Am 20. August 2018, setzte sich die damals 15jährige Greta Thunberg mit dem Schild “Skolstrejk för Klimatet“ vor das Parlament in Stockholm. Das war die Geburtsstunde von Fridays for Future (FFF) – einer Bewegung, die nach ersten Medienberichten international schnell anwuchs. Drei Jahre zuvor hatte sich die Staatengemeinschaft auf der Pariser Klimakonferenz (COP 21) völkerrechtlich verbindlich darauf geeinigt, die Erderwärmung auf deutlich unter zwei Grad Celsius gegenüber dem vorindustriellen Niveau zu begrenzen.
Aus diversen nationalen Kundgebungen schwoll die Bewegung zu globalen Klimastreiks an. Allein in Deutschland demonstrierten am 20. September 2019 etwa 1,4 Millionen Menschen, davon 270.000 in Berlin. Längst hatten sich weitere Klimagruppen gebildet, z.B. Extinction Rebellion, Ende Gelände sowie Scientists for Future.
Begünstigt wurde der Aufstieg von FFF durch „eine quasi-symbiotische Beziehung zu den Massenmedien“, so Dieter Rucht in seiner 2019 in „Aus Politik und Zeitgeschichte“ erschienenen Analyse „Faszinosum Fridays for Future“. Darin registrierte er markante Unterschiede zwischen der Berichterstattung konservativer und linksliberaler Printmedien. Organe mit wirtschaftsfreundlicher redaktioneller Leitlinie bezogen demnach eine eher kritisch-distanzierte, teilweise sogar entschieden ablehnende Position.
Zwischen Herablassung und Würdigung
Kritiker der Klimabewegungen monierten – analog zur herablassenden Haltung des deutschen Finanzminister Christian Lindner, die Klimaschutzpolitik doch besser „den Profis zu überlassen“ – die politische Unbedarftheit der Demonstrierenden, ihren moralischen Rigorismus, die Katastrophenrhetorik. Auch warnten sie vor der Gefahr einer schleichenden Radikalisierung der Bewegung. Weitaus wohlwollender und verständnisvoller fiel die Bewertung im progressiven Pressespektrum aus. Andere Medien wie der Spiegel und einige Regionalblätter stellten positive wie kritische Kommentare nebeneinander.
Nicht wenige Medien boten FFF-Protagonist*innen Raum für Interviews und Kommentare. Allerdings kam und kommt in den überregionalen Medien nur ein beschränkter Personenkreis zum Zug. Hierzulande ist es vor allem die Aktivistin Luisa Neubauer. Auch ARD und ZDF sprangen früh auf den FFF-Zug auf, verhielten sich in ihrer Kommentierung aber meist zurückhaltender als die Printmedien.
Dazu trugen auch die disziplinierten Medienauftritte der FFF-Protagonist*innen bei, gepaart mit vergleichsweise moderaten politischen Kernforderungen: Einhaltung der Zusagen des Pariser Klimaabkommens, Reduktion des Flugverkehrs, Vorverlegung des von der Kohlekommission für 2038 angesetzten Ausstiegs aus der Braunkohle um acht Jahre, etc. Auf Forderungen nach radikaleren Eingriffen in kapitalistische Marktmechanismen verzichtet die Bewegung bis heute. Das unterscheidet sie von Gruppierungen wie Ende Gelände oder Extinction Rebellion, deren radikaleren Aktionen in Form zivilen Ungehorsams in den meisten Medien weitaus kritischer begegnet wurde.
FFF enthalte ein für die bürgerlich-liberale Öffentlichkeit attraktives Angebot in seiner „Mischung aus jugendlicher Frische und Fröhlichkeit, der Heroisierung von Idolen, der frechen Renitenz des Schulstreiks, dem Schauer der Katastrophenlyrik und der damit kontrastierenden Mäßigung von Forderungen und Aktionsformen“, resümierte Rucht.
Aktionsformen der „letzten Generation“
Neben „Fridays for Future“ zog seit 2022 die „Letzte Generation“ die meiste mediale Aufmerksamkeit auf sich. Das lag vor allem an den speziellen Aktionsformen dieser Klimaaktivist*innen: Straßenblockaden mittels Selbstanklebens auf der Fahrbahn, Puddingattentate in Museen oder Sprüh- und Farbaktionen an historischen Monumenten, beispielsweise am Brandenburger Tor.
In ihrer Masterarbeit von 2023 verglich die Journalistin Elise Hulata die Öffentlichkeitsstrategie der Aktivist*innen mit der TV-Berichterstattung von ARD und ZDF im Jahr 2022. Analysiert wurden 20 Beiträge mit einer Gesamtlänge von drei Stunden und 45 Minuten. Eine Zusammenfassung der wichtigsten Ergebnisse publizierte Hulata vor einem Jahr auf dem Internetportal „Klimareporter“. Der bezeichnende Titel: „Klimaprotest erreicht Abendprogramm, Klimakrise nicht“.
