Auf ein Wort: Kreative Geiselhaft

Stefan Raab sagt dem TV tschüss. Ein Schock für seine stabile Fangemeinde, die er seit Jahrzehnten mit Formaten wie „TV Total”, „Schlag den Raab” bis hin zu „Wok-Weltmeisterschaften” entzückte. Dass der umtriebige Entertainer nach 22 Jahren jetzt seinen TV-Ausstieg zum Jahresende ankündigt, ist durchaus nachvollziehbar. Lieber rechtzeitig aufhören, als ein Abdriften meiner Marke in „TV total kaputt” zu riskieren, mag Raab sich gedacht haben.

Negativeffekt dieses Ausstiegs: 80 von 230 Mitarbeitern der Produktionsfirma Brainpool, also fast jeder Dritte, erhielten betriebsbedingte Kündigungen. Neben den Festangestellten trifft es auch eine Vielzahl freiberuflicher Gag-Schreiber und sonstige Manpower. Mit Sicherheit wird es bedauerliche Härtefälle geben, etwa ältere Kollegen, die es auf dem Arbeitsmarkt nicht leicht haben dürften. Allerdings, so verlautet selbst aus Belegschaftskreisen, hätten die Mitarbeiter auch viele Jahre vom Erfolgsmodell des Entertainers profitiert, zum Beispiel durch langfristige Verträge. Etwas, was in der TV-Branche heutzutage eher selten vorkommt.

Problematisch erscheint daher eher der Umstand, dass eine Produktionsfirma – wie im Falle Brainpool – ihr Geschäftsmodell über Jahrzehnte von einem Star abhängig machte, sich sozusagen mit Mann und Maus in kreative Geiselhaft begab. Das könnten demnächst auch die Mitarbeiter von I&U schmerzhaft erfahren, das ist die Produktionsfirma von Günther Jauch, der ja ebenfalls zur wachsenden Gilde TV-Talk-müder Großmeister zählt. Im Gegensatz zu Raab kontrolliert der angeblich beliebteste Deutsche sein kleines Imperium zu 100 Prozent selbst.

Gleiches gilt für Star-Moderator Thomas Gottschalk, dem der WDR das gesamte 4,6 Millionen-Euro-Honorar für seine gefloppte Vorabendshow „Gottschalk Live” zahlte. Und das, obwohl nur 70 statt wie geplant 144 Folgen ausgestrahlt wurden. Ob der herbstblonde TV-Rentner Gottschalk wenigstens einen Teil der fürs süße Nichtstun kassierten Gagen an die vom Aus betroffenen Belegschaftsmitglieder des Produzenten Grundy TV weitergereicht hat, ist nicht bekannt.

Weitere aktuelle Beiträge

Weniger Demokratie wagen

Mit dem Slogan „Medienvielfalt stärken – Meinungsfreiheit sichern“ ist die Regierungskoalition aus CDU/CSU und SPD angetreten.  Keine Koalitionsvereinbarung ohne Bekenntnis zur „flächendeckenden Versorgung mit journalistischen Angeboten“. Aber halt: Hieß es nicht bei der Ampel (und der letzten Merkel-Regierung!) noch „flächendeckende Versorgung mit periodischen Presseerzeugnissen“?
mehr »

Vernetzte Frauen im Journalismus

Sich als Frau in einer Branche behaupten müssen, in der Durchsetzungskraft und Selbstbewusstsein entscheidende Faktoren sind: Für Generationen von Journalistinnen eine zusätzliche Belastung im ohnehin schon von Konkurrenz und Wettbewerb geprägten Beruf. Angesichts dieser Herausforderung sind Netzwerke und solidarische Bündnisse von großer Bedeutung. Der Journalistinnenbund (JB) hatte hierbei seit seiner Gründung im Jahr 1987 eine Vorreiterrolle inne. Sein Anliegen: Geschlechtergleichstellung in den Medien erreichen.
mehr »

In den eigenen Räumen etwas bewegen

Stine Eckert forscht zu Geschlechterkonstruktionen in den Medien am Institut für Kommunikationswissenschaft an der Wayne State University in Detroit. Ihr Buch „We can do better“ versammelt  „feministische Manifeste für Medien und Kommunikation“. Mit Ulrike Wagener sprach sie für M über die Verbindung zwischen Universitäten und Aktivismus und die Frage, wo Medien und Medienschaffende etwas verändern können.
mehr »

Von Drehtüren und Seitenwechslern

Seit gestern hat Deutschland eine neue Bundesregierung. Das Personalkarussell dreht sich - sowohl in der Politik als auch in der PR. Einige prominente Namen der künftigen Mannschaft von Bundeskanzler Friedrich Merz kommen aus dem Journalismus. Zu den spektakulärsten Seitenwechseln zählen die Personalien Stefan Kornelius und Wolfram Weimer. Kornelius, seit 2000 in leitender Funktion bei der Süddeutschen Zeitung, zuletzt als Ressortleiter Politik, tritt die Nachfolge von Steffen Hebestreit (SPD) als Regierungssprecher an. Mit Weimer wird gar ein Verleger („Business Punk“) und Publizist („Cicero“) und Ex-Focus-Chefredakteur neuer Staatsminister für Kultur und Medien.
mehr »