„Alfred“ sah rot

Vom Rausschmiss eines Redakteurs und dem Goldenen Maulkorb

Ihren Alt-Verleger Alfred Neven DuMont (79), der demnächst bei der Frankfurter Rundschau (FR) das Sagen hat, nennen die Kolleginnen und Kollegen des Kölner Stadt-Anzeigers gerne schon mal beim Vornamen – allerdings nur dann, wenn „der Alfred“ nicht in der Nähe ist.

Vor ziemlich genau zehn Jahren soll es „Alfred“, der Widerspruch im allgemeinen nur ungern hört, bei der Morgenlektüre der Frankfurter Rundschau einmal für kurze Zeit die Sprache verschlagen haben. Das links-liberale Blatt hatte in seiner Ausgabe vom 8. August 1996 ausführlich über den Rauswurf eines langjährigen Redakteurs des „Kölner Stadt-Anzeigers“ berichtet. Dessen Vergehen: Er hatte am 24. Juli für den Reiseteil den Beitrag eines freien Journalisten über die Verquickung zwischen Reisebuchverlagen und Reiseunternehmen ins Blatt genommen. Ein Beitrag, der zuvor bereits von anderen Tageszeitungen und diversen Rundfunksendern veröffentlicht worden war. Stein des Anstoßes: Im Artikel erwähnt war auch die Beteiligung des Verlages DuMont Schauberg als Herausgeber der bekannten DuMont-Reiseführer an einem Münchener Veranstalter für Studienreisen.
Dem seit 25 Jahren für den Stadtanzeiger tätigen Redakteur Hartmut Schergel nutzte es nichts, dass er in der Redaktionskonferenz auf die Nennung des Namens DuMont hingewiesen hatte und der Artikel vom Chefredakteur abgenommen worden war. „Alfred“ war offenbar über den Vorgang so erregt, dass er rot sah, seinen Urlaub unterbrach und Köln erst wieder verließ, als dem Reiseredakteur am 6. August die fristlose Kündigung übergeben worden war.
Der FR-Artikel ließ „Alfred“ zwei Tage später wohl erneut rot sehen. Wurde in ihm doch das Image des liberalen Verlegers heftig in Frage gestellt. Offenkundig voller Wut ließ er umgehend den Vertrag über einen Auslandskorrespondenten-Pool mit der FR kündigen. Erst nachdem die FR am 5. September 1996 einen als „Gegendarstellung“ betitelten Meinungsbeitrag des Kölner Verlagshauses veröffentlichte, ließ „Alfred“ die Kündigung des Vertrags mit der FR zurückziehen. „Einen Kniefall der Rundschau“ nannte dies die Zeitschrift «M» der seinerzeitigen IG Medien. Von „Sabotage“ und dem Versuch eines Verlegers, „mit allen Mitteln unabhängigen Journalismus zu behindern“, schrieb der Medienexperte Horst Röper in der Zeit.
Die dju würdigte das Verhalten des Patriarchen von Köln auf ihre Weise und verlieh ihm Ende November 1996 in Abwesenheit den „Goldenen Maulkorb“. Er habe „weit über die Grenzen Kölns hinaus gezeigt, dass er als Verleger und Herausgeber bereit ist, faktengetreue Berichterstattung ureigenen wirtschaftlichen Interessen zu opfern“.
Die Kündigung von Hartmut Schergel wurde einige Monate später vom Arbeitsgericht Köln verworfen. Er musste weiterbeschäftigt werden, da keine Gründe für eine Kündigung vorgelegen hatten. Die 15. Kammer des Kölner Arbeitsgerichts war der Argumentation des Hauses DuMont nicht gefolgt, dass der Redakteur ein „publizistisches Sicherheitsrisiko“ sei, das unverzüglich entfernt werden müsse. Die Vorsitzende Richterin stellte in der mündlichen Urteilsbegründung fest, er habe sich weder tendenzwidrig noch geschäftsschädigend verhalten. Für „Alfred“ war damit wohl der Punkt erreicht, wo jedes weitere Vorgehen dem Ansehen der Zeitung, des Hauses DuMont und seinem eigenen als Ehrenbürger Kölns weiteren Schaden zugefügt hätte. Schließlich hatten allein Dutzende von Journalisten die Verhandlungen vor dem Arbeitsgericht verfolgt.
Hartmut Schergel arbeitete anschließend noch bis 2005 als Redakteur beim Kölner Stadt-Anzeiger und ist seitdem in der passiven Phase seiner Altersteilzeit.

 
nach oben

Weitere aktuelle Beiträge

Feminismus trifft Klassenkampf im Film

Das Internationale Frauenfilmfest (IFFF) wirft einen sehr außergewöhnlichen Blick auf die Arbeitswelt von Frauen im Film. Damit kommt es beim Publikum gut an und liegt voll im Trend. Denn es geht um Frauensolidarität, Antirassismus, Antisexismus und Klassenkampf. Bei der 41. Ausgabe des Festivals vom 16. bis 21. April in Köln gab es volle Kinosäle. Der Schwerpunkt der von Frauen produzierten Filme aus aller Welt lag in diesem Jahr auf dem Horrorgenre.
mehr »

Medienhäuser müssen Journalisten schützen

„Die Pressefreiheit ist auch in Deutschland zunehmend bedroht”, kritisiert die Bundesvorsitzende der Deutschen Journalistinnen- und Journalistenunion (dju) in ver.di, Tina Groll, zum Internationalen Tag der Pressefreiheit. Die dju in ver.di verzeichne mit großer Sorge eine wachsende Anzahl der Angriffe, die die Gewerkschaft für Medienschaffende in einem internen Monitoring festhält.
mehr »

Spanien: Als Terrorist beschuldigt

Der katalanische Investigativjournalist Jesús Rodríguez hat Spanien verlassen, um ins Exil in die Schweiz zu gehen. Ihm wird von Ermittlungsrichter Manuel García-Castellón die Unterstützung terroristischer Akte vorgeworfen. Die Schweiz sieht im Vorgehen der spanischen Justiz gegen den Katalanen einen „politischen Charakter“.
mehr »

Preis für behinderte Medienschaffende

Zum zweiten Mal schreibt in diesem Jahr die gewerkschaftsnahe Otto Brenner Stiftung zwei Preise und Stipendien für Journalist*innen mit Behinderung aus. Damit soll „ein klares Signal für die Förderung von Diversität als unverzichtbaren Wert in unserer demokratischen Gesellschaft“ gesetzt werden, sagt Jupp Legrand, Geschäftsführer der Stiftung. 
mehr »