Gericht verurteilte wegen Verletzung des Urheberrechts zu hoher Geldzahlung
Urheberrechtsverletzungen an Fotos sind alltäglich, leider – vielfältig im Netz und in Medien jeder Couleur, aber auch häufig im Alltag. Von Unwissenheit über Gleichgültigkeit bis zu bewusster Täuschung reichen die Motive. Nur wenige Fotografen ziehen vor Gericht. Dabei würde es sich lohnen, für das Recht am eigenen Bild zu streiten, wie der Fall eines Fotografen in Hamburg zeigt.
Das Hamburger Landgericht sah es als erwiesen an, dass ein Restaurant-Besitzer die Urheberechte eines Fotografen verletzt hat. Es verurteilte ihn zur Zahlung von insgesamt 9.000 Euro an den Journalisten als Entschädigung sowie für Lizenzen und die Erstattung von Rechtsanwaltskosten. Wobei das Gericht bei der Festlegung des Lizenz-Schadenersatzes über die Durchschnittshonorare der Mittelstandsgemeinschaft Foto-Marketing (MFM) hinausging. Es urteilte, dass auf Grund der hohen Qualität und des hohen historischen Wertes der Fotografien ein Betrag oberhalb der marktüblichen Vergütungen je Bild anzusetzen sei – 465 anstatt 328 Euro pro Onlinenutzung.
Der Berufsfotograf Hinrich Schultze hat sich seit Jahrzehnten auf Dokumentarfotografie spezialisiert und sich damit einen Namen gemacht (dokumentarfoto.de). Vor allem in den 80er Jahren fotografierte er Aktionen von Umweltschützern, unter anderem bei den Anfängen der Umweltbewegung 1976 in Schleswig-Holstein. Eindrucksvolle schwarz-weiß Fotos aus dieser Zeit waren nun Streitgegenstand vor Gericht.
Als ein Herr H. aus Flensburg 2018 bei Schultze anrief und von eben diesen Fotos schwärmte, die doch so bewegend die damalige Zeit dokumentieren würden, freute sich der Fotograf. Mehrere Anrufe folgten sowie ein Besuch des Mannes in Hamburg, um sich das Fotoarchiv anzusehen. An diesem 21. Oktober wurde darüber gesprochen, die Fotos in seinem neuen Lokal auszustellen und sie auf seiner Webseite zu dokumentieren, um den Besucher*innen seines Lokals die Geschichte der lokalen Umweltbewegung näher zu bringen und an die fast vergessenen Kämpfe der Vergangenheit zu erinnern, mit denen er und seine Freunde in der Partei „die Grünen Schleswig Holstein“ sympathisierten. „Nach den ganzen Komplimenten und der Beteuerung wie er meine Arbeit verehrt, habe ich seine Initiative eher als Werbung für mich und als eine gemeinsame politische Initiative für ein in Vergessenheit geratenes Kapitel der deutschen Geschichte interpretiert“, denkt Schultze zurück. Aus diesem Grund habe er den aus seiner Sicht symbolischen Honorarvorschlag von 280 Euro akzeptiert, wissend, dass etwa bei Werbefotos ganz andere Beträge üblich seien. Dieses Geld deckte gerade mal die Scan- und Bearbeitungskosten.
Nachdem Schultze sehr lange nichts mehr von dem Wirt gehört hatte, war die Überraschung groß, als er auf der Website des Restaurants seine Fotos „vollkommen entstellt und verhunzt“ vorfand. In die Demoplakate waren Werbesprüche für das Restaurant kopiert und weitere Textzeilen hatten mit dem ursprünglichen Anliegen der Protestierenden nichts mehr zu tun. Er stellte den Verursacher dieser falschen Darstellungen zur Rede, erhielt jedoch am 20. Februar 2019 lediglich eine patzige Antwort: “… Die kritiken zur homepage waren durchweg positiv. Den hinweis auf dich und deine homepage habe ich von meiner Seite nun sofort entfernt. Die persönlichkeitsrechte können die abgelichteten personen persönlich geltend machen, sind ja inzwischen alle erwachsen. Alles andere ist kunst. Und werbung für ein restaurant.“ Die Fotos blieben auf der Website, auch noch nachdem der Wirt anwaltlich zur Unterlassung dieser Veröffentlichungen und zur Zahlung von Schadenersatz aufgefordert worden war. Erst Ende April 2019 nahm er die Fotos vom Netz, weigerte sich jedoch weiter zu zahlen. So ging die Sache vor Gericht, das dem Urheber vollumfänglich Recht gab.
Von Werbefotos für ein Restaurant sei weder mündlich noch schriftlich je die Rede gewesen, erklärte Schultze. Es gab auch keinerlei Anfrage von Seiten des Restaurantbesitzers, an den Fotos etwas verändern zu dürfen. Und wenn, hätte Schultze dafür niemals eine Erlaubnis gegeben, versichert er gegenüber M. Neben ihm selbst seien auch die abgebildeten Personen erheblich in ihren Rechten verletzt. „Sie hatten damals unter großen Mühen gekämpft, sind teilweise schon verstorben und werden jetzt von Herrn H. ungefragt als Reklameflächen missbraucht.“ Der Lokalbesitzer hatte die Fotos auf der Seite dokumentarfoto.de gefunden. „Sie heißt mit Absicht nicht werbefoto.de“, so der Fotograf. Durch jahrzehntelange verantwortungsvolle Arbeit sei es ihm gelungen in gesellschaftlichen Bereichen Zugang zu finden und Vertrauen aufzubauen, wo dies anderen Kolleg*innen verwehrt sei. „Dieses Vertrauen wurde damit gefährdet.“
Bei dem Prozess sei es ihm weniger um die Probleme mit einem Herrn H. gegangen. Dessen Verhalten reflektiere nur das in der Gesellschaft fehlende Bewusstsein über den Wert der Fotografie, betont Schultze. Die Fotografie sei keine Handelsware wie andere Produkte. Sie habe einen darüber hinaus gehenden Wert. „Als kulturelles Mittel regt sie an, unsere Existenz zu reflektieren. Mit ihrer Hilfe machen wir uns ein Bild von der Welt, sodass wir unsere Geschichte und aktuelle gesellschaftliche Zusammenhänge besser verstehen und beurteilen können. Für diesen Wert zu streiten und ihn ins öffentliche Bewusstsein zu heben, das ist unsere Aufgabe. Dabei können wir Fotografen, anders als in der aktuellen Diskussion oft gefordert, nicht auf die urheberrechtliche Verfügungsgewalt über unsere Fotos verzichten. Nur wir kennen die Situation, in der sie gemacht wurden. Wir kennen die Absprachen, die mit den abgebildeten Menschen getroffen wurden. Ihnen gegenüber sind wir verpflichtet, dass verantwortungsvoll mit den Bildern umgegangen wird.“
In diesem Fall eines urheberrechtlichen Verstoßes ging es nur um den Werbeauftritt eines kleinen Unternehmers. Aber auch an anderer Stelle könne er nicht auf sein Recht als Urheber verzichten und die Bilder als Gemeingut für alle frei geben, sagte Schultze. „Ich könnte dann nicht mehr gegen einen Missbrauch vorgehen. Zum Beispiel, was auch schon vorgekommen ist, wenn Nazis meine Bilder für ihre Werbeaktionen verwenden wollen.“