Abschluss als Allrounder

In Darmstadt erwerben junge Leute das Rüstzeug für bessere Zeiten

Brauchen wir Online-Journalisten? Der Dunst einer medialen Revolution mit weitreichenden Folgen für den Journalismus hat sich schneller aufgelöst als der Morgennebel. Von multimedialer Verknüpfung kaum eine Spur. Denken in kleinen Kästchen, Online-Journalismus ist eines davon. Vielleicht konnte das Internet seine multimediale Potenz als dialogisches Medium deshalb nicht in Stellung bringen, weil es zu Zeiten des Hypes keine spezialisierte Ausbildung gegeben hat.

An der FH Darmstadt trotzt man der Krise und bietet acht Semester zum Diplom-Online-Journalisten an. Prof. Dr. Klaus Meier, stellvertretender Leiter des Studiengangs, glaubt an die Notwendigkeit, Journalisten auszubilden, die besondere Kenntnisse und Fertigkeiten im Bereich der Neuen Medien mitbringen: „In erster Linie bilden wir Journalisten aus.“ Dazu gehören alle Stilformen, die im Printbereich gefordert werden, Einstiege in die Arbeit mit Ton- und Bildmaterial, Recherchetechniken, bei denen die Onlinerecherche nur ein Mittel der Informationsgewinnung darstellt. „Unsere Absolventen sind Allrounder, die sich einfach intensiver mit der Umsetzung von Onlineprojekten befasst haben.“ Um diesem Anspruch gerecht zu werden, besuchen die Studenten unter anderem Veranstaltungen in den Bereichen Sozial- und Kulturwissenschaft, Recht, Medienökonomie. Mehr noch, die Absolventen sollen zusätzlich auch eine Fremdsprache für sich journalistisch nutzbar machen. Die derzeitige Schwäche der journalistischen Angebote im Netz sieht Dr. Meier gelassen: „Die Online-Nutzungszahlen steigen weiter, und es gibt bei den Lesern unter 30 Jahre mehr Online-Leser als Zeitungsabonnenten. Ich behaupte, der Imagetransfer eines Online-Auftritts zu seinem Print-Pendant funktioniert immer besser und ist weder für die Verlage noch für die Werbewirtschaft dauerhaft zu ignorieren.“ Die diplomierten Onliner aus Darmstadt-Dieburg werden sich bewähren, wenn es darum geht, die Schnittstelle zwischen Print-Objekt und Onlineauftritt zu organisieren, das Workflow-Management in den Griff zu kriegen oder Mitarbeiterzeitungen über das Intranet zu verbreiten.

Entscheidung für PR

„Auch den Bereich der Online-PR sollte man nicht unterschätzen“, erklärt Meier, „Etwa die Hälfte der derzeit 86 Studenten werden sich im Schwerpunktfach nicht für Journalistik sondern für PR entscheiden.“

Tendenzen zur Integration der Online-Spezifika in das herkömmliche Berufsbild „Journalismus“ finden sich auch jenseits der Universität. Die Henri-Nannen-Schule von Gruner + Jahr hatte im Herbst 2000 neben der bisherigen Journalistenausbildung 13 Online-Volontäre angenommen, die in 24 Monaten zu Online-Redakteuren ausgebildet wurden. Einige von ihnen mussten – beispielsweise wegen Schließung der „Computer Channel“-Redaktion – während der Ausbildung intern wechseln, 2002 wurde das Projekt wieder eingestellt. Schulleiterin Ingrid Kolb sieht nach wie vor Perspektiven für Online-Journalismus, nur müssten zunächst die üblichen Anforderungen erlernt werden. Deshalb spare die HNS nicht an der traditionellen Ausbildung, und integriere die Besonderheiten des Schreibens für das Netz.

Ähnlich bei der Deutschen Welle, die ihre Ausbildung zum Online-Redakteur in ein Modell mit den drei Säulen Radio, TV und Online integriert hat. Laut Ausbildungsbeauftragtem Bernhard Graf v.d. Schulenburg sind journalistische Inhalte das Wichtigste. „Ziel unserer Ausbildung ist sowohl die Vermittlung des journalistischen Handwerks als auch der medialen Sach- und Vermittlungskompetenz.

