Der Bundestag hat in seiner letzten Sitzung des Jahres mit einjähriger Verspätung die EU-Whistleblowing-Richtlinie mit einem Hinweisgeberschutzgesetz umgesetzt. Trotz einiger Nachbesserungen – größtes Manko bleibt aus Sicht von Journalist*innen, Medien und Organisationen, dass die Hürden, Informationen über Korruption und Missstände gegenüber Medien offenzulegen, erhöht werden. Das betrifft zum einen das Ansprechen der Medien wie auch die Weitergabe von Verschlusssachen etwa in berechtigen Fällen.
So wurde ein expliziter Hinweis, dass Medienfreiheiten unberührt bleiben, nicht aufgenommen, kritisiert die dju in ver.di. Die Schwelle für einen direkten Gang an die Öffentlichkeit und die Medien sei nach wie vor sehr hoch: Es müsse eine „unmittelbare oder offenkundige Gefährdung des öffentlichen Interesses“ vorliegen. Nach dem jetzt verabschiedeten Gesetz sollen Whistleblowerinnen und Whistleblower mit Informationen von öffentlichem Interesse zunächst an nichtöffentliche interne oder externe Meldestellen herantreten.
Nur Hinweise auf bestimmte bußgeldbewehrte Verstöße fielen in den Anwendungsbereich des Gesetzes, kritisiert die dju in ver.di. Ausgenommen blieben Fehlverhalten wie Machtmissbrauch und Verstöße gegen das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) sowie Meldungen über Geheimdienste. Behörden könnten sich dem Geltungsbereich entziehen, indem sie Dokumente als Verschlusssache einstufen.
Dabei verweist Reporter ohne Grenzen (RSF) darauf, dass solche Hinweise von Whistleblowern oft ausschlaggebend sind. „Insbesondere, wenn es um Wirtschaftskriminalität oder illegale Geheimdienstaktivitäten geht, macht die Zusammenarbeit von Investigativjournalist*innen und Whistleblower*innen systematische Missstände sichtbar, die große Teile der Gesellschaft betreffen.“ RSF erinnert an so angestoßene Recherchen im Dieselabgas-Skandal, bei Wirecard oder der Abhöraffäre des NSA.
Ein Medienbündnis aus dju in ver.di, DJV, ARD und ZDF, den privaten Medien sowie den Verlegerverbänden hatte im Mai eine Stellungnahme zum Umsetzungsgesetz der Whistleblowing-Richtlinie veröffentlicht. Im verabschiedeten Gesetz sieht die dju in ver.di auch einige Nachbesserungen: Eine Pflicht zur Bearbeitung anonymer Meldungen sei aufgenommen worden – ebenso wie die Pflicht für interne und externe Meldestellen, anonyme Meldewege einzurichten. Auch verfassungsfeindliche Äußerungen von Beamt*innen unterhalb der Strafbarkeitsschwelle könnten – gedeckt vom Schutz des Gesetzes – gemeldet werden. Wenn ein*e Hinweisgeber*in Repressalien erfahre, stehe ihr nun Schadensersatz auch im Falle anderer als Vermögensschäden zu.
Die Eile, mit der das Gesetz nun angenommen wurde, dürfte terminlich mit der ansonsten drohenden Strafzahlung wegen der Nicht-Umsetzung einer EU-Richtlinie zusammenhängen. Am Mittwoch war das Gesetz im Ausschuss beraten worden, am Freitag wurde es nach zweiter und dritter Lesung verabschiedet.
Wegen der Lücken, die das Umsetzungsgesetz nun lässt, zweifelt die dju in ver.di an der im Koalitionsvertrag versprochenen „rechtssicheren und praktikablen“ Umsetzung der EU-Richtlinie. Das Gesetz muss jetzt noch durch den Bundesrat und könnte danach voraussichtlich im März 2023 in Kraft treten.