Bilderschlachten

Ein Rückblick auf 2000 Jahre Kriegsberichterstattung

„Bilderschlachten“ heißt eine Ausstellung, die ab dem 22. April in drei Osnabrücker Museen zu sehen ist. Insgesamt 250 Exponate über die 2000 Jahre zurück reichende Geschichte der Kriegsberichterstattung können besichtigt werden. „Neben der technischen Entwicklung der Nachrichtenübermittlung seit der Antike und der Entstehung der Massenmedien im 19. Jahrhundert sollen Arbeiten von Medienkünstlern zur weiteren Auseinandersetzung anregen“, so der künstlerische Projektleiter Hermann Nöring.

Im Jahre 9 nach Christi wurde die Nachricht von der Niederlage der römischen Legionen gegen die Germanen – die Hermannsschlacht – durch einen berittenen Boten über den Cursus Publicus verbreitet. Der kurz zuvor von Kaiser Augustus eingeführte zivile römische Botendienst führte zu einer sprunghaften Beschleunigung der Frontberichterstattung.
Die Hermannsschlacht ist Ausgangspunkt des ersten Teils der Ausstellung. Das Museum für Industriekultur zeigt unter dem Titel „Von Staffelläufern zur Fotografie“ anhand von zeitgenössischen Darstellungen und technischen Exponaten die Geschichte der Symbiose von Medien und Krieg bis zum ersten Weltkrieg. Das Modell eines römischen Signalturms, der den Römern zur Übermittlung von Nachrichten im Kriege diente, ist nach dem Vorbild eines in der Nähe von Bielefeld ausgegrabenen Fundaments eines solchen Turms rekonstruiert. Genau 1.600 Jahre später – im Vorfeld des Dreißigjährigen Krieges – brachte die Post täglich Meldungen über die eskalierende politische Situation im Land. Der Drucker Julius von Söhne kam auf die Idee, diese Meldungen zu sammeln und periodisch zu veröffentlichen. Das Produkt nannte er „Aviso“ – für „Ankündigung“ oder auch „Nachricht“ – die wahrscheinlich erste Zeitung war geboren. Im Dreißigjährigen Krieg konnte sich das moderne Zeitungswesen dann etablieren.
Die eindrucksvollsten Ausstellungsstücke aus dieser Zeit sind sicherlich die großen Schlachtenbilder. Auffallend dabei ist, dass die Maler stets dieselbe Perspektive einnehmen – den Blick vom Kommandohügel auf die Schlacht. Erst mit der Einführung der Fotografie ändert sich die Perspektive des Betrachters. Die Kriegsfotografen im ausgehenden 19. Jahrhundert pflegten mit den einfachen Soldaten zu reisen. Ihre Bilder sind oft eher Zeugnisse des Lebens an der Front als der Schlachten selber. Denn während sie zuvor vor allem für die Entscheidungsträger Schlachtverläufe vermittelten, berichteten sie nun auch zunehmend für die Zurückgebliebenen in der Heimat. Zusammen mit zahlreichen ausgestellten Frontbriefen offenbaren ihre Arbeiten einen Einblick in das seelische Leben der Soldaten jener Zeit. Aber auch Gräueltaten standen damals schon auf der Agenda der Kriegsreporter.
Der zweite Teil der Ausstellung, der in der Kunsthalle Dominikanerkirche zu sehen ist, beschäftigt sich mit der Kriegsberichterstattung im 20. und 21. Jahrhundert. Im Mittelpunkt stehen vor allem die Entwicklung der Propaganda mit den daraus resultierenden Einschränkungen der Berichterstattung sowie das Aufbrechen dieser Einschränkungen durch moderne Kommunikationswege. Neben zahlreichen medialen Produkten und deren Erläuterungen wird die Berichterstattung durch Kunstobjekte – Installationen, Collagen, Skulpturen und interaktive Arbeiten – reflektiert. So hängen Robert Capas Photographien von der Landung der alliierten Truppen in der Normandie beispielsweise neben einem riesigen Modell eines LKWs – dem „Phantom Truck“ von Inigo Manglano-Ovalles. Der „Phantom Truck“, der auch schon auf der Dokumenta 12 und in New York zu sehen war, kann als Materialisation einer Propagandalüge verstanden werden. „Mit diesem Nachbau eines fiktiven mobilen Labors spielt Ovalle auf die Begründung des Irak-Kriegs durch die USA an“, erklärt Hermann Nöring. Damals zeigte Collin Powell der Vollversammlung der Vereinten Nationen Grafiken und Bilder als vermeintliche Beweise für die Existenz von Massenvernichtungswaffen im Irak. Der „Phantom Truck“ soll auf Grundlage dieser Bilder modelliert worden sein.
Die aktuellste Kunst wird im Erich Maria Remarque-Friedenszentrum ausgestellt. Dieser dritte Teil der Ausstellung dient auch der Zusammenfassung. Ruth Schnells Videoinstallation „Target“ setzt sich mit den Technologien und der Rezeption der modernen Kriegsführung auseinander. Sie benutzt reale Kriegsbilder und bearbeitet sie so, dass sie Computerspielen ähneln. Ein Unterschied ist kaum festzustellen.
Seit den Boten des Cursus Publicus hat sich die Kriegsberichterstattung vor allem beschleunigt. Durch möglichst realistische Darstellung soll Nähe zum Schlachtfeld suggeriert werden. Fotografie statt Malerei, Farbe statt Schwarz/Weiß, bewegte statt starre Bilder und Interaktivität statt Passivität – all diese technischen Erneuerungen versuchten die Mauer zwischen Rezipienten und Schlachtfeld einzureißen. Doch letztendlich täuscht zeitnahe, realistisch anmutende Berichterstattung darüber hinweg, dass Kriegserfahrungen nicht vorm Fernseher erlebt werden können. So schließt auch die Ausstellung mit einem Exponat ab, das den Betrachter bei aller medialer Kriegsvermittlung daran erinnert, das Kriege real sind und im Hier geschehen – ein Granatsplitter aus dem Zweiten Weltkrieg.
 

