Digitaltechnik sucht Inhalte – Crossmedia führt zu neuen Kommunikationswegen und krempelt klassische Berufsfelder um
Während in manchen Verlagen noch diskutiert wird, ob der Webauftritt integraler Bestandteil der Zeitung und die für Inhalte zuständigen Mitarbeiter deshalb Redakteure sind, ist der Zug der Mediendigitalisierung längst weiter gefahren. Crossmedia ist der neue Trend, der nicht nur bei den traditionellen Inhalteproduzenten die Kasse klingeln lassen soll. Dabei verwischen die Grenzen zwischen alten und neuen Medien, zwischen Journalismus, PR und Handel – es entstehen auch völlig neue Berufe.
Bundesweit ist Alba vor allem als Entsorgungsunternehmen und Sponsor des Basketballteams Alba Berlin bekannt. Doch das wird sich bald ändern: „Ja, wir haben eine eigene Redaktion“, sagt Jürgen Jaschke, der allerdings nicht die Pressestelle der Müllfirma leitet.
Er ist vielmehr Geschäftsführer des Tochterunternehmens Albanet, das einen neuen Dienst anbietet, der in Berlin-Brandenburg schon von zwei Wohnungsunternehmen und zwei Kabelnetzbetreibern für zehntausende Haushalte genutzt wird. „Service TV“ ist ein interaktives Fernsehportal, das vor allem regionale und lokale Inhalte, Unterhaltung und Kommunikation bietet. Das Besondere daran: Die Mieter mit einer Kabelbox haben „Service TV“ als ein zusätzliches Programm auf ihrem TV-Bildschirm, dabei sind es nicht Rundfunksignale, sondern Datenströme im Format des Internetprotokolls (IP), die wie ein moderner Videotext daherkommen.
Kontakt per E-Mail
Die Interaktion mit den Nutzern entsteht nicht nur, indem sie ein- und ausschalten. Durch eine Navigationsleiste auf der linken Bildschirmseite kann sich jeder Kunde per Fernbedienung im „Service-TV“tagesaktuelle News, Veranstaltungstipps, Ratgeberthemen, Klatsch & Tratsch abrufen oder das örtliche Branchenbuch durchblättern. Die Plattform bietet eine umfassende TV-Programmvorschau, etliche Video- und PC-Spiele, eine Videothek mit 200 Filmen sowie Lotto und andere Glücksspiele an. Für Wohnungsunternehmen als Kabelbesitzer besonders attraktiv: Der Kontakt zwischen Mietern und dem Hausmeister oder der Wohnungsverwaltung kann über E-Mail erfolgen. Zusätzlich laufen die aus dem Internet bekannten Funktionen wie E-Mails, Chats, Homeshopping und Telebanking.
„Wir sind so eine Mischung von Schwarzem Brett, Notdienst und Kiez-Marktplatz“, beschreibt Jaschke das multimediale Angebot. Und Redaktionsleiterin Dagmar Zurawski sieht „Service TV“ als lokales Medium der neuen Art. Es soll weder die Radiosender oder TV-Programme vor Ort und schon gar nicht die Regionalzeitung oder das Anzeigenblatt ersetzen. Eher ergänzen, denn die Inhalte werden von profilierten lokalen Anbietern zugeliefert und in der kleinen Albanet-Redaktion nur neu konfektioniert.
Und die Konvergenz der Medien verleiht der Verschmelzung von Individual- mit Massenkommunikation, der Verwischung von Grenzen zwischen Journalismus und Werbung / PR sowie dem Zusammenwachsen von Kommunikation und Vertrieb / Handel (der berüchtigte Klick von der Buchrezension zu amazon.de) weiter Vorschub.
So bietet das digitale Antennenfernsehen DVB-T die Möglichkeit, außer Fernsehprogramme auch lokale Dienste als Datenströme zu verbreiten, die auf Handys der neueren Generation bald genutzt werden können.
Zum Beispiel der Service „What’s up?“ von Touch Mobile. Dabei stellt die Firma einen interaktiven Stadtführer mit aktuellem Kino-Programm (mit kurzer Inhaltsbeschreibung), Restaurant-Tipps (mit Gastro-Kritik) und Event-Empfehlungen zur Verfügung. Ausgestrahlt über DVB-T ist er für alle im Sendegebiet nutzbar, gestattet es, ein Restaurant vorab zu betrachten oder neue Filmtrailer anzusehen. Selbst Platzreservierungen und Ticketkauf sind sofort möglich. Ein Stadtplan mit Wegbeschreibung führt dank Handy-Lokalisation den Nutzer zum richtigen Ort. Und die Kosten (Abo und / oder Einzelabruf) im einstelligen Euro-Bereich halten sich in Grenzen. „In Berlin“, so Touch-Mobile-Geschäftsführerin Dr. Silvia Kienberger, „wird das Ganze in Kooperation mit dem führenden Stadtmagazin Tip“ realisiert.
Content managen
Aber sind das Journalisten, womöglich noch nach den klassischen Tarifen für Print oder Fernsehen bezahlte, die da in den neuen Multimedia-Redaktionen werkeln? Wohl kaum. Eigentlich sind es Contentmanager, nur: für die gibt es weder ein Berufsprofil noch einen Tarifvertrag. Und „Service TV“ aus dem Kabelbereich oder „What’s up?“ bei Mobilfunk / Digital-TV sind beileibe keine Einzelbeispiele. So bieten die Handynetzbetreiber wie T-mobil, E-plus oder O2 ihren Kunden schon eigenen Medienservice – von News über Unterhaltung bis zu aktuellem Sport. Auch Online-Dienste und Provider wie T-Online und AOL bieten Medieninhalte, werden mit AOL@radio oder T-Online.vision sogar zu einer Art Programmveranstalter oder Videothek. Selbst klassische Suchmaschinen wie Google schmücken sich nun mit einem Newsticker.
Zwar läuft das oft wie bei Albanet oder Touch Mobile in Kooperation mit traditionellen Medien – von „Bunte“ über das „heute“-Journal des ZDF bis zu „Bild“. Doch wird der Content nicht immer im perfekt passenden Format angeliefert und automatisch eingestellt, oft muss auch gesichtet, sortiert, bearbeitet werden. Eben redaktionelle bzw. journalistische Arbeit in Unternehmen, die bislang ausschließlich Gegenstand journalistischer Berichterstattung waren. Da mutet die Debatte um Online-Journalisten fast schon so antiquiert wie der berüchtigte Theologen-Streit an, ob die Engel weiblichen oder männlichen Geschlechts sind.