Türkischsprachige Medien haben sich in Deutschland etabliert
Immer mehr türkischsprachige Zeitungen und Fernsehsender haben sich in den letzten Jahren in Deutschland etabliert und sind ein Teil der hiesigen Medienlandschaft geworden. Sie beeinflussen die Meinungsbildung von mehr als zwei Millionen Menschen in der Bundesrepublik. Politiker kritisieren diesen Zustand. Türkische Journalistinnen und Journalisten treten für den Erhalt der Kommunikationssprache türkisch ein.
Heute können Leserinnen und Leser die wichtigsten türkischen Tageszeitungen an jedem deutschen Kiosk kaufen. Bei den meisten wird der Mantel aus der Türkei geliefert. In Deutschland ansässige Redakteurinnen und Redakteure produzieren zusätzlich so genannte Europa-Seiten. Hier werden lokale und regionale Ereignisse, aber auch für die türkische Bevölkerung bedeutsame nationale Geschehnisse in den europäischen Ländern beleuchtet. Bis vor einigen Jahren kamen die Journalistinnen und Journalisten meist aus der Türkei. Jetzt arbeiten immer mehr in Deutschland aufgewachsene Türkinnen und Türken in den Redaktionen. Die Zeitungen erreichen täglich eine Auflage von über 200.000 Exemplaren. Laut Untersuchungen lesen über die Hälfte (55%) der Türken nur türkischsprachige Zeitungen.
Des Weiteren gibt es zahlreiche ausschließlich in Deutschland produzierte Zeitungen und Zeitschriften, die wöchentlich oder jeden Monat erscheinen. Eine Vielzahl dieser oft regional publizierten Medien wird nicht zum Kauf angeboten. Sie werden über Werbeeinnahmen finanziert und beispielsweise in Supermärkten, Arztpraxen, Restaurants oder beim Friseur kostenlos ausgelegt.
24-Stunden-Vollprogramm
Mit großem Interesse werden die Programme von Fernseh- und Radiosendern, die ihre Zentrale in der Türkei haben, von der türkischsprachigen Bevölkerung verfolgt. Fast jeder türkische Haushalt verfügt heute über eine Satellitenanlage. Es wird geschätzt, dass über die Hälfte der Türken täglich mehr als drei Stunden fernsieht. So ist Metropol FM der erste türkischsprachige Radiosender in Deutschland, der gezielt ein Programm für „Deutschtürken“ macht. Bereits seit Juni 1999 wird das 24-Stunden-Vollprogramm in Berlin gesendet und seit 2004 in weiteren Bundesländern.
Die Geschichte der türkischen Medien in Europa beginnt nicht mit der Migration der Türken in den sechziger Jahren. Sie reicht bis ins 19. Jahrhundert zurück. Intellektuelle, die während des Osmanischen Reiches ins Exil nach Großbritannien oder Frankreich gehen mussten oder freiwillig gegangen sind, haben dort die ersten Zeitungen publiziert. Eine wichtige Rolle spielten dabei die Jungtürken, die die politischen und gesellschaftlichen Veränderungen in Europa beobachtet haben. Ihre heimlich in das Osmanische Reich eingeschleusten Zeitungen waren damals der Motor für die beginnende Aufklärung in der Türkei. Der türkische Journalismus in Deutschland und Westeuropa basiert auf diesem Fundament. Auch wenn viele dies nicht zur Kenntnis nehmen wollen. Die erste türkische Zeitung für die türkischen Gastarbeiter in Deutschland, Aksam, wurde 1970 in München gedruckt. Es folgten Tercüman, Hürriyet und Milliyet.
In Deutschland stehen immer wieder Zeitungen, Radios und TV-Sender, welche die türkischsprachige Bevölkerung nutzt, im Fokus. Meistens werden sie hinsichtlich ihrer Rolle, die sie für die Integration spielen, untersucht. Manch einer fragt sogar: „Inwieweit unterstützen die türkischen Journalistinnen und Journalisten die Integration?“ Die Aufgabe der türkischen Medien ist nicht die Integration der Türken in Deutschland, sie kann es auch nicht sein. Die Hauptaufgabe der türkischen Redakteurinnen und Redakteure ist es, die Leserinnen und Leser mit aktuellen, interessanten und spannenden Informationen zu versorgen. Das bedeutet aber keinesfalls, dass sich die türkischen Medien nicht um eine stärkere integrations- und verständnisfördernde Berichterstattung bemühen sollen. Selbstverständlich sollte guter Journalismus dazu beitragen, dass sich Türken aktiv als freiheitsliebende, kritische und informierte Mitbürger an dem Leben in Deutschland beteiligen. Türkischsprachige Medien müssen sich ebenso fragen, inwieweit sie dies bisher in ausreichendem Maße getan haben. Gegenüber kritischen Fragen von außen sollten sie offen sein.
