftrag geben?
Andrea Peters | Das medien.barometer an sich ist für uns als media:net, aber auch für unsere Partner Medienboard Berlin-Brandenburg und für die Investitionsbanken der beiden Länder eminent wichtig. Unsere Fördermaßnahmen für die Branche orientieren sich daran. Diversität haben wir als Thema gesetzt, weil es gerade in aller Munde ist und es noch keine umfassende regionale Erhebung dazu gab.
Zudem haben unsere Mitglieds-Unternehmen einen akuten Fachkräftemangel und wir überlegen, wie sie sich künftig besser aufstellen könnten, um sich Fachkräfte zu sichern. In diesem Zusammenhang spielt Diversität eine große Rolle. Man kann aus der Untersuchung Anforderungen ableiten, um bestimmten Gruppen besseren Zugang zu Jobprofilen und Jobs zu gewährleisten.
Sie untersuchen Gender, Alter, Staatsangehörigkeit. Aber auch Angaben zu flexibler Arbeitszeit wurden abgefragt. Was hat das mit Diversität zu tun?
Wir wollten sehen, ob z.B. Müttern und Vätern die Möglichkeit gegeben wird, bestimmte Jobangebote anzunehmen, weil die Unternehmen bei der Arbeitszeit und dem Arbeitsort flexibel agieren.
Flexible Arbeitszeit war auch als Top-Maßnahme zur Herstellung von Diversität im Ranking – 62 Prozent der Unternehmen setzen sie um. Dagegen haben nur 8 Prozent der Unternehmen Diversitäts-Beauftragte eingesetzt.
Schauen wir auf die Ergebnisse zum Geschlecht: In 41Prozent der Unternehmen sind mehr als die Hälfte der Beschäftigten Frauen. Bei 54 Prozent besetzen Frauen Positionen im mittleren Management. Wobei interessant wäre, ob das wieder nur die so oft zitierte Chefin vom HR, also im Personalmanagement ist. Weiter oben in der Hierarchie wird es dann, wie in traditionellen Branchen, dünn: 34 Prozent der Firmen beschäftigen keine Frauen in Führungs- oder Vorstandspositionen.
Grundsätzlich ist die Medienbranche weiblich geprägt. Das ist ja bekannt. Und Leitungsstellen bei HR, Marketing und PR werden tatsächlich oft mit Frauen besetzt. Bei der Leitung von Bereichen wie KI oder Production, gar in der Geschäftsführung sind Frauen dann schon seltener anzutreffen. Das ändert sich sehr langsam, da ist offensichtlich noch Luft nach oben. Speziell die MINT-Berufe haben ein Nachwuchsproblem und es geht darum, mehr junge Frauen früher an technische Berufe heranzuführen.
Selbst kreative Departments haben das Problem. Ein Panel bei der re:publica 2019 und eine Untersuchung der MaLisa-Stiftung mit der Uni Rostock zeigten, wie stereotyp und dünn etwa die Rollenauswahl für Frauen fortgeschrittenen Alters oder für People of Colour in deutschen TV- und Filmproduktionen ist. Haben Sie dazu auch Erkenntnisse für Berlin und Brandenburg gewonnen?
Wir haben uns auf die Bedingungen hinter der Kamera konzentriert. Auch bei Regie und Kamera stehen in den Abspännen überwiegend Männernamen. Bei den Berufsfeldern Garderobe, Maske, Kostüm wird es dann wieder weiblich. Auch bei den Autor*innen und Producer*innen finden sich zunehmend Frauen. Den größten Bedarf haben die Unternehmen aber in ihren technikgetriebenen Bereichen. Selbst in den Entertainment- und Content-Bereichen einer UFA, oder eines “Tagesspiegel” braucht es mittlerweile hohe technische Affinität.
Bei der Diversität hinsichtlich des Alters gibt es nach Teilbranchen sehr unterschiedliche Befunde. Doch 50 Prozent der Unternehmen beschäftigen keine Mitarbeiter*innen über 55 Jahre. Bei den Games/Software-Firmen sind das sogar 80 Prozent.
Das war einigermaßen erschreckend. Absehbar war natürlich, dass es in Games-Firmen wesentlich weniger Mitarbeiter*innen über 55 geben würde, weil diese ganze Teilbranche noch recht jung ist. Aber wir müssen zukünftig auch jüngeren Branchen zu älteren, erfahrenen Mitarbeiter*innen verhelfen. Umgekehrt gilt es, den traditionellen Verlagen und Musikfirmen zu helfen, junge Kolleg*innen zu gewinnen, die ansonsten in Games- oder sonstige Startups gehen würden.
Hinsichtlich der Staatsangehörigkeit ist das Bild weniger überraschend: 76 Prozent der Unternehmen beschäftigen Mitarbeiter*innen mit ausländischer Staatsangehörigkeit. Die wiederum kommen aber zu 89 Prozent aus europäischen Ländern. Warum arbeiten so wenige außereuropäische Kolleg*innen in den Firmen der Region?
Wie gesagt: Wir haben hier einen Fachkräftemangel, und die Firmen müssen im Ausland rekrutieren. Da in den nordischen Länder etwa mobile Gaming eine längere Tradition hat, kommen erfahrene Kräfte oft von dort. Andere Gründe sind einfachere Einstellungsverfahren oder auch Gehaltswünsche – so sind vielleicht Kolleg*innen aus osteuropäischen Ländern andere Gehaltsgefüge gewöhnt als Kolleg*innen aus San Francisco.
Sie stellen in Ihrer Studie einen Zusammenhang zwischen Diversität und wirtschaftlichem Erfolg her. Wie hängen diese beiden Merkmale zusammen?
Einen solchen Zusammenhang haben auch andere Studien (siehe unten) bereits festgestellt – je diverser Teams sind, desto erfolgreicher scheinen sie zu sein. Unser medien.barometer zeigt: Während durchschnittlich 41 Prozent aller Unternehmen steigende Umsätze erwarten, tun dies bei Unternehmen, in denen die Hälfte bis zwei Drittel der Führungspositionen mit Menschen ausländischer Staatsangehörigkeit besetzt sind, 71 Prozent. Aber wir definieren Erfolg allerdings nicht nur durch Umsatz, sondern auch in Form von Optimismus, Zufriedenheit und Image am Markt.
Weitere Studien zum Zusammenhang zwischen Diversität und wirtschaftlichem Erfolg:
BCG Gender Diversity Index 2019: http://media-publications.bcg.com/BCG-Gender-Diversity-Index-Zusammenfassung.pdf
McKinsey-Studie (2018): https://www.mckinsey.com/de/news/presse/neue-studie-belegt-zusammenhang-zwischen-diversitat-und-geschaftserfolg
Studie BCG und TU München (2017) https://www.bcg.com/en-us/publications/2017/people-organization-leadership-talent-innovation-through-diversity-mix-that-matters.aspx