Inhalte kommen zu kurz
Das ernüchternde Fazit Hulatas: Kaum einer der TV-Beiträge habe das Anliegen der Aktivist*innen in seriöser Form aufgegriffen. Dabei waren die konkreten Forderungen der „Letzten Generation“ nicht sonderlich radikal: Ein dauerhaftes Neun-Euro-Ticket sowie ein Tempolimit von 100 km/h. Diese Forderungen wurden in 40 Prozent der analysierten Beiträge kaum oder gar nicht erwähnt. Die Politik als eigentliche Zielscheibe der Proteste kam in der Berichterstattung vergleichsweise gut davon. In 80 Prozent der analysierten Medienbeiträge sei es um die Meinung der Politiker*innen gegangen, „nicht aber um das, was die Letzte Generation ihnen vorwirft: unzureichende Klimapolitik“.
Schon früh ahnten Beobachter, dass die Aktionsformen der Bewegung wahrscheinlich von den Inhalten ihres Protests ablenken könnten. Genauso kam es. In der medialen Öffentlichkeit ging es schon bald hauptsächlich um die Frage, ob es sich bei den Aktivisten um Terroristen oder eine „kriminelle Vereinigung“ handle. Eine Perspektive, die auch in mehr als 50 Prozent der von Mulata untersuchten Beiträge eingenommen wurde. So provozierte der Tod einer überfahrenen Radfahrerin am Rande eines Klimaprotests in Berlin viele wütende Kommentare über die vermeintliche Mitschuld der Aktivist*innen. Da verwundert kaum noch, dass bei den Berichten über die Letzte Generation der politische und wissenschaftliche Kontext ihres Protests weitgehend ausgespart wurde.
Umso rigoroser ist dagegen das Vorgehen vor allem der bayerischen Justiz gegen die Aktivist*innen. Die höchst umstrittenen Maßnahmen reichen von Wohnungsrazzien über mehrtägige Präventivhaft bis hin zum Abhören eines Berliner Pressetelefons der Letzten Generation durch die Münchner Generalstaatsanwaltschaft von November 2022 bis April 2023. Kritik daran kam vor allem von Reporter ohne Grenzen und der „Gesellschaft für Freiheitsrechte“. Ein Großteil der Medien hielt sich dagegen in der Kommentierung auffallend zurück.
Repression gegen Protestierende
Schlimmer noch: „Landgericht stuft Letzte Generation als kriminelle Vereinigung ein“, titelte Zeit online im November 2023, obgleich das Münchner Gericht lediglich von einem „Anfangsverdacht“ gesprochen hatte. Für diese unzulässige Vorverurteilung kassierten neben Zeit online auch die Online-Ableger von Bild, BZ, Welt und Sächsischer Zeitung sowie die Redaktion der Rheinischen Post eine Rüge des Presserats.
Anfang 2024 gab die Letzte Generation bekannt, keine Straßen mehr zu blockieren. Seitdem, so ein Kommentar der taz, ziehe sie „deutlich weniger Hass, aber auch deutlich weniger Aufmerksamkeit auf sich“. Im Juni verpasste die Gruppe mit dem bescheidenen Stimmenanteil von 0,3 Prozent den Einzug ins Europaparlament. Nach einigen Startbahn-Blockaden auf deutschen Flughäfen schwoll zuletzt der mediale Empörungssturm wieder an. Allen voran die Boulevardpresse wettert massiv gegen „Klima-Chaoten“ und „Terroristen“ und fordert Staat und Justiz auf, die Akteure mit der ganzen Härte des Gesetzes zu bestrafen.
Dagegen appelliert Elisa Hulata an die Medien, ihrer Verantwortung für eine angemessene Berichterstattung über die Klimakatastrophe nicht auszuweichen. Es dürfe nicht sein, „dass durch die überwiegende Fokussierung auf mögliche Straftaten alle Informationen über den fortschreitenden Klimawandel und die ungenügende deutsche Klimapolitik untergehen“. Auch FFF hat in den Medien sukzessive an Sympathie verloren. Schon Ende 2021 konstatierte Roland Schatz, Institutschef des Media Tenor im „Spiegel“, der „mediale Honeymoon“ zwischen den Journalisten und Fridays for Future sei „in den Tiefen des Lebens gelandet“. Sein Resümee: „Vielfalt begeistert, Protest ohne konkrete umsetzbare Vorschläge ermüdet.“
Neuerdings setzt FFF auf eine Bündelung der Kräfte. Im Frühjahr 2024 streikte man gemeinsam mit ver.di unter dem Motto „Wir fahren Zusammen“ für mehr Klimaschutzmaßnahmen sowie den Ausbau des Öffentlichen Personennahverkehrs. Die Botschaft dieses Bündnisses mit den Beschäftigten im Verkehrssektor: Klimaschutz ist nichts Elitäres, sondern geht alle an.