Bereicherung der Gesellschaft
Der hessische Ministerpräsident Roland Koch sagte auf der „Konferenz deutscher und ausländischer Printmedien in Hessen“ in seiner Eröffnungsrede: „…Und dann muss ein Politiker, der für Deutschland Verantwortung hat in einem Bundesland, auch sehr klar sagen, dass ihm Sorge macht, dass 55 Prozent der in Deutschland lebenden Türken ausschließlich türkische Tageszeitungen lesen und rund die Hälfte auch ausschließlich türkisches Fernsehen sieht…“ Für Koch ist diese Situation ein Zeichen dafür, dass die Türken in einer völlig anderen Welt – weit weg von der deutschen Gesellschaft – leben. Diese „Sorge“ wird übrigens von vielen deutschen Politikern geteilt.
Wichtig ist letztendlich, welche Informationen die Menschen erhalten und nicht in welcher Sprache. Aus diesem Blickwinkel werden türkische Medien genauso kritisch betrachtet wie deutsche. Sie müssen sich auf der einen Seite an journalistischen Qualitätsstandards messen lassen als Teil der Medienszene dieses Landes. Auf der anderen Seite erwarten türkische Medienschaffende eine positive Einstellung der Gesellschaft ihnen gegenüber, was sich in der Anerkennung ihrer Kommunikationssprache ausdrückt. Deshalb ist es am Besten, türkischsprachige Medien als eine Bereicherung für die Gesellschaft zu betrachten und diese Vielfalt zu genießen.
Gürsel Köksal, Redakteur, Tageszeitung „Milliyet“,
Kemal Çalık, Redakteur, Verlagsgruppe Deutscher Fachverlag,
beide sind Mitglied des Bundes türkischer Journalistinnen und Journalisten in Europa und der dju
Bund türkischer Journalist-Innen in Europa
Der Bund türkischer JournalistInnen in Europa (ATGB) ist ein Zusammenschluss der in Europa lebenden und arbeitenden Journalistinnen und Journalisten. Der Bund mit seiner Hauptstelle in Frankfurt am Main ist offen für Medienarbeiter aus allen Bereichen. Das Hauptziel ist es, auf berufliche Fragen der Mitglieder Antworten zu finden, sie in ihrem Beruf zu unterstützen, die Berufsethik zu fördern und für die berufliche Weiter- und Fortbildung zu sorgen. Zu diesen Themen führt er Veranstaltungen durch.
Der ATGB entstand auf Initiative einer Journalistengruppe 2002 in Frankfurt am Main, der heimlichen Hauptstadt der türkischen Presse in Deutschland. Eine aus dieser Initiative hervorgehende Gründungserklärung wurde etwa von 100 Journalisten unterzeichnet und anschließend auf der Gründungsversammlung verabschiedet. In der Gründungserklärung wird festgelegt, dass der ATGB sich dafür einsetzt, dass seine Mitglieder im Rahmen des Pressekodexes arbeiten.
In den vergangenen zwei Jahren konnten in Deutschland, Frankreich, Belgien, den Niederlanden, Schweden und Griechenland neue Mitglieder gewonnen werden. Der Aufbau der lokalen Organisationen dauert an.
Dem Vorstand gehören folgende Personen an:
Gürsel Köksal (Vorsitzender, Milliyet-Frankfurt),
Ilyas Meç (Hessischer Rundfunk-Frankfurt),
Osman Çutsay (Cumhuriyet-Frankfurt),
Irfan Ergi (Freier Journalist-Frankfurt),
Fikret Aydemir (Sabah-Brüksel),
Fahri Erfiliz (Freier Journalist-Frankfurt),
Attila Azrak (Freier Journalist-Köln).