In den Führungsetagen deutscher Redaktionen haben nach wie vor hauptsächlich Männer das Sagen – obwohl der Frauenanteil im Journalismus seit vielen Jahren ansteigt. Woran liegt es, dass sich die ungleiche Machtverteilung zwischen den Geschlechtern so hartnäckig hält? Und was muss geschehen, damit sich das ändert? Antworten liefert die neue Studie von ProQuote Medien „Führungsfrauen in den Medien: der harte Weg nach oben“.
Die Studie stellt zunächst eine Schere zwischen den Karriereverläufen von Journalistinnen und Journalisten besonders in der Altersspanne zwischen 30 und 39 Jahren fest. In dieser Zeit übernehmen Männer demnach deutlich häufiger leitende redaktionelle Positionen als Frauen. Journalistinnen sind zugleich stärker in der Care-Arbeit für Kinder und Angehörige engagiert als Journalisten. „Das entscheidende Jahrzehnt“ nennt es ProQuote-Vorstandsvorsitzende Corinna Cerruti. Männer bauten ihre Karriere aus und Frauen seien zerrissen zwischen Job und junger Familie. Wenn Unternehmen qualifizierte Frauen in Führung halten möchten, sollten sie dies durch konkrete Angebote wie flexibler Arbeitszeit und Kinderbetreuung deutlich machen. Zudem brauche es „Vorbilder im Unternehmen, die zeigen, dass Care-Arbeit nicht automatisch Frauensache ist, sondern auf beide Partner verteilt wird“, so Cerruti.
Frauen ohne Karriereplan
Um die neuralgischen Punkte in weiblichen Karrierebiografien genauer zu untersuchen, hat das Studienteam in einer qualitativen Untersuchung 30 führende Journalistinnen aus regionalen und überregionalen Medien (Print, Rundfunk und Online) interviewt. Ein Großteil der befragten Frauen schildert, dass sie keinen Karriereplan verfolgt haben. Die meisten seien durch Kolleg*innen oder Chef*innen ermutigt worden, sich für eine verantwortliche Position zu bewerben. Obwohl es ihnen nicht an Selbstvertrauen für ihre Leistung mangelt, berichten viele der Journalistinnen über große Selbstzweifel, wenn es darum geht, Positionen mit Verantwortung zu übernehmen.
Die Studie deckt auch auf, dass die Interviewpartnerinnen kaum strukturelle Förderung, etwa durch eine kontinuierliche, systematische Entwicklung von Nachwuchsführungskräften, Frauen-Netzwerke oder Mentoring-Programme erhalten haben. Viele beschreiben geschlechtsspezifischen Hürden auf ihrem Karriereweg wie Probleme bei der Rückkehr nach der Elternzeit oder Sexismus am Arbeitsplatz. Zudem habe es sich für viele als große Herausforderung erwiesen, Führungsaufgaben und Familie miteinander zu vereinbaren, auch wenn viele Medienhäuser inzwischen zeitlich und örtlich flexibles Arbeiten ermöglichen. „Das Bedürfnis, die persönlich erlebten Erfahrungen zu teilen, um anderen Frauen ihre Karriere im Journalismus zu erleichtern, war in vielen Interviews deutlich zu spüren“, ergänzen die Leiterinnen der Studie, Susanne Lang und Anna von Garmissen zur hohen Teilnahmebereitschaft der Interviewten.
Handlungsempfehlungen für Medienhäuser
Sieben Handlungsempfehlungen leitet ProQuote Medien aus den Ergebnissen der Studie ab:
- Frauen institutionell stärken, z.B. über Netzwerke, Coaching und Mentoring.
- Geschlechterparität auf Führungsebenen als Unternehmensziel festschreiben.
- Redaktionskultur aktiv pflegen und schützen.
- Vereinbarkeit von Karriere und Privatleben verbessern (z.B. über Betriebskitas).
- Führungskräften flexibles Arbeiten ermöglichen.
- Moderne Arbeitsmodelle in Führung anbieten (Teilzeit, Doppelspitzen).
- Geschlechtergerechte Gehaltsstrukturen etablieren und offenlegen.