Dies gilt medienübergreifend für Radio, TV und Online“. 2001 begann auch die Georg von Holtzbrinck-Schule (Verlagsgruppe Handelsblatt) mit der Ausbildung von Online-Redakteuren. „Neben journalistischen Inhalten werden in der Online-Ausbildung zusätzlich die technischen Grundlagen für das Publizieren im Web vermittelt“ steht auf den Webseiten zu lesen, der erste Lehrgang wird im März 2003 beendet sein. Danach wird auch hier die Trennung von Volontären und Online-Volontären zu Gunsten einer integrierten Ausbildung mit Online-Teil aufgegeben, so der neue Leiter der Schule, Joachim Weidemann.

Auch die Journalistenakademie Dr. Hooffacker & Partner in München bildet zum Online-Journalisten aus – der Lehrgang richtet sich an Hochschulabsolventen mit journalistischen Erfahrungen, ist aktuell von neun auf sechs Monate verkürzt worden und vermittelt journalistische Basis-Qualifikation sowie technische Kenntnisse. Grund der Kürzung waren Mittelstreichungen in der Förderung durch das Arbeitsamt. Gabriele Hooffacker ist auch Autorin des Lehrbuchs „Online-Journalismus“, ihre Akademie hat im September 2002 fast sechzig in diesem Bereich tätige Fortbildungsinstitute befragt. Auch hier zeigt sich, dass „in der Praxis vorwiegend allgemein journalistische Kenntnisse vermittelt“ werden.

Hooffacker interpretiert: Es habe sich „die Erkenntnis durchgesetzt, dass es sich beim Online-Journalismus vorwiegend um ein journalistisches Berufsbild handelt, zu dem zuallererst Beherrschen des journalistischen Handwerks gehört“. Die vollständige Studie soll im kommenden Jahr auch zum Download bereit gestellt werden, zugleich bietet die Webseite einen guten Überblick über die Fortbildungsinstitute.

Henri Nannen Schule /www.hns.de

Ausbildungsseiten der Deutschen Welle http://dw-world.de/german/0,3367,3007,00.html

Georg von Holtzbrinck-Schule www.holtzbrinck-schule.de

Journalistenakademie Dr. Hooffacker & Partner www.journalistenakademie.de

Die Studie von Dr. Hooffacker www.online-journalismus.org/studieonline/index.html

 

nach oben

Weitere aktuelle Beiträge

Preis für behinderte Medienschaffende

Zum zweiten Mal schreibt in diesem Jahr die gewerkschaftsnahe Otto Brenner Stiftung zwei Preise und Stipendien für Journalist*innen mit Behinderung aus. Damit soll „ein klares Signal für die Förderung von Diversität als unverzichtbaren Wert in unserer demokratischen Gesellschaft“ gesetzt werden, sagt Jupp Legrand, Geschäftsführer der Stiftung. 
mehr »

KI darf keine KI-Texte nutzen

Die Diskussion über Möglichkeiten und Grenzen der KI im eigenen Metier wird Journalist*innen noch lange weiter beschäftigen. Bei der jüngsten ver.di-KI-Online-Veranstaltung ging es um den Anspruch an Gute Arbeit und Qualität. ver.di hat zum Einsatz von KI Positionen und ethische Leitlinien entwickelt. Bettina Hesse, Referentin für Medienpolitik, stellte das Papier vor, das die Bundesfachgruppe Medien, Journalismus und Film zum Einsatz von generativer Künstlicher Intelligenz im Journalismus erarbeitet hat.
mehr »

Unabhängige Medien in Gefahr

Beim ver.di-Medientag Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen diskutierten am 20. April rund 50 Teilnehmende im Zeitgeschichtlichen Forum in Leipzig die aktuelle Entwicklungen in der Medienlandschaft, die Diversität in den Medien und Angriffe auf Medienschaffende. Das alles auch vor dem Hintergrund, dass bei den kommenden Landtagswahlen in Thüringen, Sachsen und Brandenburg die AfD laut Umfragen stark profitiert. 
mehr »

Wie prekär ist der Journalismus?

„Daten statt Anekdoten“, das war das Ziel des Forschungsprojekts „Prekarisierung im Journalismus“ an der LMU München, das nun nach fast fünf Jahren mit einem internationalen Symposium in München endete. Zu den Daten aus Europa hatte auch die dju in ver.di ihren Beitrag geleistet, als sie ihre Mitglieder um Teilnahme an der Online-Befragung bat und in M über die Ergebnisse berichtete.
mehr »