Filmtipp: „Die Migrantigen“

"Die Migrantigen" jetzt im Kino mit Benny (Faris Ramoha, l.) und Marko (Aleksandar Petrovich) Foto: Screenshot

Eine Politisch inkorrekte Komödie

„Die Migrantigen“ – schon der Titel ist ein Witz. Erstens sind die Protagonisten Benny und Marko keine Migranten, sondern geborene Wiener, wie Hundertausende auch, deren Eltern mal in die Stadt eingewandert sind. Und zweiten sind sie nicht grantig. Die Pointe erschließt sich nur, wer ein wenig Wiener Dialekt kennt. Grantig ist, wer stets schlecht gelaunt ist. Und das sind Benny und Marko nun gar nicht.

Benny und Marko: auch ihre Geschichte ist ein Witz. Irgendwie stecken sie zwischen Realität und Träumen fest. Benny (Faris Ramoha) ist Schauspieler und ist es leid, immer nur Rollen von Figuren mit Migrationshintergrund angeboten zu kriegen. Ägyptischer Taxifahrer zum Beispiel. Dabei kann er den Hans Moser. Und Marko (Aleksandar Petrovich) arbeitet nicht wirklich erfolgreich in der Werbung, muss sich mit seinem alten Messie-Vater herumschlagen und versuchen, seine Schulden loszuwerden.

Auf der Suche nach der nächsten heißen Story taucht als deus ex machina die Journalistin Marlene Weizenhuber (Doris Schretzmeyer) auf. Sie hält Benny und Marko für das, was sie von Migranten zu wissen glaubt, beginnt mit ihnen zu drehen und bringt sie damit erst auf die Idee, sich erst recht als arbeitslose Kleinkriminelle mit Migrationshintergrund auszugeben. Für einen Film, den „die Leute sehen wollen“, wie die Journalistin weiß.

Und so entwickelt sich die Komödie ziemlich rasant und nicht ohne brachialen Humor. Die beiden müssen ihre falschen Rollen erst lernen, im angeblichen Milieu recherchieren, im Boxclub, im Wettbüro, vor einem türkischen Lokal, das sich freilich als kurdisches entpuppt, was den beiden eine Schlägerei einbringt. Mit wachsendem Elan gehen sie an die Dreharbeiten, drehen ihre falschen Identitäten immer noch ein Stück weiter. Sie täuschen einen Überfall vor einem Bankomaten vor, auch Verwandte und Freunde müssen für erfundene Rollen einspringen. Bis sie das ganze Viertel gegen sich aufbringen und es zu einem turbulenten Ende kommt, das natürlich hier nicht verraten werden soll.

„Die Migrantigen“, ist eine inkorrekte Komödie. Sie nähert sich ihrem Thema schräg von der Seite und hat, wie jede gute Komödie, doppelten Boden. Regisseur Arman T. Riahi, mit iranischem Migrationshintergrund, spielt genussvoll mit Klischees und Vorurteilen. Am Drehbuch haben auch die beiden Protagonisten mitgeschrieben. Die turbulente Handlung ist sehr kleinteilig und rasant erzählt. Es wird im Film nicht nur gelegentlich gerappt, der ganze Film wirkt ein wenig wie Rapp. Die Dialoge sind voller Witz, der in Wien Schmäh heißt, wodurch der Film auch etwas dialektlastig wird und mit wachsender geographischer und kultureller Entfernung zu Österreich auch schwerer verständlich – ein nur geringer Nachteil. Denn die Schauspieler sind alle glänzend aufgelegt, auch Nebenrollen sind etwa mit Josef Hader und Dirk Stermann prominent besetzt.

Last but not least ist „Die Migrantigen“ auch eine Mediensatire. Über solche Figuren wie Benny und Marko zu lachen, bedeutet auch, den ernsten Hintergrund mit wahrzunehmen. Nicht nur dass die beiden realen Schauspieler die Ausgangssituation kennen, weil ihnen im realen Leben auch immer nur Rollen mit Migrationshintergrund angeboten werden. Vielmehr stellt der Film die Frage, welches Menschenbild eigentlich in den Medien existiert und welches die Medien anbieten? An der Produktion des Films waren übrigens Mitarbeiter aus etwa 20 Nationen beteiligt. Und eine nicht nur lustige Botschaft hat der Film am Ende auch. Markos Vater, der schon etwas angeschlagene Herr Bilic (Name sagt: Migrationshintergrund, Tschuschn, wie die Wiener sagen), hat sie: „Weißt du was diese Stadt wäre, wenn sie keine Menschen wie uns hätte? Was dieser Bezirk ohne uns wäre? Diese Stadt würde nicht funktionieren. Keine Stadt der Welt würde funktionieren.“

 

 

nach oben

Weitere aktuelle Beiträge

Vernetzte Frauen im Journalismus

Sich als Frau in einer Branche behaupten müssen, in der Durchsetzungskraft und Selbstbewusstsein entscheidende Faktoren sind: Für Generationen von Journalistinnen eine zusätzliche Belastung im ohnehin schon von Konkurrenz und Wettbewerb geprägten Beruf. Angesichts dieser Herausforderung sind Netzwerke und solidarische Bündnisse von großer Bedeutung. Der Journalistinnenbund (JB) hatte hierbei seit seiner Gründung im Jahr 1987 eine Vorreiterrolle inne. Sein Anliegen: Geschlechtergleichstellung in den Medien erreichen.
mehr »

In den eigenen Räumen etwas bewegen

Stine Eckert forscht zu Geschlechterkonstruktionen in den Medien am Institut für Kommunikationswissenschaft an der Wayne State University in Detroit. Ihr Buch „We can do better“ versammelt  „feministische Manifeste für Medien und Kommunikation“. Mit Ulrike Wagener sprach sie für M über die Verbindung zwischen Universitäten und Aktivismus und die Frage, wo Medien und Medienschaffende etwas verändern können.
mehr »

Vertrauen in die Medien wächst wieder

Eine repräsentative Studie im Auftrag des WDR zeigt: Das Vertrauen in Medien in Deutschland ist wieder gewachsen. Als glaubwürdig gelten vor allem öffentlich-rechtliche Angebote. Auch das Vertrauen in Institutionen hat leicht zugenommen. Und: Junge Menschen schätzen ihre Hauptinformationsquelle Soziale Medien mehrheitlich als nicht ausgewogen oder glaubwürdig ein.
mehr »

Aktive Medien gegen Rechts

„Wie weiter?“ – unter dieser Fragestellung wollten am 7. Mai in der rheinland-pfälzischen Landesvertretung in Berlin Medienpolitiker*innen und Journalist*innen über „Visionen für eine demokratische Medienlandschaft“ diskutieren. Den Rahmen bildete das Roman Brodmann Kolloquium zum Oberthema „Rechtsruck in Europa! Ohnmacht der Medien?“ Anstelle von überzeugenden Visionen spiegelte die Debatte eher die Ratlosigkeit der Demokraten angesichts eines erstarkenden Rechtsextremismus.
mehr »