Hessen Printmedien: Vielfalt in Gefahr – Politik gefordert

Immerhin: Die Politik interessiert sich. Mit einer Anhörung vor dem Hauptausschuss hat der Wiesbadener Landtag am 10. Juni die Lage der hessischen Printmedien zum Thema gemacht. Angesichts von Personalabbau in den Redaktionen, der Schließung von Lokalzeitungen und einer zunehmenden Monopolisierung machen sich die Landespolitiker Sorgen um die Medienvielfalt – zu Recht, wie die geladenen Experten bestätigten.

In der Vergangenheit war die Auswahl der Presseorgane in Hessen noch vergleichsweise groß. Doch das ändere sich gerade, warnte Horst Röper vom Dortmunder FORMATT-Institut. Ereignisse wie in Nordhessen – wo diverse Übernahmen zu einem Lokalzeitungsmonopol der Ippen-Gruppe geführt haben (siehe M 1/2015) – seien auch für die kommenden Jahre zu erwarten. Der Medienwissenschaftler verglich die Entwicklung mit Nordrhein-Westfalen, wo eine einstmals reichhaltige Zeitungslandschaft ebenfalls „in rasantem Tempo abgebaut“ werde. Röper unterstützte den Vorschlag der SPD-Fraktion zur Einrichtung einer Landesstiftung für die Förderung von gutem Journalismus. Eine solche Einrichtung könne helfen, die Vielfalt gerade in lokalen Märkten zu erhalten.
FAZ-Mitherausgeber Werner D’Inka nannte den SPD-Vorstoß hingegen ein „Einfallstor für politischen, parteipolitischen oder staatlichen Einfluss“ auf die Medien. Röper hielt dem entgegen, dass die Sicherstellung der Staatsferne einer solchen Stiftung kein Problem sei. „Getrieben durch die Marktverhältnisse ist die vom Grundgesetz geforderte Vielfalt an vielen Stellen nicht mehr gegeben – da ist die Politik gefordert.“ Auch Professor Henning Lobin und ver.di-Landesfachbereichsleiter Manfred Moos befürworteten die Einrichtung einer Stiftung, die beispielsweise Medien-Startups fördern könnte.
Angesichts der Entstehung „faktischer Monopole“ von Ippen in Nordhessen, aber auch der Verlagsgruppe Rhein-Main (VRM) in Südhessen sowie der Societät/FAZ-Gruppe im Raum Frankfurt forderte Gewerkschafter Moos zudem eine Erweiterung der „inneren Pressefreiheit“. Hessens Pressegesetz solle zu einem Mediengesetz weiterentwickelt werden und die publizistische Unabhängigkeit der Redaktionen garantieren. Moos erinnerte an den Fall des Redakteurs eines Ippen-Anzeigenblatts, der im vergangenen Jahr wegen eines Berichts über eine Protestaktion für den Zusteller-Mindestlohn entlassen worden war (siehe M 6/2014).
Verschiedene Redner verwiesen darauf, dass Voraussetzung für die Unabhängigkeit von Journalistinnen und Journalisten deren materielle Absicherung ist. Die SPD-Fraktion kritisierte in diesem Zusammenhang, dass „von 33 hessischen Tageszeitungsverlagen 27 aus dem Flächentarifvertrag ausgestiegen sind und nunmehr Gehälter erheblich unter Tarif zahlen“. Bei der Honorierung freier Mitarbeiter werde in vielen Fällen nicht einmal der gesetzliche Mindestlohn erreicht.
Der Verband Hessischer Zeitungsverleger nutzte die Anhörung hingegen dazu, wieder einmal eine „Überprüfung der Mindestlohnregelungen“ sowie die „Beschränkung des digitalen Textangebots der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten“ zu fordern. Moos betonte, beides habe mit den Problemen des Lokaljournalismus nichts zu tun. „Dass selbst der abgesenkte Mindestlohn für Zusteller von 6,38 Euro pro Stunde zu viel sein soll, muss mir mal jemand erklären“, so der ver.di-Sekretär. Stattdessen solle die Einführung eines Mindestlohns für freie Journalisten zum Thema werden. Die mit dem Bundesverband der Deutschen Zeitungsverleger vereinbarten gemeinsamen Vergütungsregeln werden nämlich von keinem einzigen Zeitungsverlag in Hessen angewendet.

 

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