Unter Druck

Eine Tagung über die Qualität des Sportjournalismus in Dortmund

Um die „Qualitätssicherung im Sportjournalismus“ ging es Mitte Februar auf der Dortmunder Tagung „Unter Druck“. Veranstalter waren das „Sportnetzwerk“, ein Zusammenschluss kritischer Sportjournalisten und das Institut für Journalistik der TU Dortmund. Verhandelt wurde der Einfluss von Politik und Wirtschaft auf den Sport und die Sportberichterstattung.

Der Sport braucht die Medien, und die Medien brauchen den Sport. Sportler und Vereine steigern durch mediale Präsenz ihren Marktwert, die Sender hofieren erfolgreiche Athleten als Quotenbringer. Dabei kann es zu unerwünschten Nebenwirkungen kommen, wie das Beispiel Biathlon zeigt. Noch vor wenigen Jahren eine vollkommene Randsportart, wurde diese Disziplin erst durch eine aufwendige mediale Inszenierung im Fernsehen überhaupt vermarktbar. Mit dem reichlichen Strömen von Sponsorengeldern erhöhte sich offenbar der Anreiz für die Athleten, Muskelaufbau fördernde Mittel zu schlucken. „Wird am Ende durch das Live-Ereignis im Fernsehen überhaupt erst mal der Boden bereitet dafür, dass eine Sportart kommerzialisiert und damit auch stärker von Doping durchsetzt wird“, fragt folgerichtig der investigative Sportreporter Freddie Röckenhaus.
Der Sportjournalismus als Verursacher von Fehlentwicklungen, die die Axt an den sauberen Sport legen? Wo die Grenze zwischen Sport und Kommerz immer poröser wird, hat die sorgfältig recherchierende Hintergrundberichterstattung kaum noch eine Chance. Das gilt vor allem fürs Fernsehen. Angesichts von sündhaft teuren Sportübertragungsrechten sind die Sender – private wie öffentlich-rechtliche – darauf angewiesen, die hohen Kosten über Werbung und Sponsoring wieder einzuspielen. Allzu kritische Doping-Berichte schaden dabei nur dem Geschäft. Damit gerät eine weitere journalistische Tugend in Gefahr: Das Streben nach Wahrheit und Wahrhaftigkeit. Für Claus Eurich, Professor für Journalistik an der TU Dortmund hat Wahrhaftigkeit „sehr viel zu tun mit Unabhängigkeit und mit Freiheit“. Für den Sportjournalismus bedeute dies, sich nicht in das „System Sport“, etwa in das „System Tour de France“ oder in das spezifische System des Sportmarketings, einbinden zu lassen.
So mancher Sportreporter gefällt sich selbst in der Attitüde des Stars. Dabei kam es in den vergangenen Jahren vereinzelt sogar zu kriminellen Exzessen, denkt man an den Fall des der Korruption überführten ehemaligen Sportchefs des Hessischen Rundfunks, Jürgen Emig. Eine standesethische Grauzone markieren auch die lukrativen Werbeverträge populärer Moderatoren und Reporter. Nachdem es in den vergangenen Jahren dabei immer mal wieder zu Interessenskonflikten kam, haben die Sender jetzt Konsequenzen gezogen. Beim ZDF beispielsweise ist jede werbliche Tätigkeit mittlerweile genehmigungspflichtig. Es werde „intensiv darauf geachtet, dass es keine Vermischung mit beruflichen Interessen geben kann“, beteuert Elmar Theveßen, stellvertretender ZDF-Chefredakteur. Beim Mainzer Sender gelte klipp und klar die Devise: „Journalisten werben nicht.“

Duz-Journalismus

Zur Skandalberichterstattung oder gar zur hintergründigen Recherche haben die Sportmedien ein durchaus zwiespältiges Verhältnis. Das liegt an einer weiteren Untugend des Genres: der häufig übergroßen Nähe des Reporters zum Objekt der Berichterstattung. Hajo Seppelt, Dopingexperte der ARD, für dieses Laster eher unempfänglich, führt die Misere unter anderem auf die Herkunft vieler Berichterstatter zurück. Sportjournalismus ziehe nun mal vor allem Sportbegeisterte, sogar ehemalige Sportler, an. Diese neigten dazu, die nötige Distanz nicht einzuhalten. Dieses als „Duz-Journalismus“ verbreitete Phänomen wird mittlerweile auch in den betroffenen Medien selbst problematisiert. Denn private und geschäftliche Verbindungen zwischen Sportjournalisten und Athleten oder Verbandsfunktionären sind einer kritischen Berichterstattung nicht gerade zuträglich.
Deutschlands bekanntester Doping-Experte Werner Franke fordert die Medien zur konsequenten Ächtung dopingverseuchter Disziplinen wie etwa dem Radsport auf. Die TV-Sender, so Franke, sollten sich verpflichten, keine Live-Bilder von Sportveranstaltungen mit Dopingbelastung zu zeigen. Eine Entscheidung, die bekanntlich ARD und ZDF während der letzten Tour de France kurzfristig schon einmal trafen. FAZ-Sportredakteur Michael Reinsch kann dieser Forderung indes nichts abgewinnen. Es sei „natürlich grober Unfug, wenn man als Journalist sich von Missständen abwendet“. Schließlich bestehe die Aufgabe des Journalisten gerade darin, hinzukucken. Reinsch: „Ein Journalist muss dahin gehen, wo es weh tut. Und wenn die Tour de France gerade auseinander fliegt wegen Dopings, dann muss ein Journalist erst recht hingehen.“

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