Ein bisher unterschätztes Feld faschistoider Propaganda
Braune Comics sind als Einstiegsdroge ins rechtsradikale Gedankengut stets unterschätzt worden, so die These des Gründungsmitglieds der Gesellschaft für Comic-Forschung und Kommunikationswissenschaftlers Ralf Palandt. Derzeit ist er auf Vortragsreisen in der Republik unterwegs.
In Fachkreisen und bei Journalisten versucht der Comic-Forscher Ralf Palandt für die Gefahr der rechten Propaganda mit Karikaturen zu sensibilisieren. Einzig Rechtsrock oder Computerspiele mit antisemitischen, ausländerfeindlichen und gegen Linke gerichteten Inhalten, die in den sozialen Raum hineinstrahlen, seien bisher als Gefahr für die Gesellschaft erkannt, so Palandt. Darauf seien selbst Experten im Bereich Rechtsextremismus fokussiert. Von braunen Comics sei indes meist gar keine Rede – obgleich dort in sehr emotionalisierender Weise Juden, Punks, Linke, Andersdenkende aber auch der Staat und seine demokratischen Institutionen infam verhöhnt und zum Feindbild erklärt würden. In Fachkreisen hielten sich jedoch hartnäckig Gerüchte, nach denen der Rechtsradikalismus Comics ausschließe, weil diese dort vermeintlich als „undeutsch“ angesehen seien. „Ein fataler Irrtum“, meint Palandt gegenüber M. Gerade in den von Rechtsextremen verbreiteten Comics werde „ganz tief in die unterste Schublade gegriffen“. Bei seiner Recherche in Printmedien und Fanzines der rechten Szene, Schüler- und Parteizeitungen, auf Flugblättern und in Booklets von der NPD auf Schulhöfen verteilten Rechtsrock-CDs stieß Palandt immer wieder auf Gewalt verherrlichende und faschistoide Comics. Karikaturen, die er auf Power-Point-Präsentationen vorführt, zeigen in der Tat Erschreckendes.
Viele dieser Pamphlete richten sich gegen Menschen, die sich als links verstehen. Demonstranten, die für ein Bleiberecht für Asylbewerber eintreten oder Mitglieder der Partei Die Linke werden beispielsweise stereotyp mit Karl-Marx-Rauschebart und häufig als ungepflegt dargestellt. Als Erkennungszeichen gilt der rote Kommunistenstern. In Bild und Sprechblase wird geschildert, sie seien schmutzig, verwahrlost oder faul – und würden deshalb von Rechten verprügelt. Mitunter werden Linke als dumm und nahe liegendes übersehend stigmatisiert: In den ersten zwei Bildern eines Comics fordern derart trottelig dargestellte Figuren Freiheit für Chile oder Peru – im dritten kommt schließlich ein Rechter, um Freiheit für Deutschland zu fordern. Punks sind im Visier rechter Comic-Zeichner als stinkend, kiffend und saufend dargestellt. Hier geht es heftig zur Sache – mit Geschichten, die ebenso bösartig wie diskriminierend sind. Beispiel: Ein Job suchender Punk bewirbt sich als Musiker im Hotel. Der Chef bestätigt grinsend, für ihn „andere Verwendung“ zu haben. Später sieht man die Hotelier-Gattin den Punk an den Beinen packen und ihn als Klobürste mit dem Kopf nach unten verwenden. Juden werden hässlich und mit großer Nase gezeichnet. So platt und Vorurteil beladen geht es im antisemitischen Comic zu: Eine Faust schlägt auf einen Mann ein: Dieser geht kaputt – es hagelt Dollarscheine. Diese rechtsextremen Comics symbolisieren oft die von Rechten Rassisten erfundene so genannte jüdische Weltverschwörung: Juden beherrschten Regierungen, Wirtschaft und Medien. In Comicsprache sind rechtsextreme Kampfbegriffe und Codes eingeführt. „Nieder mit ZOG“. ZOG steht für „zionist occupied government“ (zionistisch besetzte Regierung). Häufig taucht die Zahl 88 auf. Die Acht steht für den achten Buchstaben im Alphabet, es geht um die Abkürzung für Heil Hitler. Wichtig sei es, Journalisten und Experten zu sensibilisieren, solche Comics erkennen und einordnen zu können. „Nur wer um die Bedeutung weiß, kann die Öffentlichkeit kompetent informieren“, meint Palandt.
