Autonomie sichern statt Axt anlegen

Christoph Schmitz, Mitglied im ver.di-Bundesvorstand und Leiter des Fachbereichs A, auch verantwortlich für den Bereich Medien
Foto: Kay Herschelmann

Gerade vor dem Hintergrund der wirtschaftlichen Folgen der Corona-Pandemie lassen sich für die geplante Erhöhung des Rundfunkbeitrags gute Argumente finden. So lautet eine Kernaussage im von ver.di beauftragten Gutachten über „Die bedarfsgerechte Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks“. Konservativen Medienpolitikern dürfte das Gutachten nicht schmecken.

So stemmt sich Sachsen-Anhalt schon seit einiger Zeit gegen die von den Ministerpräsidenten längst beschlossene Beitragserhöhung auf 18,36 Euro. Eine Erhöhung, die von der dafür zuständigen Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs der Rundfunkanstalten (KEF) auf Grundlage der Bedarfsanmeldungen von ARD, ZDF und Deutschlandradio vorgeschlagen wird. Da die Länderparlamente diesen Beschluss einstimmig absegnen müssen, steht die Erhöhung Infrage.

Ein unzulässiges Vorgehen, konstatiert Medienrechtler Jan Christoph Kalbhenn in seinem soeben vorgelegten Gutachten. Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung ist eine Abweichung von der KEF-Empfehlung nur zulässig, soweit diese mit dem Gebot der Rundfunkfreiheit vereinbar ist. Dabei gehe es um eine Güterabwägung: Was ist vorrangig? Das finanzielle Interesse der Beitragszahler*innen oder das Recht der Anstalten auf bedarfsgerechte Finanzierung.

Hier stellt das Gutachten fest: Es gibt kein verfassungsrechtlich geschütztes Recht der Bürger*innen auf einen möglichst niedrigen Beitrag. Vorrang hat im Zweifel die bedarfsgerechte Finanzierung der Rundfunkanstalten.

Gründe, die diese Position stützen, gibt es aktuell genug. Gerade in der Corona-Krise sind ARD, ZDF und Deutschlandradio so wertvoll und nötig wie nie. Die Mediennutzung ist rasant gestiegen. Besonders die öffentlich-rechtlichen Info- und Nachrichtenangebote verzeichneten hohe Quoten und Klickzahlen. Damit bildeten sie ein Gegengewicht zur Boulevardpresse und zu manch rechtsgerichteten sozialen Medien, die Verschwörungstheorien und Falschinformationen verbreiteten.

Populistische Politiker in Sachsen-Anhalt erdreisten sich, ihre Zustimmung zur Beitragserhöhung mit Bedingungen gegenüber den Anstalten zu verknüpfen – etwa der Forderung nach noch mehr Sparbemühungen. Ein klarer Erpressungsversuch – und laut Gutachten ein unzulässiger Eingriff in die Programmautonomie der Anstalten. Mit einem Hinweis auf die Corona-Pandemie und wirtschaftliche Schwierigkeiten lässt sich die Blockade-Haltung Sachsen-Anhalts jedenfalls nicht begründen. Das gilt auch für die Absicht der FDP-Bundestagsfraktion, die Bundesregierung in Kürze per Parlamentsbeschluss aufzufordern, sich bei den Ländern für eine Aussetzung der Beitragserhöhung stark zu machen. Zur Erinnerung: Medienpolitik ist Ländersache.

ARD, ZDF und Deutschlandradio sind – das zeigt ihre wichtige Orientierungsfunktion während der Krise – im besten Sinne systemrelevant. Elf Jahre lang gab es keine Erhöhung des Rundfunkbeitrags. Im Gegenteil: 2015 wurde er sogar von 17,98 auf 17:50 Euro gesenkt! Wer wie die Landesregierung und Abgeordnete in Sachsen-Anhalt kleinkrämerisch um wenige Cents feilscht, nur um in Meinungsumfragen billige Punkte zu machen, legt die Axt an eine für das Funktionieren unserer Demokratie wichtige Institution. Mauern sie weiter, bleibt den Anstalten noch ein Weg zur Durchsetzung ihres Anspruchs auf funktionsgerechte Finanzierung: die Klage vor dem Bundesverfassungsgericht. Christoph Schmitz

 

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