Was mit Medien? Das braucht Hartnäckigkeit

Es gab bessere Zeiten für Volontariate und Redaktionspraktika
Symbolfoto: Christian von Polentz

Wer hierzulande in den Journalismus will, braucht vor allem eines: Hartnäckigkeit. Denn obwohl in manchen Bereichen wie den Lokalredaktionen von Nachwuchsmangel die Rede ist, ist es für die jungen Leute, die den Berufseinstieg suchen, oft gar nicht so leicht. Egal ob Praktikum, Volontariat oder Journalistenschule: Dran bleiben und sich nicht entmutigen lassen, heißt die Devise. Wir begleiten zwei junge Frauen auf ihrem Weg in den Beruf.

Laura ist seit dem Wintersemester 2019/20 in Berlin zuhause und studiert Literatur- und Kulturwissenschaften. Sie kommt aus einer kleinen Stadt und hat sich mit ihrem Studienort auch den größtmöglichen Unterschied ausgesucht. Gerade hat sie ihren Bachelor abgeschlossen. Sie gestaltet eine Studi-Zeitschrift mit, hat ein Praktikum bei der „taz nord“ absolviert, schrieb für eine Musikzeitschrift und ein Berliner Magazin. Mit all diesen Arbeitsproben bewirbt sie sich seit Februar als Volontärin – weiträumig. Bei Sendern, bei großen und kleinen Tageszeitungen, auf Ausschreibungen und in eigener Initiative.

Es ist Mitte Juni und Stella Schalamon, studentische Mitarbeiterin bei Zeit online, steckt mitten in ihren Bewerbungen für zwei der renommiertesten Journalistenschulen des Landes: der Deutschen Journalistenschule in München und der Henri-Nannen-Schule in Hamburg. Von beiden Schulen ist sie eingeladen und hat damit schon einmal zwei ganz wichtige Hürden geschafft.

Die Henri-Nannen-Schule (HNS) nimmt nur alle zwei Jahre eine Klasse für inzwischen 24 Monate auf. Die Inhalte der Ausbildung wuchsen, erklärt Leiter Christoph Kucklick, die Ausbildungszeit deshalb um sechs Monate aufgestockt. Für den jetzt im Oktober beginnenden Jahrgang haben sich zunächst knapp über 1500 junge Leute registriert, 497 haben sich dann wirklich mit Texten an der Ausschreibung für die meist 18 Plätze beteiligt. Eine erfreuliche Entwicklung, meint Kucklick, es waren gut 20 Prozent mehr Registrierungen und über 40 Prozent mehr ernsthafte Bewerbungen.

Bei der Deutschen Journalistenschule in München (DJS) gibt Leiterin Henriette Löwisch keine genauen Bewerbungszahlen bekannt, es sei aber vierstellig gewesen, wie in den Vorjahren, berichtet sie. Knapp ein Drittel schicke dann wirklich Reportage und Lebenslauf. Der Anteil sei gestiegen. 100 Bewerber*innen werden für den zweijährigen Masterstudiengang mit der Uni München eingeladen, 50 für die Kompaktklasse von zehn Monaten. Erfolgreich sind letztlich 30 Masterstudierende und 15 junge Leute in der Kompaktklasse.

Gute Ausbildung – Schwierige Bedingungen

Nach einem binationalen Bachelor in Medien- und Kulturwissenschaft in Weimar und Lyon studiert Stella Schalamon jetzt in Berlin Philosophie. Die wiederholten Studienaufenthalte in der Stadt an der Rhône bilden nicht ihre einzige längere Auslandserfahrung. Nach dem Abitur hat sie ein Freiwilligen-Jahr in einem Kinderheim in Mexiko verbracht. Auch journalistisch hat sie schon einige Erfahrungen gemacht. Bei der taz war sie im Praktikum, beim Studiengang „Kulturjournalismus“ an der Universität der Künste hat sie sich getummelt und für die hohen Studienkosten nebenher gearbeitet. Für die „Krautreporter“ hat sie auch schon geschrieben, als sie ihre Bewerbungen für die beiden Journalistenschulen losschickt. Klingt doch schon nach einem guten Berufseinstieg. Warum noch mal diese Bewerbungsrunde? „Mir fehlt Handwerkliches.“ Das merke sie, wenn andere in der Redaktion über ihre Texte schauten. „Ich könnte noch effizienter arbeiten und möchte noch freier darin werden.“

