Gegen Journalisten – Freibrief für Nazis?

Screenshot: www.recherche-nord.com

Im thüringischen Eisenach ermittelt die Polizei gegen einen freien Journalisten des Medienportals „Recherche Nord“. Bilder des Fotografen zeigten im Rahmen kritischer Berichterstattung über Rechtsrock-Konzerte Nazi-Symbole und -Tattoos. André Aden wird vorgeworfen gegen das Kunsturhebergesetz verstoßen zu haben. Zudem bestehe der Verdacht der Verwendung von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen. Eine Sprecherin des Portals wertet das Vorgehen der Polizei gegenüber dem MDR als „schweren Angriff auf das Presserecht“.

Nach Informationen des MDR, der als erstes Medium über die Ermittlungen berichtete, hatten die Reporter von „Recherche Nord“ mehrfach Straftaten von Neonazis im Umfeld rechtsextremer Konzerte dokumentiert und Fotostrecken davon online gestellt sowie verschiedenen Medien angeboten. Darin waren Teilnehmende der Rechtsrock-Konzerte mit strafbaren Neonazi-Tätowierungen zu sehen. Dazu gehörten etwa Abzeichen der Waffen-SS wie SS-Totenköpfe oder die so genannte „Wolfsangel“, aber auch andere strafbare Runen.

Kritik an Polizeiverhalten

In ihrer Berichterstattung hätten die Journalisten von „Recherche Nord“ auch mehrfach kritisiert, dass die Eisenacher Polizei nicht konsequent genug gegen die Konzerte in der Neonazi-Immobilie „Flieder Volkshaus“ vorgegangen sein soll. Auch sollen Beteiligte der Nazi-Treffen von Seiten der Polizei teils nicht erfasst worden sein. Stattdessen wird gegen Journalisten – wie in diesem Fall – von Amts wegen ermittelt. Das heißt, dass Betroffene selbst keine Anzeige gestellt haben.

Eine Sprecherin von „Recherche Nord“ sagte dem MDR, das Ermittlungsverfahren gegen die Journalisten sei ebenso „bizarr“ wie das dahinterliegende Rechtsverständnis. „Im Grunde handelt es sich um einen schweren Angriff auf das Presserecht, um einen Angriff von Institutionen, die den demokratischen Rechtsstaat eigentlich verteidigen, und nicht, wie in diesem Fall, weiter aushöhlen sollten“, sagte die Sprecherin weiter. „Aufklärung und Informationen über die neonazistische Raumnahme in Eisenach scheinen nicht erwünscht“.

Recht am eigenen Bild

Im Paragrafen 22 des Kunsturhebergesetzes ist festgelegt, dass Bilder einer Person nur öffentlich gemacht werden dürfen, wenn der Abgebildete einverstanden ist. Ausnahmen kann es aber laut Paragraf 23 bei „Bildern von Versammlungen, Aufzügen und ähnlichen Vorgängen, an denen die dargestellten Personen teilgenommen haben.“ oder wenn Personen nur als Beiwerk auf einem Foto zu sehen sind.

Erschreckendes Vorgehen

Fotojournalisten hätten grundsätzlich das Recht, verbotene Symbole abzufotografieren und die Berichterstattung über rechtsextreme Zusammenkünfte damit zu illustrieren. Eine Abbildung solcher Kennzeichen sei nicht strafbar, wenn sie beispielsweise der Aufklärung oder der Abwehr verfassungswidriger Bestrebungen dient, erklärte ein Sprecher von „Reporter ohne Grenzen“ gegenüber MDR Investigativ. Ein solches strafrechtliches Vorgehen bezeichnete er als „auf jeden Fall erschreckend“. Es sei die Aufgabe der Polizei, „Medienschaffende, die von rechtsextremen Zusammenkünften berichten, bei ihrer Arbeit zu schützen und damit in ihrem Einsatz für die Demokratie zu unterstützen.“


Mehr lesen in der taz

nach oben

Weitere aktuelle Beiträge

Mit Recht und Technik gegen Fake News

Als „vielleicht größte Gefahr“ in der digitalen Welt sieht die Landesanstalt für Medien NRW (LFM) die Verbreitung von Desinformationen. Insbesondere gilt das für die Demokratische Willensbildung. Daher wird die Aufsichtsbehörde ihren Scherpunkt im kommenden Jahr genau auf dieses Thema richten. Aber wie kann man der Flut an Fake News und Deep Fakes Herr werden?
mehr »

Buchtipp: Missbrauch, Macht & Medien

Zwei Bücher, ein Thema: Juliane Löffler und Thomas Gottschalk beschreiben aus völlig unterschiedlichen Perspektiven, wie sich Gesellschaft und Medien in den letzten Jahren unter anderem durch den Einfluss der MeToo-Bewegung verändert haben. Während Löffler den unverhohlenen männlichen Machtmissbrauch akribisch recherchierte, sorgt sich Gottschalk um seine Privilegien.
mehr »

News-Junkie versus Nachrichtenvermeider

Eine Sonderausstellung im Museum für Kommunikation Berlin gibt Einblicke in die Geschichte der Nachrichten und unser Verhältnis dazu. Nie war es leichter, sich über das Weltgeschehen zu informieren als heute. Nie gab es mehr Medien und Formate, über die wir jederzeit und überall Nachrichten abrufen können. Doch wie können wir uns in diesem Dschungel zurechtfinden? Wie können wir gute Nachrichten produzieren?
mehr »

ver.di-Filmpreis für „Im Prinzip Familie“

„Im Prinzip Familie“ von Daniel Abma ist Gewinner des diesjährigen ver.di-Preises für Solidarität, Menschlichkeit und Fairness auf dem Internationalen Leipziger Festival für Dokumentar- und Animationsfilm DOK.  Der Film erhielt zudem den „film.land.sachsen-Preis“ für Filmkultur im ländlichen Raum sowie den Preis „Gedanken-Aufschluss“, von einer Jury aus Strafgefangenen der Jugendstrafvollzugsanstalt Regis-Breitingen. Damit gingen an „Im Prinzip Familie“ die meisten Auszeichnungen bei DOK Leipzig 2024.
mehr »