Auch der Staat wird in braunen Karikaturen verunglimpft – gestänkert wird gegen Richter, Polizisten, Politiker oder Mitarbeiter des Verfassungsschutzes. In Frankreich gehe bereits eine professionelle rechte Zeichner-Szene zu Werke und versuche Rassenideologie in eine die Jugend ansprechende Form zu gießen, so der Kommunikationswissenschaftler. Autodidakten und Laien erstellten so genannte Fanzines. Meist würden diese über Mailverteiler intern in der rechten Szene vertickt – aber auch unter Schülern gehandelt und ausgetauscht. Die Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien habe viele auf den Index gesetzt, weil darin Straftatbestände vorkämen wie Verfassungsfeindlichkeit, Volksverhetzung, Landfriedensbruch, Beleidigung, üble Nachrede oder Rufschädigung. Bei den Rechten hat man die sehr direkte und emotionale Wirkung von Comics erkannt: Feindbilder gehen mit Bildern intensiver und schneller in die Köpfe hinein.
Sehr bewusst betreibt die NPD in zunächst vermeintlich harmlosen Comics Eigenwerbung. Einen Comic folgenden Inhalts verteilt die Partei auf Schulhöfen: Alex steht vorm Arbeitsamt. Vor der Tür ist ein Stand von der NPD zu sehen. Dort steht Tina, und erklärt Alex, warum er bei der NPD mitmachen soll. Der Jugendanteil wäre angeblich so groß.
Nach dem Motto „Was verboten ist, macht uns gerade an“, kursierten allerdings nicht nur jene vergleichsweise braven Comics, sondern auch die mit schmutzigen Inhalten unter Schülern. Darin würden Aktionen und Gewalttaten gezeigt, und auch ganz offen dazu aufgefordert. Erobert euch die Straße zurück, kämpft gegen die Feinde, knüppelt Juden, ausländische Mitbürger oder Linke und Punks, heiße es. Ein zweifelhafter Unterhaltungs- und Belustigungsfaktor mache diese Propaganda extrem gefährlich.
Informationsveranstaltungen über
„Braune Comics?!“
Eine mehrtägige Tagung samt Begleitband am Ende des Jahres wird vom Archiv der Jugendkulturen und Ralf Palandt geplant: in Anlehnung an seinen Artikel „Braune Comics?! Bilder vom rechten Rand der Gesellschaft“ im Comic! Jahrbuch 2009 (Icom e.V., www.comic-i.com)
„Comics von Rechts“, „Comics gegen Rechts“ und „Geschichtscomics im Unterricht“ sind Thema; wie auch im interdisziplinären Rahmen Untersuchungen und Erfahrungen über Inhalte, Funktionen, Mechanismen und Wirkung von Comics aus dem Themenkreis Rechtsextremismus, Rassismus und Antisemitismus vorgestellt und diskutiert werden. Jede/r der hierzu arbeitet und Interesse hat, Erkenntnisse zu präsentieren oder Thesen und Theorien zu diskutieren, wird gebeten sich zu bewerben. Dafür soll ein Abstract für einen Vortrag oder Aufsatz bis zum 30. April 2009 per E-Mail an die Veranstalter geschickt werden. Informationen: www.jugendkulturen.de/index.html?projekte.html
Vortrag von Ralf Palandt: „Comics von Rechts – Comics gegen Rechts“ am 25. März, 19 Uhr, im EineWeltHaus München, Schwanthalerstr. 80