Das Internationale Frauenfilmfest (IFFF), jährlich abwechselnd in Dortmund und in Köln stattfindend, wirkt empowernd: Nach außen auf ein cineastisches Publikum, nach innen in die Branche hinein. Filmemacherinnen, Regisseurinnen, Bildgestalterinnen, Festivalkuratorinnen diskutierten miteinander über die Qualität feministischen, queeren und kulturell diversen internationalen Filmschaffens von Frauen. Wie unterm Brennglas fokussierte das Festivalteam Anfang April, unter Leitung von Maxa Zoller, aus Frauenperspektive aktuelles politisches Weltgeschehen und daraus resultierende gesellschaftliche Missstände.
Zu sehen waren Filme, die unter die Haut gehen. Das mit dem Hauptpreis im Spielfilmwettbewerb prämierte Filmdrama »Village Rockstars 2« von Rima Das zeigt: Die 17jährige Dhunu im indischen Bundesstaat Assam sollte es mal besser haben als ihre auf dem Feld schuftende Mutter und Karriere als Musikerin machen. Doch dann kommt die Flut, lässt mitunter idyllisches Landleben zur Hölle werden. Wasser steht bis zu den Knien, Ernte vernichtet, Insektenplage! Armut, Patriarchat und Klimawandel machen Pläne zunichte, die durch den Zusammenhalt unter den Frauen des Dorfes zustande kamen. Der Filmemacherin sei es gelungen „die Brutalität und Unberechenbarkeit der Natur sowie den Kampf, den kleine Landbesitzer*innen gegen große Unternehmen führen müssen“ abzubilden, lobte die Jury. Fazit: Feminismus und Widerstand gegen kapitalistische Machtkartelle müssen in diesen Zeiten zusammen gedacht werden.
Gewerkschaft goes Kino
Das signalisiert auch der in Kooperation mit ver.di beim Festival des IFFF vor vollem Kinosaal in Dortmund gezeigte Dokumentarfilm „Union“ von Brett Story und Stephen Maing. Eine umstrukturierte Wirtschaft verlangt radikale Arbeitskämpfe, in den USA und hierzulande. Der Film zeigt, wie Amazon-Arbeiterinnen und Arbeiter in Staten Island, New York, eine Gewerkschaftskampagne initiierten: Gegen Überwachung und Ausbeutung im Betrieb, für längere Pausenzeiten und angemessenen Lohn, gegen das Heuern und Feuern.
Konzernboss Jeff Bezos will auf dem Mond landen, unten versammeln sich vorm Unternehmen Aktive der Basisgewerkschaft Amazon Labor Union (ALU). Studentinnen wie Maddi, die sich eigens beim Konzern einstellen ließ, um den Arbeitskampf von innen zu organisieren; eine Obdachlose, die in ihrem Auto übernachtet; Arbeiterinnen und Arbeiter, die aus Willkür gekündigt wurden: Alle sammeln Stimmen bei Wind und Wetter, auch zur Nachtschicht, damit die Gewerkschaft in den Betrieb einziehen und die Interessen der Belegschaft vertreten kann. Um deren Vertrauen zu gewinnen tun sie vieles, laden etwa Beschäftigte zur Pizza ein. Derweil fährt das Unternehmen eine aggressive Antigewerkschaftskampagne hoch. „Union“ fand keinen Verleih in den USA, zu groß war der Druck, der von Amazon ausging. Das Recht sich gewerkschaftlich zu organisieren, gerät unter der Trump-Regierung weiter unter Druck, so ver.di-Sekretär Nils Böhnke aus NRW im Filmgespräch.
Kolonialismus im Film
Auch wachsender Druck gegen die Black Community war Thema. Im Fokus „Sehen lernen und verlernen – Film dekolonisieren“ lief der beeindruckende Film „Sambizanga“ (1972), einer der ersten Spielfilme vom afrikanischen Kontinent, den eine schwarze Frau realisiert hatte. Die im Alter von 90 Jahren im April 2020 verstorbene Sarah Maldoror schildert die grausame Unterdrückung der schwarzen Bevölkerung in Angola im Jahr 1961, bevor diese die Unabhängigkeit gegen die portugiesischen Kolonialherren erkämpfte. Der Film zeigt die Verhaftung des Revolutionärs Domingos Xavier im Arbeiterviertel Sambizanga in Luanda, mit dem Ziel, dass er unter Folter seine Genossen verrät. Im Mittelpunkt steht Xaviers Liebe zu seiner Frau Maria und seinem Baby. Sie gibt alles, um mit den Behörden zu verhandeln und ihren Mann zu befreien, läuft mit ihrem Baby auf dem Rücken von Gefängnis zu Gefängnis, um ihn zu finden. Die Schauspielerin Elisa Andrade verkörpert spannungsreich ihre Willenskraft.
Im Workshop forderte die in Brüssel lebende kamerunische Filmemachermacherin Rosine Mbakam, gegen das vom weißen hierarchischen Blick geprägte Kino müsse es ein filmisches Aufbegehren geben. Es müsse aufhören, dass weiße Filmemacher*innen sich in Afrika mit filmischen Material alles aneignen, ohne zu fragen, und ihre eigene Perspektive aufzwingen: „Wir müssen uns aus dem kolonialen Erbe befreien, auch toxisch rassistische Archivaufnahmen meiden“.
Umgang mit Archivaufnahmen
Um reflektierten Umgang mit Archivaufnahmen ging es beim Vortrag, den Elahe Haschemi Yekani, Professorin für Englische und Amerikanische Literatur und Kultur der Humboldt-Universität zu Berlin, beim IFFF in Dortmund hielt. Sie thematisierte dies am Beispiel von Geheimdienstaufnahmen im 2023 bei den Internationalen Filmfestspielen Berlin für den LGBTIQ-Preis Teddy Award nominierten Dokumentarfilm „Între revoluții“, nach dem Drehbuch von Lavinia Braniste und Vlad Petri. Propagandabilder sind im neuen Zusammenhang verankert: solche aus Rumänien, unter dem Diktator Ceausecu, sowie aus dem Iran nach der Revolte gegen den Schah, welche die Frauen mittrugen.
Bekanntermaßen hatten sie im Anschluss unter Machthaber Ayatollah Ruhollah Khomeini ihre Rechte verloren. In den Überwachungszusammenhang fallen auch private Briefe, aus denen anonymisiert zitiert ist. Die Filmstory ist spannend: Eine Iranerin und eine Rumänin lernten sich im Studium in Bukarest kennen. Durch politische Umwälzungen getrennt, trotzen sie mit ihrer Briefkorrespondenz der Entfernung und den Wirren der Zeit. Die Personen sind fiktiv. Filmszenen zwischen den Revolutionen verdeutlichen, wie sehr queeres Begehren von der Verfasstheit der Gesellschaften abhängig ist. Die Filmbotschaft: Je autoritärer die Strukturen, desto mehr verflüchtigen sich Liebe und Lust.