In Berlin hat sich am 19. April der „Bundesverband lesbischer und schwuler JournalistInnen e.V.“ gegründet
Hast Du schon bezahlt?“ Eilig hatte es das Duo am „Begrüßungs-Desk“, und wer als weit Angereister nicht vom Leben bestraft werden wollte, tat gut daran, die so angemahnten DM 80,- Mitgliedsbeitrag noch rasch zu entrichten. Irritierend nur, daß der dazugehörige Verein noch gar nicht existierte: Zur angestrebten Gründung des „Bundesverbands lesbischer und schwuler JournalistInnen e.V.“ hatte – nach mehrmonatiger Vorbereitungszeit und einem gescheiterten Versuch, sich in der IG Medien zu organisieren, wo man „fehlende Unabhängigkeit“ befürchtete – eine in der Szene namhafte Vorbereitungsgruppe um Dorothee Winden „(tageszeitung)“, Elmar Kraushaar (Deutsche Welle), Hans-Herman Kotte („Berliner Zeitung)“, Manuela Kay („Siegessäule“) und Rüdiger Becker (WDR) zum 19. April nach Berlin geladen.
Erst der dritte Verband weltweit
Das „historische Ereignis“ (Kraushaar), ursprünglich im repräsentativen Congress-Center in Berlin-Mitte geplant, war kurzentschlossen in die heimeligen Räume der Schwulenberatung in Charlottenburg verlegt worden, in den Kreis der „Familie“ also, was das gegenseitige Kennenlernen von knapp über 40 erschienenen Kolleginnen und Kollegen so divergierender Tageszeitungen wie „FAZ“ und „junge Welt“, erheblich beförderte. In gut drei Stunden wurden Vereinsziele diskutiert und die Satzung beschlossen. Damit war, nach den USA und Kanada, der weltweit dritte JournalistInnenverband dieser Art gegründet.
„Ich sehe mich hier nicht als Lobby-Journalist. Schwulen- und Lesbenthemen sind in meiner Arbeit nur zwei von vielen“, stellte ein Kollege klar. Neben natürlichen können auch „juristische Personen“ wie Vereine und Organisationen die Mitgliedschaft beantragen. „Der Verein“, so heißt es in der Satzung zu Aufgaben und Zielen, „vertritt die Interessen von Lesben und Schwulen, die im Journalismus arbeiten“ und „fördert und beobachtet die Berichterstattung über gleichgeschlechtliche Lebensweisen in den Medien“ – Arbeitstitel: „gay watch“. Die angeregte regelmäßige Herausgabe einer „Rosa Liste“ soll Medien auf lesben- wie schwulenpolitisch relevante Termine aufmerksam machen. Vor allem will der Bundesverband jedoch „zum Coming out am Arbeitsplatz ermutigen“ und Mitgliedern im Falle antihomosexueller Diskriminierung helfen. Wie das konkret geschehen soll, wird noch herauszufinden sein. „Man kann Presseerklärungen verschicken, die dann kein Blatt druckt“, kommentierte Versammlungsleiter Peter Jungblut (Bayrischer Rundfunk) vorerst etwas ratlos.
Unterschiedliche Probleme am Arbeitsplatz in mainstream-Medien …
Zudem soll durch die Arbeit des Bundesverbands die Öffentlichkeit, „insbesondere die Verantwortlichen in den Medien aller Art“ über Probleme und Anliegen von Lesben und Schwulen im Journalismus informieren sowie Kontaktbörse und Gesprächsforum sein. Hier indes wurden schnell Unterschiede deutlich: Homosexuelle Mitarbeiter in mainstream-Medien, die das Gros der überwiegend Berliner Gründungsmitglieder darstellten, sind naturgemäß mit ganz anderen Problemen am Arbeitsplatz und in der journalistischen Arbeit konfrontiert, als die übersichtliche Schar von Redakteurinnen und Redakteuren der kommerziellen Homo-Presse – ganz zu schweigen von ungezählten ehrenamtlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern bei landesweit etwa 70 kleineren nichtkommerziellen Lesben- und Schwulenblättern sowie diversen Radiomagazinen im Offenen Kanal.
… oder in der kommerziellen und nichtkommerziellen Homo-Presse
Es wird sich zeigen, wie (und ob) der Verband sie in Zukunft stärker einbeziehen kann, zur Gründung verirrten sich nur wenige von ihnen nach Berlin. Immerhin wurde nicht zuletzt Teilen der Homo-Presse durchaus „Verbesserungswürdigkeit“ attestiert. Colin de la Motte-Sherman („Die Andere Welt“) erhoffte in der Verbandsarbeit dennoch eine rege „gegenseitige Befruchtung“ der verschiedenen Gruppen.
