Sammeln im Netz

Deutsche Nationalbibliothek auf neuem Archivierungskurs

Die Deutsche Nationalbibliothek sammelt seit Oktober auch Netzpublikationen. Wird es damit ein kostenloses Archiv für das deutschsprachige Internet geben, eine Art staatlich finanzierter Archive.org, eine WayBackMachine? Oder droht Website-Betreibern damit eine neue Abmahnwelle? Denn wer seine digitalen Medienwerke nicht abliefert, riskiert laut der jetzt in Kraft getretenen Pflichtablieferungsverordnung eine Ordnungsstrafe von bis zu 10.000 Euro.

Abliefern bedeutet nicht, dass jeder Autor seine Werke per FTP-Upload und als PDF-Datei auf der Stelle auf den Server der Nationalbibliothek laden muss. Betreiber von Websites, die nicht regelmäßig aktualisiert werden, sowie Blogger und Foren-Betreiber müssen nichts unternehmen, denn die Bibliothek wird Blogs, Foren und Websites mit statischen Inhalten nur automatisiert über einen eigenen Crawler erfassen und archivieren.
In der Praxis, so stellt der Sprecher der Nationalbibliothek Stephan Jockel klar, sammle die Nationalbibliothek nur bezogen auf das Einzelobjekt. Darunter versteht sie E-Books, elektronische Zeitschriften, Hochschulprüfungsarbeiten und so genannte Digitalisate, die im Internet veröffentlicht wurden. Unter elektronischen Zeitschriften versteht die Einrichtung E-Journals, wie sie Wissenschaftsverlage wie Springer statt Print-Journale betreiben. Digitalisate sind das Ergebnis eines Digitalisierungsvorgangs. Das bedeutet, wenn wie etwa für das Projekt „Google Books“ mit Hilfe eines Kopierers oder Scanners aus einem Papier-Dokument eine PDF-Datei erzeugt wird.
All diejenigen, die ein E-Book veröffentlicht haben, müssen dieses also bei der Nationalbibliothek melden. Sie hat auf ihrer Website unter dem Stichwort „Netzpublikationen“ eine so genannte Abliefererschnittstelle eingerichtet. Hier gibt es Auskunft über die verschiedenen Möglichkeiten, seine Werke abzuliefern: Abhängig davon, wie viele Publikationen jemand veröffentlicht, muss er entweder nur die Metadaten angeben und die Bibliothek holt das Dokument selbst auf der Website ab oder er muss die Publikation selbst hochladen. Stehen die Dokumente in mehreren Formaten zur Verfügung, bevorzugt die Einrichtung das PDF-Format. „Bei regelmäßigen Veröffentlichungen ist es sinnvoll, mit der Abteilung ‘Erwerbung’ Kontakt aufzunehmen“, rät Jockel.
Für Nachrichtenwebsites entwickelt die Deutsche Nationalbibliothek zurzeit ein eigenes Verfahren, das sie mit den Herausgebern hinsichtlich Praktikabilität und eines angemessenen „Abhol“-Intervalls abstimmen wird. Sammelrichtlinien als interne Arbeitsanweisung werden künftig das Sammelgebiet und etwaige Ausnahmen konkret beschreiben. Diese Richtlinien sollen der technischen Sammelfähigkeit der Einrichtung entsprechend laufend aktualisiert werden.
Ein Vorteil für die Urheber ist schon jetzt abzusehen: Hat die Nationalbibliothek einmal die Werke archiviert, ist sie verpflichtet, sie so lange wie möglich verfügbar zu halten. Für die Langzeitarchivierung versieht sie die Originaldatei mit Metadaten. Gibt es neue Software-Versionen, wird das Dokument auf die nächst lesbare Form migriert. Außerdem werden alte Programme emuliert, das heißt, sie werden innerhalb neuerer Programme ausgeführt.
Alle digitalen Werke sind in den Lesesälen der Nationalbibliothek in Frankfurt am Main sowie in Leipzig einsehbar. Nur wenn ein Urheber zustimmt, sind sie über den Server der Einrichtung auch im Internet frei verfügbar. Das heißt jedoch, dass Urheber von sich aus die Zustimmung erteilen müssen, wenn sie darauf Wert legen sollten. Alle Dokumente, die über Harvesting-Verfahren gesammelt wurden, werden zunächst nur über die Lesesäle verfügbar sein, da hier erst einmal keine Genehmigung der Urheber vorliegt. Übrigens audiovisuelle Inhalte sammelt die Nationalbibliothek nur dann, wenn Musik im Vordergrund steht. Auf diese Weise wird sie ein umfangreiches Musikvideo-Archiv aufbauen. Inhalte der öffentlich-rechtlichen Sender sind hiervon nicht betroffen, da sie im Rundfunkarchiv gespeichert werden.

Deutsche Nationalbibliothek: http://www.d-nb.de

nach oben

Weitere aktuelle Beiträge

Österreich: Gefahr für die Pressefreiheit

In Österreich ist die extrem rechte FPÖ bei den Nationalratswahlen stärkste Kraft geworden. Noch ist keine zukünftige Koalition etabliert. Luis Paulitsch erklärt im Interview, welche Entwicklungen in der österreichischen Medienlandschaft zu erwarten sind, sollten die FPÖ und ihr Spitzenkandidat Herbert Kickl an der Regierung beteiligt werden. Paulitsch ist Jurist, Zeithistoriker und Medienethiker. Von 2019 bis 2024 war er Referent des Österreichischen Presserats, dem Selbstkontrollorgan der österreichischen Printmedien;  seit 2024 bei der Datum Stiftung für Journalismus und Demokratie.
mehr »

KI beinflusst Vielfalt in den Medien

Künstliche Intelligenz kann journalistische Texte in verschiedene Sprachen übersetzen und damit viel mehr Nutzer*innen ansprechen. Gleichzeitig kann sie aber auch Stereotype, die in diesen Texten enthalten sind, verfestigen. Gefahren und Chancen von KI-Anwendungen im Journalismus standen im Fokus der diesjährigen NxMedienkonferenz der Neuen deutschen Medienmacher*innen (NdM), die sich für mehr Vielfalt in den Medien einsetzen.
mehr »

ARD & ZDF legen Verfassungsbeschwerde ein

Nachdem die Ministerpräsident*innen auf ihrer Jahreskonferenz Ende Oktober keinen Beschluss zur Anpassung des Rundfunkbeitrags ab 2025 fassten, haben heute ARD und ZDF Beschwerde beim Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe eingelegt. Die Dienstleistungsgewerkschaft ver.di begrüßt die Initiative.
mehr »

AfD als Social Media Partei überschätzt

Eng vernetzt mit dem extrem- und neurechten Vorfeld und gezielt provozierend mit rassistischem Content: Die Landtagswahlkämpfe der AfD in Sachsen, Thüringen und Brandenburg waren von einer hohen Mobilisierung geprägt, auch über die sozialen Medien. Eine aktuelle Studie der Otto Brenner Stiftung (OBS) in Frankfurt am Main zeigt nun aber: die Auftritte der AfD auf Social Media sind weit weniger professionell als zuletzt häufig kolportiert und es gibt deutliche regionale Unterschiede.
mehr »