Rechtsextreme im Fernsehen

Foto: picture alliance/dpa | Martin Schutt

Meinung

Durch meine Eltern habe ich Anstand und Respekt beigebracht bekommen. Daher missfällt es mir, Menschen nicht anzuhören, nur weil sie eine andere oder unliebsame Meinung vertreten. Das geht mir auch so bei der Frage, ob man Politikerinnen und Politiker der rechtsextremen AfD in TV-Talkshows einladen sollte. Ein grundsätzliches „Nein“ behagt mir nicht. Ein offenes „Ja“ kommt mir allerdings auch nicht über die Lippen, angesichts der AfD-Auftritte gerade im Vorfeld der jüngsten Bundestagswahl. Was also tun?

Für beide Antworten gibt es genügend gute Gründe. Die „Nein“-Fraktion argumentiert, wer die AfD in Talkshows holt, der normalisiert damit die Politik einer Partei, die nach einem Gutachten des Bundesamts für Verfassungsschutz aus dem Mai 2025 bundesweit als „gesichert rechtsextremistisch“ eingestuft wurde. Zudem zeigen Faktenchecks im Anschluss solcher Talkshows mit AfD-Beteiligung, die meisten Aussagen der Vertreterinnen und Vertreter sind falsch, gelogen oder aus dem Zusammenhang gerissen.

Seit 2017 ist die AfD im Bundestag vertreten. Wobei eine Wahl demokratisch und die gewählte Partei gleichzeitig im Kern anti-demokratisch sein kann, siehe das Gutachten des Bundesamts für Verfassungsschutz. Dennoch begründen Talkshow-Redaktionen die Besetzung ihrer Gästeliste eben genau mit den Bundestagsmandaten der AfD. Deswegen dürfe die AfD nicht außen vor bleiben. Das scheint allerdings vorgeschoben und eher vorauseilender Gehorsam. Denn was im Bundestag gilt, eine Redezeit, die sich nach der Fraktionsgröße bemisst, trifft für TV-Talkshows meines Wissens nicht zu. Eine Redaktion kann selbst entscheiden, welche Gäste zu einem Thema eingeladen werden und welche nicht.

Oder soll man es lassen?

Und genau an dieser Stelle zeigt sich, warum es gar nicht um die Frage geht, ob man die AfD in Talkshows einladen soll oder nicht. Das ist die völlig falsche Frage. Ich frage mich nämlich: „Warum geht es in euren Talkrunden ständig um Themen, die von der AfD gesetzt worden sind?“ Wäre ich böse, würde ich antworten, weil dadurch die Quote nach oben springt. Doch darum sollte es bei einem öffentlich-rechtlichen Format beispielsweise eben nicht gehen.

Wenn die wirklichen Probleme der Menschen, wie beispielsweise existenzielle Abstiegssorgen in der Mittelschicht, zu wenig bezahlbarer Wohnraum, keine ausreichenden Kita-Plätze oder steigende Preise für Produkte des Alltags, von den Medien regelmäßig mit Migrationsproblemen in einem Atemzug vermischt werden, so wie es die AfD tut, dann muss die Partei gar nicht mehr in Talkshows eingeladen werden. Sie bestimmt dann die Debatte, ohne persönlich vertreten zu sein.

Und ja: Selbstverständlich gibt es Probleme bei der Migrationspolitik. Da geht es allerdings um die finanzielle Ausstattung und personelle Unterbesetzung der entsprechenden Behörden. Hier hat die Politik über Jahrzehnte versagt. Gleiches gilt für den die Mängel im sozialen Wohnungsbau und steigende Mieten. Ebenso fehlen Kita-Plätze nicht erst seit gestern oder vorgestern.

Themen selbst setzen

Sehr oft lese ich etwas über den Bedeutungsverlust von klassischen Medien in Zeiten von Social Media. Solange sich klassische Medien die Themen der Schreihälse in den Kommentarspalten der sozialen Medien vorschreiben lassen, wird sich dieser Bedeutungsverlust allerdings unvermindert fortsetzen.

Liebe Talkshow-Redaktionen, starke Medien haben sich schon immer dadurch ausgezeichnet, eigene Themen zu setzen und damit Debatten voranzutreiben, anstatt wie die Lämmer hinter etwas herzulaufen. Kennt eigentlich jemand den familienpolitischen Sprecher (oder ist es eine Sprecherin?) der AfD? Wer ist innerhalb dieser Partei die Stimme in Sachen Wohnungsbau oder Finanzpolitik? Eine Partei, die sonst gerne auf allen Kanälen große Töne spuckt, ist bei den eigentlichen Sorgen in diesem Land äußerst schweigsam.

Eine Talkrunde lebt von Köpfen, die zu einer Diskussion etwas beitragen können. Es gibt viele Themen, bei denen die AfD faktisch blank ist. Wenn solche Themen endlich von den Redaktionen den gebührenden Platz bekämen, gäbe es genügend Gesprächsstoff für unzählige Formate, ganz ohne AfD-Beteiligung. Angenehmer Nebeneffekt: Vielleicht kämen wir auf dem Weg zu einer Lösung der dringlichsten Probleme endlich einen großen Schritt vorwärts. Das wäre gut für unsere politische Landschaft und die Qualität der vorherrschenden Debattenkultur.

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