Neben Georg Etscheid (dpa) wurden Elmar Kraushaar, Dorothee Winden, Susanne Kaiser (Freie Journalistin) in den vierköpfigen, per Satzung paritätisch zu besetzenden Vorstand gewählt, der somit aus immerhin drei ehemaligen bzw. jetzigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der „tageszeitung“ besteht. Diese „Einseitigkeit“ erklärt sich am ehesten mit der seit Jahren geübten Berichterstattung über Lesben- und Schwulenthemen in der TAZ, die in der Szene mit Wohlwollen registriert wurde und wird.
„Im Zerrspiegel der Medien“
Die unterschiedliche Wahrnehmung und Sensibilität homosexueller Themen in den mainstream-Medien – so steht etwa bei der FAZ das Wort „schwul“ immer noch auf der Liste zu vermeidender Wörter, sofern es nicht gerade um die Erwähnung des „Schwulenverbands in Deutschland (SVD)“ geht – und durch deren (heterosexuellen) Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter debattier-te man anschließend in der
Podiumsdiskussion „Lesben und Schwule – eine Minderheit im Zerrspiegel der Medien“ mit geladenen Vertretern von „Berliner Zeitung“, „tageszeitung“ und dem ORB/SFB-Jugendradio „Fritz“. Andere, wie der Springer Verlag, mochten trotz mehrfacher Aufforderung keinen Abgesandten in die seriöse Runde schicken. Hier scheint offensichtlich noch Aufklärungsarbeit notwendig.
Konnte Michael Rediske (tageszeitung) die „Ausnahmestellung“ seiner Zeitung mit ihrer Entstehungsgeschichte „von unten“ erklären („Wir wurden ja nicht einfach von einem großen Verlag gegründet, wohl deshalb sind wir das einzige Blatt mit einer offen lesbisch lebenden Chefredakteurin“), so zeigte sich doch schnell, daß homosexuelle Sichtbarkeit im allgemeinen meist nicht über den „schwulen Beitrag des Monats“ herausgeht. Konrad Kuhnt (Fritz) wandte ein, man sortiere Themen nicht in homo- oder heterosexuell. Immerhin habe die Fritz-Redaktion eine dreistündige Live-Diskussion zum Thema Homo-Ehe realisiert. Wann es den letzten thematisch rein lesbenbezogenen Beitrag gegeben habe, wußte keine(r) der Befragten so recht. „Bei uns“, so gestand Abini Zöllner („Berliner Zeitung“) ein, „sind ausschließlich lesbische Themen sehr selten.“ Den letzten Artikel müßte es während der Berliner Filmfestspiele im Februar gegeben haben.
Kritik fand insbesondere die überwiegend an spektakulären Homo-Kampagnen (wie der „Aktion Standesamt“ im Jahre 1992) orientierte oder bisweilen unnötig zurückhaltende Berichterstattung. „Wieso wird eigentlich Elton John immer noch als bisexuell bezeichnet?“ und „Warum liebt ihr gerade das Thema Homo-Ehe so sehr?“ waren vom Podium nicht durchweg überzeugend beantwortete Fragen. Ein schwuler Kollege half da auf die Sprünge: „,Ehe‘ ist ja wieder heterosexuell, da fühlen sie sich dann zuständig“.
Proteste aus dem „Opfer-Eckchen“
„Nicht immer aus dem Opfereckchen heraus argumentieren, sondern kreativ und aggressiv agieren“, mahnte Manuela Kay eine offensive Vereinsarbeit in der Öffentlichkeit an. „Ruhig mal mit Augenzwinkern und einem verbalen Arschtritt“. Ein Vorschlag, der beflügelte. Die erste Amtshandlung des frisch gewählten Vorstandes sollte dennoch, trotz anders verkündeter Absicht, das Verfassen von zwei Protestbriefen aus dem „Opfereckchen“ sein: Einen gegen die indirekte Internet-Zensur lesbisch-schwuler Inhalte, zuletzt geschehen am 15. 4. durch die auf Anweisung des Bundeskriminalamtes erfolgte Zugangssperrung zum niederländischen Internet-Server XS4ALL, ein anderer gegen die Durchsuchung von Redaktions- und Privaträumen bei Mitarbeitern des NRW-Schwulenblattes „ro-sa zone“ am 17. April. Letzteres mithin der erste Vorfall dieser Art seit Liberalisierung des Schwulen-Paragraphen § 175 im Jahre 1969.
Dirk Ruder, Schlips