Ausgerechnet von einer Regionalzeitung bekommt Laura im Sommer eine Zusage. In der Provinz, wo sie eigentlich überhaupt nicht mehr hinwollte. Vieles andere, was ihr besser passen würde, ist offen. Was tun? Sie muss sich entscheiden. Und sagt ab. Sie wird kontaktiert, es gibt sogar noch ein Angebot, statt in der kleinen Residenzstadt zur Schwesterzeitung des Konzerns in der etwas größeren Universitätsstadt in der Nähe zu wechseln. Aber Laura bleibt bei ihrer Absage. Provinz soll es nicht sein.

Damit ist sie nicht allein. Gerade die Lokalzeitungen beobachten die Abneigung, „auf’s Land“ zu gehen, M berichtete darüber schon vor Jahren. Der Deutschlandfunk hat das Thema 2019 wieder aufgegriffen. Manche Sender oder Verlage haben extra lokale Volontariate angeboten, etwa beim Madsack Medien Campus, oder beim NDR.

Eine ganze Menge Absagen hat Laura zu dieser Zeit schon bekommen. Mit Begründungen, etwa dass man in einer Zeit der Hackerangriffe andere Probleme als Nachwuchssuche habe. Mit Tipps zur persönlichen Weiterbildung. Oft aber auch nur mit einem formalen Absageschreiben. „Ich habe mit der Zeit gelernt, mit diesen Absagen umzugehen“, sagt die 23-Jährige.

Laura ist bei Vorstellungsrunden bei Online-Redaktionen, Zeitungen, Masterstudiengängen eingeladen. Sie findet manche merkwürdig. So wird sie über ihr mögliches Verhalten in einem Berufsleben befragt, das ja noch gar nicht begonnen hat. Macht Wissenstests, bei denen es keinen Kontakt oder Zeitlimits gibt, Hilfsmittel also möglich sind. Stellt nach kurzer Vorbereitungszeit Konzepte für Podcasts vor. Reist zu Vorstellungen quer durchs Land. „Stressig, es gab ein paar Höhen und viele Tiefen“, fasst sie im Online-Gespräch zusammen. Doch die Jurys lassen sich viel Zeit, ihren Bewerber*innen zu- oder abzusagen. Ständig Schwebezustand. Dazwischen der Studi-Job bei einem Reality-Format der Privaten.

Virtuelle Bewerbungen

Wegen Corona läuft vieles bei den Bewerbungsrunden in diesem Jahr per Internet. Stella Schalamon hat den Wissenstest und die Reportage per Youtube über ein Dorf im Glasfaserausbau bei der DJS schon hinter sich. Für die Wiedererkennungsrunden, für die DJS und Nannen-Schule berühmt sind, hat sie „Fotos gepaukt“, erzählt sie. Beim Rundfunk hat sie neben den aktuellen Nachrichten auch auf „Abseitiges“ geachtet, Instagram gecheckt, Publikumszeitschriften gekauft und Quiz-Duelle gespielt.

„Remote“ beschreibt Stella Schalamon das Gespräch mit der Aufnahmekommission der DJS. Den ersten der beiden Bewerbungstage für die Nannen-Schule nennt sie am Tag danach dagegen „gefühlt den längsten Tag meines Lebens“. Nicht in Hamburg, sondern zuhause in Berlin war er bei fast 40 Grad Celsius zu absolvieren. Beim Wissenstest war sie mit Handy und Webcam mit den Prüfern verbunden, „ein komisches Gefühl“, so beobachtet werden zu können, sagt sie. Danach kam die Reportage: Den „beliebtesten Ort meines Viertels“ sollte sie schildern, Abgabe in sechs Stunden. Stella Schalamon hätte ein „abstrakteres Thema“ vorgezogen, aber was soll’s.

