Zukunftsrat schlägt erste Reformen vor

Rundfunkanstalten mit Logos

Foto: ver.di

Digitaler, jünger und schlanker soll der öffentlich-rechtliche Rundfunk (ÖRR) werden. Zumindest, wenn es nach den Empfehlungen des „Zukunftsrats“ geht, der seit März 2023 im Auftrag der Rundfunkkommission der Länder an Reformvorschlägen für ARD, ZDF und Deutschlandradio gearbeitet hat. Am 18. Januar legte der Rat in der rheinland-pfälzischen Landesvertretung seinen Bericht für die zukünftige Entwicklung des ÖRR vor.

Der Arbeitsauftrag hatte gelautet, eine „langfristige Perspektive für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk, seine künftige Nutzung und seine Akzeptanz“ auch über das Jahr 2030 hinaus zu entwickeln. Den Anstoß zu dem Projekt gaben diverse Skandale in einzelnen ARD-Anstalten, vor allem die Vorgänge beim Rundfunk Berlin Brandenburg in der Ära von Intendantin Patricia Schlesinger. „Aller Kritik zum Trotz“ seien die Öffentlich-Rechtlichen (ÖR) aber eine „Erfolgsgeschichte“, konstatierte Julia Jäkel, Vorsitzende des achtköpfigen Rats und frühere Gruner+Jahr-Verlagschefin bei der Präsentation des Berichts. Aufgrund der dramatisch veränderten Rahmenbedingungen für die Medien sei jedoch eine umfassende Reform überfällig. Jäkel: „Erforderlich sind nicht bloß Veränderungen im System, sondern Umbauten des Systems.“

Neue ARD-Anstalt

Die größten Reformschritte beträfen die ARD. Anstelle der bisherigen Arbeitsgemeinschaft ARD soll nach den Vorstellungen des Rats eine neue ARD-Anstalt als neue Dachorganisation treten. Diese Anstalt soll alle bundesweiten Angebote sowie alle zentralen Aufgaben (wie Mediatheken, Audiotheken, „Das Erste“, Verwaltung, Technik) organisieren, um Mehrfachstrukturen abzubauen. Die Landesrundfunkanstalten dagegen sollen sich stärker auf ihre regionalen Aufgaben konzentrieren, zwecks Schaffung von Bürgernähe und Akzeptanz. Nach dem Prinzip: „Zentrales zentral, Regionales regional“.  Die Fusion kleinerer Anstalten wie Radio Bremen und Saarländischer Rundfunk mit dem Norddeutschen Rundfunk bzw. Südwestrundfunk, wie sie gerade erst Bayerns Ministerpräsident Markus Söder ins Gespräch gebracht hat, lehnt das Expertengremium ab.

Anwalt des demokratischen Diskurses

Der Rat empfiehlt zudem, den Programmauftrag (bzw. „Angebotsauftrag“) an die ÖR zu schärfen. Er rät zu einer nachdrücklicheren Demokratie- und Gemeinwohlorientierung des Auftrags: ARD, ZDF und Deutschlandradio als „unaufgeregte Erklärer“ und „Anwälte des demokratischen Diskurses – auch als „Dialoganstalten“ im Austausch mit den Bürger*innen. Erforderlich seien „mehr Fakten, mehr Kontext“. Zugleich soll der künftige Auftrag die Sender zu „mehr Innovation und Unterscheidbarkeit“ verpflichten.

Umfassend reformiert sehen will der Rat auch die Gremien und Geschäftsleitungen. Im Interesse einer Organisation, die „schnelle und agile Entscheidungen“ treffen kann, bedürfe es klarer Strukturen „mit eindeutigen Verantwortlichkeiten und einer wirksamen Kontrolle“. Zur Stärkung der Gremien schlägt er für die ARD-Anstalt, ZDF und Deutschlandradio je einen pluralistisch besetzten Medienrat sowie je einen „schlanken“ Verwaltungsrat vor. Anstelle des Intendantenmodells empfiehlt der Zukunftsrat allen drei Sendern „kollegiale Geschäftsleitungen“, in denen der oder die Vorsitzende „als Ultima Ratio ein Letztentscheidungsrecht“ besitzt.

Neu geschaffen werden soll in den Anstalten jeweils ein Geschäftsleitungsressort „Erfüllung des Angebotsauftrags und Publikumsdialog“. Die Amtszeit des Führungspersonals solle grundsätzlich auf zwei Perioden begrenzt werden. Auch gehe es darum, „funktionsadäquate Gehälter“ zu bezahlen. Ein von vornherein auf niedrigere Gehälter abzielender „Gehaltspopulismus“ helfe ebenso wenig weiter wie eine tendenzielle Angleichung an privat wirtschaftliche Verhältnisse.

