Buchtipp: Die Sprache der Rechten – kaum Erkenntnisgewinn

„Die Rechtspopulisten sind schlaue Verführer“, behauptet der Passauer Kommunikationswissenschaftler Frederik Weinert. Und erhebt in seinem Buch „Die Sprache der Rechten“ den Anspruch, über Instrumente und Wirkungsweise dieser Verführungskraft aufzuklären. Doch der Band enttäuscht auf der ganzen Linie. Schade eigentlich, denn das brandaktuelle Thema hätte eine profundere Betrachtung verdient.

Schon der Titel ist Etikettenschwindel. Es geht nicht um eine stringente Analyse rechter Sprache. Eine Analyse, die sich zum Beispiel systematisch mit all den üblen Wortneuschöpfungen auseinandersetzt, die nicht erst  im Gefolge der Flüchtlingsdebatte von Politikern in die Welt gesetzt werden: Asyltourismus, Transitzentren, Flüchtlingstsunami, etc.  Doch der Autor will noch viel mehr. Er möchte „Aufklärungsarbeit leisten“, dem Leser die Chance geben, sich in die Gedanken der Rechtspopulisten „einzufühlen“, sieht sogar die Möglichkeit, mit seinem Werk „der deutschen Vergangenheitsbewältigung einen Debattenanstoß zu geben“. Der Untertitel verrät indes, was die eigentliche Stoßrichtung ist: „Wie wir täglich manipuliert werden“.

Wer ist „wir“? Und wer „manipuliert“  da ohne Unterlass? Schon das Vorwort gibt einen Vorgeschmack auf das, was in der Folge auf geschlagenen 300 Seiten ausgegossen wird. Eine Medienkritik, besser: Medienschelte, die alle möglichen Erscheinungen des Medienbetriebs streift, ohne irgendein Phänomen seriös zu erörtern. Die Schärfe der Analyse ist dabei vielfach von ergreifender Schlichtheit. Kostprobe: „Auf den Titelseiten der Zeitungen lesen wir fast nur von Sex-Skandalen, Attentaten und irgendwelchen politischen Verfehlungen. Bad news are good news. Viele Menschen genießen das, denn sie sind zu Medienvoyeuren geworden.“

Nun ist der Manipulationsbegriff seit der Studentenbewegung der sechziger Jahre einigermaßen obsolet, hat sich auch die Medienwirkungsforschung seither um einiges fortentwickelt. Egal. „Niemand möchte von einem Flüchtling mit Beil im Zug attackiert werden. Doch wir wollen es lesen – mit allen Details. Egal ob ‚fake‘ oder ‚real: Krass und brutal muss es sein“. Dabei stört nicht nur das permanent anbiedernde „wir“, mit dem der Autor sich in schwer erträglicher besserwisserischer Manier an die Leser_innen heranwanzt. Es ist auch sein durchgängig negatives Menschenbild, das im Grunde schon aufgrund dieser von ihm offenbar angenommenen anthropologischen Konstante keinerlei Hoffnung auf eine Hinwendung zum Besseren in einer durch und durch verderbten Medienwelt aufzeigt.

Ärgerlich wird das Ganze, wenn immer wieder ohne Beleg unterstellt wird, „die“ Medien produzierten die Skandale hemmungslos selbst –  immer auf der Jagd nach „Klicks und Quoten“. Offenbar ein Steckenpferd des Autors, der sich laut Klappentext von seiner Dissertation „Mit Hitler zum Medienskandal: Skandal oder Skandalisierung?“ (Uni Passau) hat „inspirieren“ lassen. Und so geht es munter weiter von Höcksken auf Stöcksken: von Kachelmann zu Brüderle, von Nazi-Vergleichen zur Political Correctness, von politischem Küchenlatein zur AfD. Noch eine Textprobe: „So mancher Storch bringt Kinder, und so manch anderer Storch erschießt sie lieber.“ Wer auf diese Weise ein Kapitel („Medien und Häme“) mit der Episode um den Schießbefehl der AfD-Politikerin von Storch einleitet, benötigt mehr als nur die Hilfe eines Stilberaters.

In einem Kapitel über die „Linken G20-Krawalle von Hamburg“ kommt der Autor zum Schluss: „Linke Parolen sind allerdings salonfähig. Will heißten: Schimpft die Antifa gegen den Staat, interessiert das keine Sau. Macht das ein Bürger des rechten Flügels, wandert er in den Bau – oder wird zumindest an den Pranger gestellt.“ Was das mit der „Sprache der Rechten“ zu tun hat? Keine Ahnung. Wie heißt es in der Einleitung? „Mein Buch ist vergleichbar mit einem großen Buffet: Suchen Sie sich heraus, was Sie am meisten anspricht.“ Fazit: Ein ungenießbares, eklektisches Pamphlet mit sehr überschaubarem Erkenntnisgewinn.


Frederik Weinert. Die Sprache der Rechten. Wie wir täglich manipuliert werden. Tectum Verlag, Baden-Baden 2018, 328 Seiten, 17,95 Euro.

nach oben

Weitere aktuelle Beiträge

Fehlender Schutz für Journalistinnen

Anlässlich des Internationalen Tages gegen Gewalt an Frauen fordert die Deutsche Journalistinnen- und Journalisten-Union (dju) in ver.di von der Politik und Arbeitgebern endlich mehr Schutz für Frauen in den Medien. Die Zahlen von Gewalttaten an Frauen sind sowohl online als auch offline gestiegen. Der Lagebericht 2023 der Bundesregierung zu geschlechtsspezifisch gegen Frauen gerichteten Straftaten zeigt: Besonders hoch ist der Anstieg bei frauenfeindlichen Straftaten im Zusammenhang mit politisch motivierter Kriminalität - 322 Straftaten - 56,3 Prozent mehr als noch in 2022.
mehr »

Neues vom Deutschlandfunk

Auch beim Deutschlandfunk wird an einer Programmreform gearbeitet. Es gehe etwa darum, „vertiefte Information und Hintergrund“ weiter auszubauen sowie „Radio und digitale Produkte zusammen zu denken“, erklärte ein Sprecher des Deutschlandradios auf Nachfrage. Damit wolle man auch „auf veränderte Hörgewohnheiten“ reagieren.
mehr »

Nicaraguas bedrohte Medien

Die Diktatur des nicaraguanischen Präsidentenpaars Daniel Ortega und Rocio Murillo hat in den letzten Jahren immer mehr Journalist*innen ins Exil getrieben. Unter erschwerten Bedingungen berichten Menschen wie Lucía Pineda vom Nachrichtenkanal "100% Noticias" oder Wendy Quintero nun aus dem Ausland. Für diese Arbeit nehmen sie stellvertretend für viele andere am 26. November 2024 den Menschenrechtspreis der Friedrich-Ebert-Stiftung entgegen.
mehr »

Österreich: Gefahr für die Pressefreiheit

In Österreich ist die extrem rechte FPÖ bei den Nationalratswahlen stärkste Kraft geworden. Noch ist keine zukünftige Koalition etabliert. Luis Paulitsch erklärt im Interview, welche Entwicklungen in der österreichischen Medienlandschaft zu erwarten sind, sollten die FPÖ und ihr Spitzenkandidat Herbert Kickl an der Regierung beteiligt werden. Paulitsch ist Jurist, Zeithistoriker und Medienethiker. Von 2019 bis 2024 war er Referent des Österreichischen Presserats, dem Selbstkontrollorgan der österreichischen Printmedien;  seit 2024 bei der Datum Stiftung für Journalismus und Demokratie.
mehr »