nach oben

Weitere aktuelle Beiträge

Preis für behinderte Medienschaffende

Zum zweiten Mal schreibt in diesem Jahr die gewerkschaftsnahe Otto Brenner Stiftung zwei Preise und Stipendien für Journalist*innen mit Behinderung aus. Damit soll „ein klares Signal für die Förderung von Diversität als unverzichtbaren Wert in unserer demokratischen Gesellschaft“ gesetzt werden, sagt Jupp Legrand, Geschäftsführer der Stiftung. 
mehr »

KI darf keine KI-Texte nutzen

Die Diskussion über Möglichkeiten und Grenzen der KI im eigenen Metier wird Journalist*innen noch lange weiter beschäftigen. Bei der jüngsten ver.di-KI-Online-Veranstaltung ging es um den Anspruch an Gute Arbeit und Qualität. ver.di hat zum Einsatz von KI Positionen und ethische Leitlinien entwickelt. Bettina Hesse, Referentin für Medienpolitik, stellte das Papier vor, das die Bundesfachgruppe Medien, Journalismus und Film zum Einsatz von generativer Künstlicher Intelligenz im Journalismus erarbeitet hat.
mehr »

Unabhängige Medien in Gefahr

Beim ver.di-Medientag Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen diskutierten am 20. April rund 50 Teilnehmende im Zeitgeschichtlichen Forum in Leipzig die aktuelle Entwicklungen in der Medienlandschaft, die Diversität in den Medien und Angriffe auf Medienschaffende. Das alles auch vor dem Hintergrund, dass bei den kommenden Landtagswahlen in Thüringen, Sachsen und Brandenburg die AfD laut Umfragen stark profitiert. 
mehr »

Wie prekär ist der Journalismus?

„Daten statt Anekdoten“, das war das Ziel des Forschungsprojekts „Prekarisierung im Journalismus“ an der LMU München, das nun nach fast fünf Jahren mit einem internationalen Symposium in München endete. Zu den Daten aus Europa hatte auch die dju in ver.di ihren Beitrag geleistet, als sie ihre Mitglieder um Teilnahme an der Online-Befragung bat und in M über die Ergebnisse berichtete.
mehr »