Massives juristisches Vorgehen gegen Medien und die, die sie machen – ein Thema, mit dem wir uns schon jetzt und auch künftig verstärkt auseinandersetzen müssen. Nicht nur für unsere Mitglieder, die sich zunehmend Abmahnungen und Klagen gegenübersehen, sondern auch, weil wir selbst von einem solchen Fall betroffen sind.
Im Sommer ereilten uns zwei Abmahnungen mit beigefügten Unterlassungsverpflichtungserklärungen, für jeweils eine Formulierung in einer Pressemitteilung der dju in ver.di und im Text eines freien Autors auf „M Online“. Absender der Schriftstücke war Georg Friedrich Prinz von Preußen, Oberhaupt des Hauses Hohenzollern und Ururenkel des letzten deutschen Kaisers. Das Verrückte an der Sache: Beide Texte gaben bekannt, die dju in ver.di unterstütze den „Prinzenfonds“, einen von FragDenStaat ins Leben gerufenen Rechtshilfefonds für Historiker*innen und Journalist*innen, die von eben jenem Prinz von Preußen abgemahnt und verklagt werden.
Unterschrieben haben wir nichts. Und so stellte uns das Landgericht (LG) Berlin auf Antrag des Kaiser-Nachfahren eine Einstweilige Verfügung zu. Unser Widerspruch dagegen wurde in einer mündlichen Verhandlung im November zurückgewiesen – von der gleichen Kammer, die die Einstweilige Verfügung ausgestellt hatte. Wir werden Berufung beim Kammergericht einlegen.
In mindestens 120 Fällen ist Prinz von Preußen juristisch gegen Medien, Journalist*innen, Historiker*innen und Organisationen wie uns vorgegangen. Die Vorwürfe waren vielfältig. Nach eigenen Angaben auf der Website preussen.de habe die Familie der Hohenzollern sich damit „ausschließlich gegen Falschmeldungen zur Wehr gesetzt“ und daher mit diesem Vorgehen „einen Beitrag für die Öffentlichkeit geleistet“. Das ist in unseren Augen absurd.
Ein Beitrag für die Öffentlichkeit wäre es, die mediale und geschichtswissenschaftliche Debatte über die Restitutionsverhandlungen der Hohenzollern mit Brandenburg, Berlin und dem Bund sowie damit verbunden die Frage nach der Rolle des Adelshauses während des Nationalsozialismus zu fördern. Stattdessen steht zu befürchten, dass die Abmahn- und Klagewelle Prinz von Preußens zu einer Erstickung dieser Debatte führt. Ein freier und unbefangener Diskurs ist unter diesen Umständen nicht mehr möglich.
Das ist eine besorgniserregende Entwicklung mit Blick auf die Pressefreiheit, auch über den konkreten Fall der Hohenzollern hinaus. Nur die wenigsten Medien können oder wollen es auf eine juristische Auseinandersetzung ankommen lassen, ganz zu schweigen von einem Ritt durch die Instanzen. Am längeren Hebel sitzt offenbar, wer über die besseren Mittel verfügt. Sollte ein solches Vorgehen Schule machen, droht die Pressefreiheit großen Schaden zu nehmen.
Monique Hofmann, Bundesgeschäftsführerin der Deutschen Journalistinnen- und Journalisten-Union in ver.di