Mexiko: Hoffnung auf mehr Pressefreiheit

Mexiko ist eines der gefährlichsten Länder für Journalisten.
Foto: Article 19 Oficina para México y Centroamérica

Mindestens 38 Medienschaffende wurden in der Amtszeit von Präsident Andrés Manuel López Obrador in Mexiko ermordet. Ein gefährliches Land für Journalist*innen. Dass soll sich unter der frisch gewählten Präsidentin Claudia Sheinbaum ändern. Ganz oben auf ihrer Agenda steht mehr Sicherheit – auch für Medienschaffende. Hoffnung macht dabei auch der Ton, den die zukünftige Präsidentin gegenüber der Presse des Landes anschlägt. Anders als ihr politischer Mentor setzt Sheinbaum nicht auf die Konfrontation mit der kritischen Presse, sondern auf Respekt.

Als Mexikos noch amtierender Präsident Andrés Manuel López Obrador am 1. Dezember 2018 sein Amt antrat, formulierte er ein vollmundiges Versprechen: „Es wird keine weiteren Journalistenmorde geben“, kündigte López Obrador an. Dieser Satz gehört zu den meist zitiertesten des mexikanischen Präsidenten.

Unter der Regie des linkspopulistischen Politikers wurden bis heute 38 Journalist*innen ermordet, weitere fünf sind bis heute spurlos verschwunden und etliche weitere ins Ausland geflohen. Nicht nur, weil sie von der organisierten Kriminalität, den Auftragskillern der Kartelle bedroht wurden, sondern auch weil der Präsident sie höchstpersönlich diffamiert und öffentlich bloßgestellt hat.

Marcela Turati, eine der für den Staat unbequemen Journalist*innen Mexikos mit dem Spezialgebiet „gewaltsam Verschwundene“, hat öfter an den allmorgendlichen Presserunden des mexikanischen Präsidenten teilgenommen und unbequeme Fragen gestellt. „Auf die hat AMLO auf seine gewohnt polarisierende Art geantwortet“, berichtet Turati. Eine Welle von beleidigenden, teilweise bedrohlichen Botschaften erhielt sie wenig später auf ihren sozialen Accounts – jedesmal. Für sie ist der noch bis Oktober regierende Präsident für die Spaltung der Presse in ein „mit uns und ein gegen uns“ verantwortlich. Mit der Reporterin Reyna Haidee Ramírez hat auch eine gute Freundin Turatis Mexiko ins sichere spanische Barcelona verlassen.

Ein neues Verhältnis zur Presse

Der allzu oft selbstherrlich auftretende Präsident hat etliche Journalist*innen auf seinen morgendlichen Pressekonferenzen bloßgestellt, diffamiert und sogar persönliche Details aus deren Steuererklärung preisgegeben. Für Turati ein eklatanter Verstoß gegen die Gewaltenteilung und ein Grund, weshalb die Schere im Kopf der Journalist*innen größer geworden sei. „In Mexiko braucht es viel Mut, um über Korruption in Regierungskreisen oder bei den Militärs zu recherchieren“, meint Turati. Diese Entwicklung ist für sie genauso alarmierend wie hohe Zahl an Morden an Kolleg*innen. Mexiko führt laut Journalist*innenorganisation Artículo 19 die Liste der gefährlichsten Länder außerhalb von Kriegszonen an und dafür macht Turati die Regierung von Andrés Manuel López Obrador mitverantwortlich. „In Mexiko ist es gefährlicher ein Verbrechen zu untersuchen als es zu begehen“, zitiert sie einen bedrohten Kollegen.

Auftakt zur Versöhnung

Diese Einschätzung teilt auch der Artur Romeu, Direktor des Lateinamerika-Büros von Reporter ohne Grenzen. Zum einen existiere eine Spirale der Gewalt gegenüber Berichterstatter*innen, die die staatlichen Institutionen nicht stoppen, zum andere seien die Zonen des Schweigens, wo nicht mehr kritisch berichtet werde, größer geworden, so Romeu. Das soll sich unter der künftigen Präsidentin ändern. Zum einen hat Claudia Sheinbaum in ihren ersten Stellungnahmen nach ihrer Wahl für Versöhnung und ein Ende der Polarisierung im Lande geworben. Zum anderen hat sie sich zu mehr Schutz für Journalist*innen bekannt.

Eine Woche vor den Wahlen vom 2. Juni hat sie mit „Reporter ohne Grenzen“ einen Kompromiss zur Verteidigung der Pressefreiheit unterzeichnet. Eine Expertengruppe soll in den ersten vier Monaten des nächsten Jahres konkrete Maßnahmen zum Schutz der Pressefreiheit ausarbeiten und implementieren. Positiv dabei ist, dass nicht nur Sheinbaum diesen Kompromiss mit Reporter ohne Grenzen (RSF) unterzeichnete, sondern auch die beiden Kandidaten, die beim Urnengang das Nachsehen hatten: Xóchitl Gálvez, Kandidatin des Mitte-Rechts-Parteienbündnis und Jorge Álvarez Maynez von der Bürgerbewegung.

Regierung will Schutzmechanismen etablieren

Für Artur Romeu von Reporter ohne Grenzen ein überfälliges politisches Signal, welches die Weichen in Richtung Zusammenarbeit stellt. Überaus positiv nach Jahren der Polarisierung und der zunehmenden verbalen Konfrontation mit der Regierung López Obrador. Die soll nun enden. Denn der Schutz der Berichterstatter*innen und der Kampf gegen die Straflosigkeit sind zwei Eckpunkte der Agenda auf die sich RSF mit den drei Präsidentschaftskandidat*innen verständigt haben. Extrem wichtig ist dabei die Rolle von Polizei und Gerichten, denn kaum ein Journalist*innen-Mord wird in Mexiko aufgeklärt, so dass die Verantwortlichen, sowohl Täter als auch Auftraggeber, oft straffrei bleiben.

Ziel ist es diese Realität zu ändern. Deshalb stehen der Schutz von Journalist*innen durch Schutzmechanismen, deren regelmäßige Überprüfung und die Auskunftspflicht der Behörden gegenüber Journalist*innen auf der Agenda, zu der sich Sheinbaum verpflichtet hat. Es gelte eine Kultur des Respekts gegenüber der Presse zu implementieren und sie auch wenn nötig strafrechtlich durchzusetzen, so das Übereinkommen. Dazu gehört auch die strafrechtliche Verfolgung der Diffamierung und Stigmatisierung der Berichterstatter*innen.

Diese ist Alltag in Bundesstaaten wie Chihuahua, Puebla, Veracruz oder Guerrero, die als besonders riskant gelten und wo auch immer wieder staatliche Institutionen oder Mandatsträger zu den Akteuren gehören, die die Pressefreiheit angreifen. Positiv ist, dass sich die künftige Präsidentin Mexikos dazu verpflichtet hat, dass zu ändern. Allerdings bleibt es abzuwarten, ob Sheinbaum die Agenda nach ihrer Vereidigung am 1. Oktober auch zügig umsetzen kann. Unstrittig ist, dass es Widerstände geben wird und dass für die Umsetzung auf allen Ebenen zusätzliches Personal nötig sein wird: in der Justiz und bei den Sicherheitsbehörden.

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