Smartphones und soziale Netzwerke wie Instagram haben zu einer nie da gewesenen Bilderflut geführt. Das hat Folgen für alle, die beruflich mit fotografischen Bildern umgehen, allen voran die Fotograf*innen selbst. Vor diesem Hintergrund ist nun das Buch „Fotojournalismus im Umbruch – Hybrid, multimedial, prekär“ erschienen, herausgegeben von Elke Grittmann und Felix Koltermann. Das Buch zeigt, dass dieser massive Wandel auch gute Seiten hat und neue Möglichkeiten eröffnet.
Der Band ist eine Fortsetzung von Grittmanns 2008 erschienenem Buch „Global, lokal, digital – Fotojournalismus heute“. Bereits damals vertrat die Professorin für Medien und Gesellschaft die These, dass dem Fotojournalismus ein fundamentaler Umbruch bevorstehe – nur konnte sie eben noch nicht ahnen, wie dieser konkret aussehen würde. Gemeinsam mit dem Fotodesigner, Konfliktforscher und Kommunikationswissenschaftler Felix Koltermann beleuchtet sie den Wandel, dem der Fotojournalismus aktuell ausgesetzt ist.
Wie der Titel erahnen lässt, fällt die Bestandsaufnahme zunächst wenig positiv aus. So sei das Berufsfeld von Fotojournalist*innen (anders als der von Journalist*innen) schon immer fluid und auch hybrid gewesen: Nicht selten haben Pressefotografen auch für Privat- und Geschäftskunden gearbeitet und beispielsweise Hochzeiten und Werbung fotografiert. Ebenso kam es schon immer vor, dass einzelne Bilder oder ganze Reportagen in unterschiedlichen Kontexten verwendet wurden – zur Bebilderung eines Artikels, als Kunst an der Museumswand oder eben für Werbezwecke.
Verändert hat sich allerdings, dass heute auch verstärkt Redakteurinnen und Reporter die Aufgaben von professionellen Fotografinnen und Bildredakteuren übernehmen, indem sie auf Terminen nebenbei fotografieren und filmen und in der Redaktion die Bilder auswählen und bearbeiten – mit weitreichenden Folgen für professionelle Fotografen, die sich Aufträge in anderen Bereichen suchen müssen. Denn vom Fotojournalismus allein zu leben, ist heute kaum noch möglich. Die Erhebung „Image Market 2020“ hat ergeben, dass Werbefotografen doppelt so viel verdienen wie Kolleginnen aus dem Fotojournalismus während gleichzeitig die Zahl der festen Stellen für Fotografen in den Redaktionen stark zurückgegangen ist.
In vier Hauptkapiteln mit insgesamt 14 wissenschaftlichen Aufsätzen und Interviews mit Praktikern widmet sich das Buch unter anderem der Entwicklung des Bildermarktes allgemein und der Sportfotografie im Speziellen. Es blickt auf die bislang nur wenig beachtete Bildforensik und neue Veröffentlichungsmöglichkeiten von Dokumentarfotografen im Medium Fotobuch und die Auswirkungen auf Bildsprache und Erzähltechniken.
Gründer*innen neuer fotojournalistischer Initiativen und Gruppen wie des Magazins „Emerge“ und des Kollektivs „Docks“ kommen genauso zu Wort wie Nadja Masri, die die Bildredaktionsklasse an der Ostkreuzschule leitet – einer der wenigen Orte in Deutschland, an denen überhaupt Bildredakteure ausgebildet werden. Diese Mischung der Artikel und der Protagonisten des Buches macht zum einen die Vielschichtigkeit des Themas deutlich, zum anderen gibt sie aber auch Hoffnung. Denn zweifelsfrei befindet sich der Fotojournalismus im Wandel mit vielen negativen Folgen für die gesamte Branche und ihre einzelnen Akteure. Aber es entstehen auch neue Möglichkeiten, von denen einige bereits genutzt und ausprobiert werden. Das Buch zeigt diese Möglichkeiten auf und macht deutlich, dass der Fotojournalismus allen Unkenrufen zum Trotz weiterhin sehr lebendig ist.
„Fotojournalismus im Umbruch – Hybrid, multimedial, prekär“, herausgegeben von Elke Grittmann und Felix Koltermann, Herbert von Halem Verlag, ISBN 978-3-86962-559-1, 456 Seiten, 35 Euro