Gegen SLAPP-Klagen und Big-Tech-Intransparenz

Foto: Deutscher Bundestag/Thomas Trutschel

Anders als noch bei den Wahlen 2021 liegt den Parteien neuerdings verstärkt eine Abwehr der durch Big Tech verursachten Gefahren am Herzen. Nach dem Willen der SPD sollen die US-Plattformen verpflichtet werden, „ihre Algorithmen und Entscheidungsprozesse zur Inhaltsdarstellung offenzulegen“, mit dem Ziel, sie „auf diskriminierende oder manipulative Praktiken zu prüfen“. Denn: „Transparenz und Verantwortlichkeit der Plattformanbieter sind zentral, um die demokratische Meinungsbildung zu schützen.“ Allerdings solle die staatliche Aufsicht sich zurückhalten, „um kein Gefühl von staatlicher Zensur aufkommen zu lassen“.

In die gleiche Kerbe schlägt auch die FDP. Die im Rahmen des Digital Services Act (DSA) eingeführten Sorgfaltspflichten dürften nicht dazu führen, „dass die Meinungsfreiheit beeinträchtigt wird oder dass Private statt staatlicher Gerichte über die Grenzen der Meinungsfreiheit entscheiden“. Zugleich  verweisen die Liberalen auf die Bedeutung des European Media Freedom Act (EMFA) für den Schutz der Medienschaffenden in Europa. Der seit Mai 2024 schrittweise in Kraft getretene EMFA werde bis August 2025 umgesetzt werden.

Die Linke erwartet, dass das Bundeskartellamt im Bereich Big Tech „endlich aktiv wird und seiner Aufsichtspflicht nachkommt“. Bislang gebe es bei den marktbeherrschenden Plattformen im Bereich der sozialen Medien  lediglich eine Regelung: die Vereinbarung zwischen dem Bundeskartellamt und Meta von 2024, „dass Nutzer*innendaten grenzenlos und vollkommen intransparent zusammengeführt werden dürfen“. Dass die Algorithmen, nach denen Nutzer*innen Medieninhalte vorgeschlagen werden, weiterhin Geschäftsgeheimnis bleiben, will die Linke nicht akzeptieren: „Hier muss vollständige Transparenz hergestellt und gemeinnützige bzw. öffentlich-rechtliche Alternativen gefördert bzw. geschaffen werden.“

DMA, DSA und KI

Erstmals spielt in den Programmen auch die Künstliche Intelligenz (KI) eine Rolle. Die SPD fordert eine „strikte Durchsetzung der Bot-Kennzeichnungspflicht aus der KI-Verordnung sowie verpflichtende Tools zum Faktencheck auf großen Plattformen. Es gelte, europäische Regelungen wie DMA, DSA sowie die Ki-Verordnung durchzusetzen. Auch sollen die Plattformen gezwungen werden, „gegen illegale Inhalte vorzugehen und wirksame Vorkehrungen gegen systemische Risiken wie Desinformation und Fake News zu treffen“.

Die Linke geht noch einen Schritt weiter und fordert neben der Kennzeichnungspflicht für KI-generierte Inhalte eine „Vergütung für die Nutzung urheberrechtlich geschützten Materials, das für KI-Training verwendet wird“.

Schutz vor SLAPPS

Auch will die Linke die Medienschaffenden gegen SLAPP-Klagen schützen. Es gehe nicht nur darum, die europäische Anti-SLAPP-Richtlinie umzusetzen, sondern „analoge Regeln auch dort (zu) schaffen, wo es keine europäische Zuständigkeit gibt“. Geprüft werden sollen weitere Maßnahmen, die einen solchen Missbrauch im Medienrecht unterbinden helfen können. Hier seien auch die Anwaltskammern gefordert, gegen solche Geschäftsmodelle vorzugehen – „einzelne bekannte Kanzleien haben daraus ein florierendes Business gemacht“.

Was den Schutz von Journalisten gegen physische Attacken bei der Berufsausübung angeht, so verweist die FDP auf Fraktionsbeschlüsse aus der gerade ablaufendenden Wahlperiode. Dazu gehört die Absicht, gemeinsam mit den Länden Konzepte für die Aus- und Fortbildung von Polizisten im Bereich des Medienrechts und des Umgangs mit Journalisten und Medienvertretern zu entwickeln. Auch wollen die Liberalen Konzepte für die Aus- und Fortbildung von Pressevertretern zum „Umgang mit den vielfältigen Bedrohungsszenarien von Cyberangriffen über Einschüchterungsversuche bis zu tätlichen Übergriffen entwickeln und bestehende Konzepte weiterentwickeln“.

Sicherheit für Journalist*innen

Auch die Linke sorgt sich um die Sicherheit von Journalist*innen. Schutz gegen gewalttätige Übergriffe werde „gerade in Versammlungslagen“ nur möglich sein, „wenn die Polizei die Bedrohung von Journalist*innen ernst nimmt und sie unter voller Nutzung ihrer Befugnisse schützt“. Der Schutz vor Ausspähung durch Melderegisterauskünfte müsse verbessert werden, indem das Verfahren für eine Auskunftssperre erleichtert werde.

Redaktionen müssten aber auch vor staatlicher Überwachung geschützt werden. Dies will die Linke „durch Verbesserungen beim Schutz von Berufsgeheimnisträgern in der Strafprozessordnung und im polizeilichen Gefahrenabwehrrecht erreichen“.


Diese Synopse basiert auf den Wahlprogrammen der Parteien sowie auf einer zusätzlichen Umfrage der dju in ver.di. Inhaltliche Antworten auf die Umfrage hatten bis Redaktionsschluss nur zwei Parteien geliefert: Die FDP und die Linke.

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