Ob Kampfgetümmel, Dinosaurierwelten oder längst untergegangene Metropolen: Die Nutzung von KI, um Dokumentationen aufzuhübschen, wird zum Standard. Aber was darf man? Und was darf man nicht? Darüber diskutiert die Branche eifrig hinter den Kulissen.
Als im Sommer eine neue Dokumentation über Frida Kahlo ausgestrahlt wurde, gab es zwei Versionen: Während in der ZDF-Fassung KI-Sequenzen zum Einsatz kamen, die die mexikanische Künstlerin beeindruckend realistisch zum Leben erweckten, mussten für die Variante auf Arte genau diese Szenen durch Graphic Novel – Elemente ersetzt werden.
Den Arte-Verantwortlichen waren die aus dem Computer generierten Szenen wohl zu realistisch vermutet der verantwortliche Produzent Marcus Uhl: „Wir waren uns ja alle im Vorfeld einig, dass wir ohnehin bei diesen Spielszenen Hinweise einblenden würden. Ich glaube, man war erschrocken, dass Frieda Kahlo tatsächlich so aussieht wie Frieda Kahlo.“
Tatsächlich ist sich Branche nicht ganz einig, inwieweit KI in Dokumentationen zum Einsatz kommen sollte. Für Uhl ist das eine Debatte, ähnlich der Erörterung über Reenactments, die bereits in den 90er Jahren heftig geführt wurde. Protagonist bei der Einbindung von Inszenierungen in geschichtlichen Dokumentationen war der einstige ZDF-Chefhistoriker Guido Knopp. „Teilweise zurecht kam dabei der Vorwurf auf, dass diese Dokudramen wie Bauerntheater anmuteten“, erinnert sich der Münchener Produzent.
Preiswerter Ersatz für Reenactments
Denn aufgrund begrenzter Budgets können oft Sets, Schauspielernde oder Kostüme kein „Hollywood“-Niveau bieten. Während es anfangs umstritten war, bei einem Informationsgenre auch Unterhaltungselemente miteinzubinden, ist dieses Stilmittel inzwischen allgemein akzeptiert. Denn grundsätzlich gilt: Wissensvermittlung ohne eine gewisse Emotionalisierung erreicht das Publikum nicht.
Das diese Diskussion jetzt unter dem KI-Aspekt neu entflammt hat wohl auch mit der Technologie zu tun, die dafür zum Einsatz kommt. Denn das Unbehagen beim Thema Künstlicher Intelligenz wächst grundsätzlich. KI-Fake-Videos zu historischen sowie anderen Ereignissen und Personen fluten das Netz, während die gängigen KI-Systeme allesamt aus den USA oder China stammen – samt entsprechender „moralischer“ Programmierung.
Der Dokumentarfilmer Gunnar Dedio von Looksfilm jedenfalls bleibt zurückhaltend, wenn es um den Einsatz von Künstlicher Intelligenz in seinen Filmen geht. Für ihn ist es eine Art Gütesiegel, dass sich seine Produktionen hauptsächlich aus unveränderten, teilweise noch nicht gezeigtem Archivmaterial speisen: „An den Reaktionen der Zuschauer bemerken wir, wie wichtig es ihnen ist, echte Bilder zu sehen, und dafür stehen wir: Das Publikum kann sich bei uns darauf verlassen, dass wir keine künstlich generierten Inhalte zeigen, die sich im Internet immer mehr verbreiten.“
Einsatz mit Abwägung
Dennoch kommt bei Looksfilm KI zum Einsatz. Etwa wenn es um die Restauration von Archivmaterial geht. Oder bei der Kolorierung von Aufnahmen, etwa für die Reihe „Die Spaltung der Welt“. „Eine Mannschaft von 50 Leuten arbeitet dann teilweise daran“, berichtet Dedio weiter, „dabei geht es weniger um den technischen Aufwand, sondern mehr um die historische Recherche, etwa die Kontrolle darüber, dass die Farbgestaltung originalgetreu ist.“
Selbst innerhalb der Sender wird über den richtigen Umgang diskutiert. Bei den Inhalten der ZDF Reihe Terra X, darunter auch „Giganten der Kunst – Frida Kahlo“, wird bereits seit einem Jahr mit KI-generierten Elementen gearbeitet, wie Redaktionsleiterin Friederike Haedecke bestätigt. „Wir haben uns im Vorfeld viele Gedanken drüber gemacht“, sagt sie, „was dürfen wir, und wo laufen wir Gefahr uns zu sehr auf die Technologie zu verlassen? Und wo brauchen wir auch Klarheit gegenüber dem Zuschauer, wie Bilder zustande gekommen sind?“
Weitere Entwicklung nicht absehbar
Letztlich sei der Schritt von Computeranimierten Grafiken, die schon seit langem für Bildergenerierung verwendet werden, hin zur KI, nicht so groß: „Wir haben auch in früheren Zeiten schon Bilder ergänzt, Architektur beispielsweise, die es heute nicht mehr gibt.“
Dabei stehen vor allem wirtschaftliche Überlegungen im Vordergrund, denn Reenactment ist „wahnsinnig“ teuer, etwa wenn es um die Darstellung von Schlachten oder Königen in ihren Palästen geht. Die Nachkorrektur künstlich erzeugter Bilder, etwa wenn ein Kostüm nicht richtig ausgewählt wurde, sei ebenfalls einfacher sowie kostengünstiger.
Dass KI-Szenen gekennzeichnet werden müssen, darüber sind sich die Verantwortlichen in Mainz einig. Auch darüber, dass historisches Quellenmaterial, zum Beispiel Fotografien, nicht künstlich verändert werden darf. „Alle sind im Moment auf der Suche nach der richtigen Darstellungsform, und ich glaube, der Schritt, den wir jetzt machen, ist tatsächlich noch größer als der Schritt seinerzeit zum Reenactment“, beschreibt die Terra X – Chefin die aktuelle Situation. Nicht nur in ihrer Sicht schreitet die Entwicklung „rasend schnell“ voran: „Vor zwei Jahren hätten wir dieses Gespräch nie geführt, weil die Technologie noch nicht existiert hat und worüber wir in einem halben Jahr sprechen werden, das ist nicht absehbar.“