Zur Beschleunigung der Digitalisierung rät der Rat den ÖR zur Vereinheitlichung ihrer Plattformtechnologie. Die Lösung sieht er in einer gemeinsamen Tochtergesellschaft von ARD, ZDF und Deutschlandradio, die für alle öffentlich-rechtlichen digitalen Plattformen (Mediatheken, Audiotheken, Mobilanwendungen) die Technologie entwickelt und betreibt. „Inhaltlich bleiben die drei Partner autonom“, wünscht der Rat.

Bezahlung nach Leistung

Eher unbefriedigend fallen die Vorschläge des Rats ausgerechnet zur künftigen Rundfunkfinanzierung aus. Anstelle der bisherigen Bedarfsermittlung durch die KEF empfiehlt er ein Verfahren, bei dem die einzelnen Anstalten „gemäß erbrachter Leistung“, also orientiert am „Maßstab der Auftragserfüllung“ finanziert werden. Dabei soll eine neu zusammengesetzte KEF für den Fall, „dass eine Anstalt ihren Auftrag nicht vollständig erfüllt hat“, auch „Abschläge von den Finanzzuweisungen“ vornehmen dürfen.

Zugleich bringt der Rat die schon seit Jahren immer wieder mal ventilierte Idee einer Indexierung des Rundfunkbeitrags ins Spiel. Diese nach den Vorstellungen des Rats staatsvertraglich abzusichernde Indexierung bedeute allerdings nicht, „dass der Rundfunkbeitrag kontinuierlich steigt“. Schließlich werde die Umsetzung vieler vom Rat unterbreiteten Vorschläge „mittelfristig zu signifikanten Einsparungen führen“. Und, so wörtlich: „Inwieweit diese zur Absenkung des Rundfunkbeitrags oder zur besseren Auftragserfüllung verwendet werden, müssen die Länder entscheiden.“

Verfassungsrechtlich bedenklich

Eine „völlig schwammige Abkehr von der verfassungsrechtlich gesicherten Rundfunkfinanzierung, die mutmaßlich zu mehr Spardruck führen soll“, kritisiert ver.di-Bundesvorstandsmitglied Christoph Schmitz in einer ersten Stellungnahme. Selbst von „Sanktionen“ sei die Rede gewesen. Auch der Vorschlag zusätzlicher Senderebenen missfällt ihm. „Die Schaffung einer neuen zentralen ARD-Anstalt würde neue publizistische Hindernisse aufbauen, denn regionalen Stärke und bundesweite Kompetenzen der ARD-Sender würden auseinandergerissen“, moniert er. Jetzt räche sich, „dass der Zukunftsrat ohne Sachverstand oder Einbeziehung der Mitarbeiterschaft“ seine Vorschläge entwickelt habe.

Die Rundfunkkommission der Länder werde sich intensiv mit den Vorschlägen des Zukunftsrates befassen, kündigte Staatssekretärin Heike Raab, Koordinatorin der Medienpolitik der Länder, an. Auch die Länder seien um eine schriftliche Stellungnahme gebeten worden. Weitere Reformschritte werde die Kommission auf einer Klausurtagung in der kommenden Woche beraten. “Im Februar werden wir hierzu in den Austausch mit den Intendantinnen und Intendanten treten“, erläuterte Raab das weitere Verfahren. Nach Auswertung der Anhörungen will die KEF Ende Februar ihre Beitragsempfehlung abgeben. Auf Grundlage dieses Vorschlags müssen dann im Laufe des Jahres die Landesregierungen und die Landesparlamente entscheiden.


Bericht zum DOWNLOAD

Liveübertragung der Pressekonferenz

 


Aktualisierung vom 26. Januar 2024

Länder wollen bis Herbst Reformstaatsvertrag erarbeiten

Bis zum Herbst wollen die Bundesländer Reformen für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk vorlegen. Bei einer Klausurtagung seien von der Rundfunkkommission der Länder Eckpunkte zur Reform  beschlossen worden, teilte die rheinland-pfälzische Staatskanzlei am 26. Januar mit. Parallel zum Zukunftsrat sei in den vergangenen Monaten an Vorschlägen gearbeitet worden. Aus Sicht der rheinland-pfälzischen Medienstaatssekretärin Heike Raab seien grundlegende Reformen und mehr Angebote für Jüngere nötig. „Mit den heutigen Beschlüssen hat die Rundfunkkommission in vier zentralen Kapiteln konkrete Maßstäbe zum Umbau des öffentlich-rechtlichen Systems vereinbart – bis zum Herbst dieses Jahres werden wir einen Reformstaatsvertrag erarbeiten.“

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