Das Rundfunkstudio für unter 1000 Mark?

Praktische Ratschläge für freie Hörfunkzuarbeiter

Jeder heute verwendete Computer, egal ob PC, Mac, oder auch sogar manch „alter“ 486-ger, reicht als Basis aus, um Radiobeiträge und Features in CD-Qualität zuhause zu produzieren. Im Grunde braucht es nur zweier zusätzlicher Geräte, nämlich eine gute Soundkarte und ein Übertragungsmedium, beispielsweise ein Modem, einen CD-Brenner oder einen DAT-Rekorder. Wenige hundert Mark für Soundkarte samt Software – und schon kann’s losgehen.

Sündhaft teure Technik steht nicht nur in den Rundfunkhäusern herum, sondern auch manchmal in den Privatstudios freiberuflicher Journalistinnen und Journalisten. Tatsächlich brauchten sie bisher auch einen dicken Geldbeutel für einen Tonband-Schnittplatz samt Mischpult, oder, etwas moderner, für ein DIGAS-System. Günstiger geht es mit dem ebenfalls oft eingesetzten CUTMASTER. Der kostet dennoch im vierstelligen D-Mark-Bereich. Vorteil ist bei solchen Systemen, dass sie auch bei den Rundfunkhäusern eingesetzt werden und von daher keine unterschiedlichen Systeme erlernt werden müssen.

Produkte für Musiker helfen weiter

Dennoch, billiger und – meiner Erfahrung nach – vor allem auch einfacher geht es mit Produkten für Musiker. Eine gute Soundkarte, und hier empfehle ich beispielsweise von der Firma Turtle Beach Systems die Montego II, kostet weniger als DM 200,- und rauscht nicht, zumindest nicht hörbar.

Das ist ein wichtiges Kriterium. Viele PCs haben bereits serienmäßig eine Soundkarte dabei, manchmal sogar schon On-Board, also auf der Hauptplatine des PCs oder Macs. Doch die rauschen hörbar, und damit sind sie unbrauchbar für Hörfunk-Beiträge.

Zur Zeit empfehle ich eine andere Soundkarte. Eigentlich ist das gar keine Soundkarte mehr, sondern ein Audio-Interface, leistet aber dasselbe, ja sogar noch mehr. Die Firma ROLAND hat mit ihrem UA-30 ein für Musiker entworfenes, aber für Journalisten absolut geeignetes Gerät entwickelt. Es kostet allerdings zur Zeit deutlich mehr als obige Soundkarte, nämlich 600 Mark. Das Gerät braucht auch noch zwingend eine USB-Schnittstelle. Die ist bei neuen PCs, Macs und Notebooks immer mit dabei. Ältere Computer lassen sich für 30 bis 40 Mark nachrüsten.

Ein Vorteil des Geräts ist, dass es über ein Kabel mit dem Computer verbunden ist und so auf den Schreibtisch gestellt werden kann. Und weil es eben extern arbeitet, befinden sich am Gerät und damit in komfortabler Nähe Regler sowohl für die Lautstärke des Kopfhörerausganges als auch für die Pegel des Mikrofon- und des Line-Eingangs sowie zu guter letzt alle Chinch-Buchsen. Die sitzen bei Soundkarten meistens schwer zugänglich irgendwo hinten am Computer. Außerdem sind die Mikrofoneingänge von Soundkarten meistens unbrauchbar ohne einen externen Verstärker. Ich habe einige Zeit mit dem Vorverstärker meines Aufnahmegerätes gearbeitet, mit dem Nachteil, dass es immer mitlaufen musste. Mittlerweile besitze ich ein kleines Mischpult mit rauscharmen Vorverstärker und Equalizer, mit dem ich meine Stimme ein wenig dunkler färbe. Das geht natürlich auch mit der Software, ist aber immer mit zeitlichem Mehraufwand verbunden. Zuletzt hat das UA-30 noch einen weiteren Vorteil, weil es bereits optische Digital-Ein- und Ausgänge besitzt, wichtig für Leute mit DAT oder Minidisk.

Minidisks noch umstritten

Apropos Minidisk. Immer mal wieder bemängeln TontechnikerInnen, dass Minidisk-Rekorder leise Stellen schlecht wiedergeben. Bei Interviews folgt daraus selten ein tontechnisches Problem und die Nachbearbeitung ist mit Minidisks schneller und einfacher als mit den altehrwürdigen Kompaktkassetten. Bei Feature-Aufnahmen raten die Redaktionen von Minidisks ab. Die SFB-Redaktion empfiehlt hier immer noch gewöhnliche Kassettenrekorder. DAT-Geräte sind nicht nur reparaturanfällig, sondern auch noch teuer, nicht nur in der Anschaffung, sondern auch im Gebrauch durch die Kassettenpreise.

