Repressive Regierungen und ihre Helfer
Am 12. März ist Welttag gegen Internetzensur. Der Traum vom demokratischen und dezentralen Netz dürfte schon länger ausgeträumt sein. Dennoch haben viele Menschen weiterhin die Hoffnung, per Internet die staatliche Unterdrückung der Meinungsfreiheit überlisten und kritische Inhalte verbreiten zu können, die sonst in ihren Ländern nicht zugänglich sind. Doch die „Feinde des Internets“ schlagen zurück – auch mit Hilfe von deutschen Technologien.
Der Umgang mit dem Internet in China – vor allem während der wochenlang anhaltenden Proteste in Hongkong – ist ein Musterbeispiel dafür, wie repressive Regimes versuchen, das Netz zu sperren, den Zugang zu behindern und Inhalte zu manipulieren.
In Hongkong setzt die Führung in Peking seit dem Spätsommer 2019 nicht nur wie gewohnt auf ihre staatlichen Medien, die auch online ihre einseitigen Inhalte verbreiten. Sie nutzt auch staatlich gelenkte Konten in sozialen Netzwerken, um die Demokratiebewegung in Hongkong zu verleumden oder als gewalttätig hinzustellen. Expert*innen berichten von Fällen, in denen Nutzer*innen in Diskussionsforen unter verschiedenen Namen mit sich selbst streiten, um sich schließlich auf eine Position zu verständigen, die mit der der Kommunistischen Partei übereinstimmt. Der Kreativität sind dabei offenbar keine Grenzen gesetzt.
Das Vorgehen Chinas im Fall Hongkong war so offensichtlich, dass sogar Firmen wie Twitter und Facebook hunderte Accounts sperrten – mit der Begründung, dort würden in einer koordinierten Operation falsche Informationen verbreitet. Die Absender hätten eindeutige Verbindungen zur chinesischen Regierung. Die entdeckten Propaganda-Accounts dürften jedoch nur die Spitze des Eisbergs sein. Peking agiert mit seinen gelenkten Inhalten zudem nicht nur in Hongkong, sondern auch innerchinesisch auf dem Festland sowie in Richtung Taiwan und auch ins weltweite Ausland, um Diskurse in Medien und sozialen Netzwerken zu beeinflussen.
China ist bekannt dafür, dass Internetportale, die sich kritisch mit der politischen Führung auseinandersetzen, nicht erreichbar sind. Doch das Land ist natürlich nicht allein. Auch in Ländern wie Nordkorea, Saudi-Arabien, Iran oder Kuba ist das Internet alles andere als frei, sondern wirkt eher wie ein Intranet, in dem nur ausgewählte Informationen aus dem eigenen Land abrufbar sind. Unzensierte Portale aus dem Ausland sind gesperrt, einheimische kritische Blogger*innen finden sich schnell im Gefängnis wieder. Ähnlich gehen auch mehr oder weniger gelenkte Demokratien wie Russland, die Türkei oder Indien gegen Kritiker*innen vor. Sie nutzen so die Möglichkeiten der digitalen Welt, um ihre Macht zu sichern.
Doch wer ausschließlich auf Regierungen zeigt, macht es sich zu einfach. Denn ohne das Know-how westlicher Firmen wäre vielen Stellen eine Kontrolle des Netzes nicht möglich. Es ist deshalb nur folgerichtig, wenn die Reporter ohne Grenzen zum Welttag gegen Internetzensur am 12. März nicht nur staatliche Behörden und von ihr eingesetzte Trolle und Netzwerke als „Feinde des Internets“ bezeichnen, weil sie mit Verleumdungen zum Beispiel in Russland, Mexiko oder auf den Philippinen Medienschaffende angreifen. Völlig zurecht verweist die Organisation auch auf Firmen wie FinFisher aus Deutschland, Zerodium aus den USA, Mollitiam Industries aus Spanien, Memento Labs aus der Schweiz oder die NSO Group aus Israel. Denn deren Technologien sind unter anderem in der Türkei, den Vereinigten Arabischen Emiraten, bei der kolumbianischen Armee, in Marokko und Äthiopien sowie in Saudi-Arabien und Mexiko benutzt worden, um das Netz zu überwachen sowie kritische Journalist*innen und Menschenrechtler*innen ausfindig zu machen und anschließend zum Schweigen zu bringen.
Wer die Zensur autoritärer Regime anprangert, kann zu der Tatsache nicht schweigen, dass Deutschland und andere westliche Staaten diese mit den nötigen Überwachungsinstrumenten ausstatten.