Beruf: Virtuelle Realitäten gestalten

Mit der virtuellen Brille das Innere einer Druckmaschine erkunden, auch das können immersive Mediengestalter*innen simulieren. Foto: Projekt Social Virtual Learning

In knapp vier Wochen geht es los: Dann startet ein neuer Medienberuf mit der dualen Ausbildung: Gestalter*in für immersive Medien. Das Interesse bei den rund 15 Informationsveranstaltungen für die künftigen Ausbildungsbetriebe war groß, berichtet Thomas Hagenhofer vom Zentral-Fachausschuss Berufsbildung Druck und Medien (ZFA) in Kassel. Da die Ausbildungsverordnung allerdings erst Mitte April im Bundesgesetzblatt veröffentlicht wurde, rechnet Hagenhofer erst im kommenden Jahr mit einer größeren Zahl an Bewerbungen.

Gerade viele kleinere Betriebe haben sich in den Infoveranstaltungen für die neue, dreijährige Ausbildung interessiert, bemerkt Hagenhofer gegenüber M Online. Besonders die Berliner Veranstaltung sei gut besucht gewesen. Viele dieser Firmen seien bisher keine klassischen Ausbildungsbetriebe gewesen. Für sie war die Vorbereitungszeit zu knapp um gleich zum offiziellen Start mitzumachen. Etliche traten nach der Veröffentlichung wohl erst mal mit den Industrie- und Handelskammern (IHK) in Kontakt, um sich als Ausbildungsbetriebe listen zu lassen. Deshalb werden die Azubizahlen im kommenden August wahrscheinlich höher liegen als jetzt zu Beginn der neuen Ausbildung, schätzt Hagenhofer.

Seit einigen Jahren bezeichnet man mit immersiven Medien vor allem die Techniken Virtual Reality (VR) und Augmented Reality (AR). Beispiele für immersive Gestaltung sind längst in unseren Medienalltag eingezogen, ob wir den Louvre virtuell besichtigen oder mit der VR-Brille Maschinen von innen kennenlernen. Doch bisher gab es dafür keine Ausbildung, sondern es war „learning by doing“ Deshalb hat das Bundesinstitut für Berufsbildung (BIBB) wie üblich zusammen mit den Sozialpartnern, also auch ver.di-Expert*innen, und weiteren Sachverständigen diese neue Ausbildung erarbeitet. Das nimmt meist einige Zeit in Anspruch, wie ein erster Bericht über den „neuen Beruf für die virtuelle Welt“ vom Dezember 2021 zeigt.

Interesse an Digitalisierung

Für die Azubis, die jetzt zum 1. August einsteigen, wird die schulische Ausbildung an einigen Berufsschulen konzentriert. In Nordrhein-Westfalen zum Beispiel in Köln und Dortmund, in Rheinland-Pfalz in Koblenz und Mainz. Auch in Berlin können die Azubis nicht alle auf Medien spezialisierten Oberstufenzentren besuchen, sondern werden am Oberstufenzentrum für Kommunikations-, Informations- und Medientechnik, kurz OSZ KIM, zusammengezogen. Schulleiter Helmut Jäger geht für den ersten Ausbildungsjahrgang „zurzeit von einer einstelligen Zahl von Auszubildenden aus, aber bis zum Beginn des neuen Ausbildungsjahrs kann sich das ja noch ändern“. Die genauen bundesweiten Azubizahlen, meint Hagenhofer, lägen erst bis Jahresende vor.

Dass das Interesse an der Infoveranstaltung in Berlin sehr groß gewesen sei, kann Jäger bestätigen. Er glaubt aber nicht, dass hinter allen Besucher*innen potenzielle Ausbildungsbetriebe steckten: „Kurzum, wie so oft: Aller Anfang ist schwer.“ Jäger vermutet, dass vielen möglichen Ausbildungsbetrieben noch nicht ganz klar sei, was die Ausbildung genau umreißt. Aber er ist optimistisch: „Wir haben erste Eindrücke bei potenziellen Ausbildungsbetrieben gewinnen dürfen. Die Betriebe sind übrigens alle sehr aufgeschlossen und ebenfalls daran interessiert, gemeinsam mit uns diese neue Ausbildung zu gestalten. Und die Verschiedenartigkeit der Produktschwerpunkte ist beeindruckend.“