Auf der Kassette oder Minidisk steckt ein O-Ton, der von der Soundkarte oder dem Audio-Interface digitalisiert werden soll. Den Befehl dazu erteilt eine Software. Ich empfehle hier CoolEdit 2000 von der us-amerikanischen Firma Syntrillium. Die Software kann nur übers Internet gezogen werden, Kostenpunkt $100 Dollar samt dem Studio-Plug-In. Das heißt, das Programm besteht aus zwei Teilen, einem Sound-Editor „CoolEdit“, mit dem der O-Ton geschnitten wird, und einem integrierten Multitrack-Arranger, übersetzt Mehrspur-Anordnungs-Software. Mit einem einfachem Mausclick können Sie Ihre drei O-Töne für einen Beitrag auf die erste Spur legen und dann die meinetwegen vier Sprecher-Passagen sprechen und die dann so auf die zweite Spur arrangieren, dass daraus der erwünschte Vierminüter entsteht.

Schall-Dämmung

Apropos Sprechen. Zum einfachen und qualitativ hochwertigen Schneiden von O-Tönen reichen gute Soundkarte und Software. Beim Sprechen wird es problematischer. Computerlüfter, Straßenlärm oder ein großes und von daher halliges Büro machen eigene Sprecheraufnahmen manchmal schwierig wenn nicht sogar unmöglich. Hall und Außenschall habe ich mit einem kleinen Kabuff aus Schalldämm-Elementen bezwungen.

Nun wollte ich auch direkt in den PC sprechen, ohne Zwischenspeichern auf Kassette. Das macht das Produzieren eines Beitrages schnell und einfach. Dazu musste allerdings mein PC leiser werden. Ich stellte ihn zuerst einmal weg vom Schreibtisch mittels Verlängerungskabel für Monitor, Tastatur und Maus. Trotzdem mußte ich dann auch noch meine Festplatte schallisolieren, indem ich sie auf einen 5 cm dicken Schaumstoffklotz, den ich unten ans Gehäuse geklebt habe, festband. Achtung: Die Wärme der elektronischen Bauteile auf der Unterseite muß entweichen können, weshalb ich den Schaumstoff unter den Bauteilen ein wenig weggerupft habe. Anstelle dieser kostenlosen Pfrickellösung geht auch ein schallisoliertes Computergehäuse mit speziellen Gummibändern, an denen die Festplatte aufgehängt ist.

Übermittlung

Nun also ist ein Beitrag fertig. Und jetzt? Im „schlimmsten“ Fall spiele ich ihn auf Kassette und fahre damit zum Sender, wo er ins Zielfunkhaus übertragen wird. Die Qualität wurde noch von niemandem bemängelt. Eine teurere Möglichkeit besteht im „Brennen“ des Beitrages auf CD, Kostenpunkt etwa 250,- bis 450,- Mark. Dann kann die CD verschickt werden oder ebenfalls zum nächstliegendsten Sender gefahren werden.

Rationeller ist jedoch allemal eine Datenübertragung des Beitrages. Dazu komprimiere ich ihn mit MPEG Layer II, 96 kbit/s. Einer Redaktion kann ich dieses sogenannte MPEG-Soundfile dann per email senden, oder sie holen es per ISDN-Datenleitung direkt von meiner Festplatte zu sich. Solche löblichen Ausnahmen sind noch einzigartig. Die meisten Sender sind nur in der Lage, Beiträge per CODECs zu übertragen. Das sind Geräte, die zwischen Soundkarte und ISDN-Leitung geschaltet werden. Aber eigentlich ist das unpraktisch. Das digitale Soundfile im Computer wird zuerst von der Soundkarte analogisiert und daraufhin vom CODEC wieder digitalisiert und dann über die ISDN-Leitung versendet. Ohne Hin- und Herwandlerei kann das Soundfile mit einer Software namens MAYA für ca. DM 2000,- über ISDN direkt in den Schaltraum der Sender übertragen werden. Beide Lösungen sind nicht billig.

Allein der Knackpunkt liegt bei den Sendern. Seit Jahren funktioniert die Datenübertragung mit ISDN zuverlässig. Die Sender müssten lediglich einen billigen PC mit ISDN-Karte dafür bereitstellen, dann wäre das digitale Studio für unter 1000,- Mark perfekt: Soundkarte 200 oder sogar Audio-Interface 600, Software über 200 je nach Dollar-Kurs, ISDN-Karte 120 Mark.

 

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