taz kürzt Honorare ihrer Auslandskorrespondenten
Eigentlich hätte alles so schön sein können. Statt wieder einmal zu Soli-Aktionen aufrufen zu müssen, konnten Chefredaktion und Geschäftsführung der taz bei der diesjährigen Genossenschaftsversammlung verkünden, dass die Zeitung nach 15 Jahren erstmals schwarze Zahlen schreibt.
Die taz steckt nicht in einer Krise. Ihre 14 Auslandskorrespondenten, beschäftigt auf Basis einer monatlichen Pauschale, hingegen teilweise schon. Nach einer Ankündigung im Februar hat die taz im Juli allen mit Wirkung zum 31. Oktober gekündigt.
Bislang schreiben die Korrespondenten mit Pauschalen von 800 bis 1.400 Zeilen, jeweils vergütet mit 1,47 Euro. Jede zusätzliche Zeile bringt 89 Cent. Zukünftig sollen alle Pauschalisten einheitlich 735 Euro für einen Sockel von 500 Zeilen erhalten. Die Vergütung der darüber hinaus geschriebenen Zeilen bleibt gleich. Die Geldbeutel der Auslandskorrespondenten trifft das zum Teil empfindlich: Je nach Höhe der bisherigen Pauschale sollen neun von ihnen Einbußen bis zu 28 Prozent hinnehmen, im Schnitt sollen sie auf 15 Prozent verzichten.
Die Kolleginnen und Kollegen versuchten zu verhandeln. Erfolglos. Schließlich gingen sie Mitte September mit einer konzertierten Aktion an die Öffentlichkeit. Unter dem Motto „taz-KorrespondentInnen suchen neue Arbeit“ lieferten sie im Hinblick auf die Genossenschaftsversammlung am 18. September für drei Tage keine Artikel, dokumentierten alles auf Facebook und YouTube. „Was ist der taz die Auslandsberichterstattung wert“, fragten sie. Die dju unterstützte die Aktion ihrer Mitglieder tatkräftig mit ihrer Infrastruktur.
Die Chefredaktion begründet ihren Schritt mit einem überzogenen Auslandsetat. Der Etat der Auslandskorrespondenten binde zu viel Geld, das für aufwändige Recherchen fehle, heißt es. Globale Schwerpunkte verschieben sich, so Chefredakteurin Ines Pohl, Asien und Afrika würden immer wichtiger. Der Auslandsetat der Zeitung solle umgeschichtet werden, bleibe jedoch mit konstant 20 Prozent ein Kernbereich des gesamten Redaktionsetats.
Parallel wurde eine Gerechtigkeitsdebatte aufgemacht: Manche Auslandskorrespondenten würden – ohne Pauschale – für Zeilenhonorare von nur 77 Cent arbeiten. Ines Pohl dazu am 17. September in der taz: „Für gleiche Arbeit wollen wir gleiches Geld zahlen“. Man wisse und bedaure, dass die Umstrukturierung für einige schmerzliche Einschnitte bedeute, so Pohl an anderer Stelle. Um dem Auslandsetat zu stützen, regt die Redaktion die Gründung eines Vereins „Freunde der taz-Auslandsberichterstattung“ an.
Die Vereinsidee begrüßen die Korrespondenten. Ansonsten sind sie „not amused“: Die Auslandsberichterstattung sei ein Aushängeschild der taz. Der Etat sei überzogen, weil ein zusätzlicher Redakteur eingestellt wurde und die Auslandsberichterstattung im ganzen Blatt größeren Raum einnehme. Statt nach dem Rasenmäher-Prinzip zu sanieren, müsste der Auslandsetat erhöht werden, fordert Gerhard Dilger, Sprecher der taz-Auslandskorrespondenten mit Sitz in Brasilien. Wenn die taz zur Nebenerwerbsquelle würde, müsse man sich neue Auftraggeber suchen – mit Folgen für die Qualität der Berichte.
Heftig wurde in den Medien – auch in der taz – in Internetforen, auf Facebook, im Hausblog diskutiert. Eine Leserin schrieb etwa: „Ich weiß nicht, wie lange ich der taz als Abonnentin noch treu bleiben kann“. Karim El Gawhary, taz-Korrespondent in Kairo, bedauert: „Uns wird der Vorwurf gemacht, dass wir der Marke taz schaden.“ Dabei habe man monatelang nach internen Lösungen gesucht und selbst Sparvorschläge gemacht.
Bei der Genossenschaftsversammlung fanden die Korrespondenten keine Hilfe: Sie lehnte es mehrheitlich ab, die Geschäftsführung aufzufordern, den Auslandsetat aufzustocken und auf die Kürzungen der Pauschalen zu verzichten. Weil der taz-Betriebsrat sich auch für die Pauschalisten einsetzen will, setzte der Wahlvorstand diese bei den Betriebsratswahlen im Februar auf die Mitarbeiterliste – inklusive Auslandskorrespondenten. Reiner Wandler, taz-Korrespondent in Madrid, kam auf die Kandidatenliste. Die Geschäftsführung hat daraufhin die Nichtigkeit der Betriebsratswahl gerichtlich beantragt. „Man will verhindern, dass die offizielle Mitarbeiterzahl auf über 200 steigt“, sagt taz-Betriebsrat Wolf Vetter, „weil ab dieser Grenze der Betriebsrat neun Mitglieder hat und es eine Freistellung geben muss.“ Bei einem Gütetermin am 6. Juli vertrat die Geschäftsleitung die Auffassung, dass die Wahl komplett ungültig sei, Reiner Wandler sei schließlich kein Arbeitnehmer. „Der Richter hat das als nicht so klar angesehen“, so Vetter. Am 29. Oktober soll darüber verhandelt werden.
Das Honorargefüge ist – sicherlich nicht nur bei der taz – ein heikles Thema. „Alle in der taz verdienen zu wenig. Aber von allen, die zu wenig verdienen, verdienen die AuslandspauschalistInnen noch am wenigsten zu wenig“, schreibt Geschäftsführer Bernd Pickert im Hausblog. Tatsächlich klingen 1,47 Euro pro Zeile nicht schlecht. Die Auslandskorrespondenten müssen aber für alle Arbeitsmittel selbst aufkommen und haben zum Teil sehr hohe Lebenshaltungskosten. Die Deutsche Journalistinnen- und Journalisten-Union unterstützt ihre Proteste: Sie wirft der taz eine Discountermentalität vor und fordert ein Stoppen der Honorarabwärtsspirale. Der Grundsatz „Fair pay“ solle auch und gerade bei der taz gelten.
Die taz ist stolz darauf, dass bei ihr alles ganz anders ist, auf das genossenschaftliche Besitzmodell und auf die selbstbestimmte Redaktion. So überrascht es, dass ausgerechnet dort ein ganz gewöhnlicher Arbeitnehmer-Arbeitgeber-Konflikt entbrannt ist. Zur Griechenlandkrise tönte die taz am 6.Mai noch vollmundig: „Wem 10, 20, oder noch mehr Prozent vom Lohn und Gehalt gekürzt werden, der muss auf die Straße gehen“. Für das eigene Haus gelten offensichtlich andere Regeln. Ein Lichtblick: Beide Seiten wollen weitere Eskalationen vermeiden und verhandeln nun wieder.