Neue Herausforderungen

Eine neue Ausbildung bringt auch für die Berufsschulen und Oberstufenzentren neue Herausforderungen. Die Federführung bei der Fortbildung für die Lehrkräfte hat mit Auftrag der Kultusministerkonferenz in diesem Fall das Bundesland Hamburg übernommen. Es gab Fortbildungen, bei denen auch die Fachkolleg*innen des OSZ KIM waren, erläutert Jäger. „Außerdem gab es bereits im Frühjahr einen Implementierungsworkshop, an dem Lehrkräfte fast aller Bundesländer vertreten waren. Daraus hat sich ein Forum entwickelt, in dem sich Fachkräfte aus ganz Deutschland zu Fragen rund um die Unterrichtsgestaltung und um die Frage des zu beschaffenden technischen Equipments austauschen.“

Am OSZ KIM gebe es zurzeit eine eigene Arbeitsgruppe für die Lernumfeldgestaltung, die Formulierung von Lernsituationen und ähnliches, berichtet Jäger. „Relevante Themen sind zum Beispiel 3D-Modeling und Animation, 3D-Audio, agiles Projektmanagement und der Umgang mit Entwicklungsumgebungen wie Blender, Unity oder Unreal. Einen Teil des technischen Equipments mussten wir tatsächlich neu beschaffen, andere hingegen, wie 360-Grad-Kameras oder VR-Brillen, hatten wir bereits für unser Fach „digitale Welten“ im Beruflichen Gymnasium gekauft.“

Neuordnung für Mediengestalter* Digital und Print

Neu zum 1. August ist bei den dualen Medienberufe aber nicht nur die immersive Gestaltung, auch der Beruf „Mediengestalter*in Digital und Print“ wurde pünktlich zum 1. August modernisiert. Denn auch hier gibt es in der Medienwelt einen ständigen technologischen Wandel und neue Produkte. Der neue Rahmenlehrplan löst den aus dem Jahr 2007 ab, der allerdings immer wieder novelliert wurde, zuletzt 2016. „Da die Produktion von Medien heute in vielen Fällen regional und sogar global vernetzt ist, haben auch Kommunikation und Kooperation sowie Organisation von Arbeitsprozessen einen großen Stellenwert“, heißt es beim BIBB in der Begründung für die Neuordnung.

Jährlich beginnen über 2000 junge Menschen die Ausbildung „Mediengestalter*in Digital und Print“. Es ist nach wie vor der beliebteste duale Medienberuf, wie Anette Jacob und Thomas Hagenhofer vom ZFA bei der Fachgruppenkonferenz Druck, Verlage, Papier und Industrie (DVPI) im Frühjahr hervorhoben. Laut BIBB bietet der Beruf, der im dritten Jahr eine Spezialisierung vorsieht (Vertiefende Inhalte Digital und Print, Designkonzept, Projektmanagement) gute Karrierechancen: Fortbildung zum Geprüften Medienfachwirt/zur Geprüften Medienfachwirtin, Im Ausbildungsranking entsprechend einem Bachelor, in dem Fall „Bachelor Professional in Media“, ein Abschluss als Staatlich Geprüfte/-r Techniker/-in (Bachelor Professional in Technik) oder Staatlich Geprüfte/-r Gestalter/-in (Bachelor Professional in Gestaltung).

Duales Studium immer beliebter

Dass der Trend zum dualen Studium, das laut BIBB immer beliebter wird und im Februar 2022 bereits für über 120.000 Studierende der angesagte Ausbildungsweg war, irgendwann auch den dualen Ausbildungsberuf „Gestalter*in für immersive Medien“ erfasst, so wie es bei der Mediengestaltung Digital und Print längst der Fall ist, das kann sich auch Thomas Hagenhofer vom ZFA vorstellen. Immerhin ist die Zahl der Studiengänge seit der letzte Erhebung 2019 um über fünf Prozent gewachsen. Bei den dual Studierenden lag der Zuwachs sogar bei fast elf Prozent. Zunächst einmal aber bleibt spannend, wie sich die Zahlen bei dem neuen Beruf vom 1. August 2023 bis zum 1. August 2024 entwickeln.

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