Reporter-Glück gehört dazu

Also hat sich Stella für den Berliner Zoo entschieden. Wegen der Hitze würden sich die Besucher*innen wohl am ehesten im kühlen Aquarium aufhalten, dachte sie. Und voll würde es sein nach den Monaten des Lockdowns, hatte sie vermutet. Beides war falsch. Den Zoo hatte der Lockdown nicht besonders eingeschränkt, das Aquarium war leer. Draußen sprach sie erst mal zwei Frauen an. Die drehten aber den Spieß um und fragten sie über ihre Reportagen-Aufgabe aus.

Etwas enttäuscht und mit beginnendem Zeitdruck kam Stella dann mit einer älteren Besucherin ins Gespräch, die zuerst sehr zurückhaltend reagierte. Aber dann erzählte die Aktionärin des Zoos doch, etwa wie sie regelmäßig „ihre Freundin“, die Gorilla-Dame, besucht, wenn sie von der Pflege ihres Mannes eine Auszeit nehmen kann. „Man braucht auch Reporter-Glück“, sagt Stella im Online-Gespräch zufrieden.

Erschöpft ist Stella nach dem Freitag. Und die Montagsrunde bei der Nannen-Schule in Hamburg liegt noch vor ihr. Später sagt sie, dass sie sich nicht gerade voller Optimismus auf den Weg gemacht habe. Drei Gespräche werden es schließlich werden. „Ein stressiger Tag“ war es, und habe „ganz schön geschlaucht, aber auch Spaß gemacht“. Und auf welche Zusage hofft sie jetzt mehr? Schwierige Frage, sagt sie und wiegt den Kopf beim nächsten Bildschirm-Gespräch. Die HNS habe den wichtigen Vorteil, dass die Journalistenschüler*innen Geld bekommen. Bei der DJS müsste sie versuchen, nebenher zu arbeiten. Und das, hat sie gehört, soll kaum zu schaffen sein bei dem engen Programm, das über die Kurszeiten hinausreicht.

Bei der HNS gibt es jetzt für die „Kernphase“ von sieben Monaten, hauptsächlich in der Schule, 645 Euro, danach 1500 Euro für die Monate, die ja überwiegend in Redaktionen verbracht werden. Die DJS kann keine Ausbildungshilfe bieten, aber sie bemüht sich schon auf der Internet-Seite („München ist ein teures Pflaster“), auf Stipendien aufmerksam zu machen. Im Schnitt, so Schulleiterin Henriette Löwisch, kämen zwei Drittel aller Schüler*innen, sei es Kompaktklasse oder Masterstudiengang, in den Genuss von Stipendien. Die Höhe rangiere je nach Stiftung und Bedürftigkeit zwischen 250 und 1000 Euro pro Monat.

Der Weg hat erst begonnen

„Ich gehe zur Nannenschule!“, kommt die Triumpf-Mail am 9. Juli von Stella Schalamon. Mitte Oktober wird es losgehen. Stella sucht ein Zimmer zur Zwischenmiete, denn die Ausbildung in Hamburg wird immer wieder von Praxiszeiten in anderen Städten unterbrochen. Mitte September ist das Zimmer gefunden, in Laufentfernung zur Henri-Nannen-Schule, die Am Baumwall residiert. „Ich freue mich jetzt auf zwei total intensive Jahre.“

Bei Laura gibt es weitere Absagen, aber sie resigniert nicht und sucht weiter. Bei der Wahlpublikation der Jugendpresse Deutschland wird sie Chefredakteurin. Sie hat sich das zugetraut, die Jugendpresse hat ihr das zugetraut. Viel Arbeit, viel Spaß, eine gute Zeit. Das hebt das Selbstbewusstsein, das sie allerdings auch in schlechteren Zeiten bei einem Kaffee am Treptower Hafen immer ausgestrahlt hat.

Noch sind nicht alle Türen, die sie im Journalismus für sich zu öffnen versucht hat, verschlossen. Noch geht die Warterei weiter. Laura sagt, sie überlege, in eine andere Richtung als Journalismus zu gehen. Vielleicht zur Film- und Fernsehproduktion, wo sie ja als Jobberin schon Erfahrungen gesammelt hat. Aber eines ist sicher, sagt sie mit einem verschmitzten Lächeln: „Irgendwas mit Medien“ sollte es schon sein.

 

 

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