Datenweitergabe rechtswidrig

Gericht stärkte Rechte von Journalisten

Das Wiesbadener Verwaltungsgericht hat kürzlich mit einer Entscheidung die Rechte von Journalisten gestärkt, die sich bei Großveranstaltungen akkreditieren wollen. Danach ist die Weitergabe von Journalistendaten an das NATO-Hauptquartier rechtswidrig.

Geklagt hatte Kamil Majchrzak, der unter anderem für die polnische Ausgabe der Le Monde Diplomatique berichtet. Für diese Zeitung wollte er auch über den NATO-Gipfel schreiben, der im April 2009 in Straßburg, Baden-Baden und Kehl stattgefunden hatte. „Ich hatte bereits im Januar 2009 über das Internet eine Akkreditierung beantragt. Die NATO übermittelte meine persönlichen Daten daraufhin dem BKA. Die Behörde in Wiesbaden glich diese mit dem polizeilichen Informationssystem INPOL ab. Auf dieser Grundlage empfahl das BKA der NATO, die Akkreditierung abzulehnen“, berichtet Majchrzak.
Für die Datenweitergabe habe die gesetzliche Grundlage gefehlt, so das Wiesbadener Gericht. Das BKA dürfe laut Gesetz personenbezogene Daten an Dienststellen der Stationierungsstreitkräfte oder an eine internationale kriminalpolizeiliche Organisation übermitteln. Diese Voraussetzungen träfen aber nicht auf das NATO-Hauptquartier in Brüssel zu.
Es war nicht der erste juristische Erfolg, den Majchrzak mit Unterstützung von ver.di errungen hat. Schon Anfang April 2009 verpflichtete die 6. Kammer des Verwaltungsgerichts Wiesbaden das Bundeskriminalamt per Einstweiliger Anordnung, die negative Stellungnahme zur Presseakkreditierung zurückzunehmen. Bei dem Vorgang, so das Gericht, habe es sich um die Übermittlung personenbezogener Daten und damit um einen Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung gehandelt. Das BKA legte gegen diese Entscheidung mit Erfolg Beschwerde ein. Der hessische Verwaltungsgerichtshof hob die Eilentscheidung aus formalen Gründen auf. Das Verwaltungsgericht Wiesbaden hat dem Journalisten nun in der Sache Recht gegeben, aber Revision zugelassen.
Der Berliner Rechtsanwalt Sönke Hilbrans, der Majchrzak juristisch verteidigte, sieht in dem jüngsten Wiesbadener Urteil, das inzwischen rechtskräftig ist, positive Signale für die Rechte der Journalisten über den Fall seines Mandanten hinaus. „Die Entscheidung enthält insbesondere für die internationale Kooperation bei Akkreditierungsverfahren wichtige Hinweise. Nachdem sich für den Betroffenen und eine Anzahl anderer Journalisten schon zum G8-Gipfel 2007 in Heiligendamm gezeigt hatte, dass die Datenabfragen vor Akkreditierungen rechtswidrig waren, kann diese Praxis jetzt auch für die NATO und andere internationale Organisationen nicht fortgesetzt werden, erklärte der Anwalt gegenüber M. Die  dju-Bundesgeschäftsführerin Ulrike Maercks-Franzen mahnt eine Änderung der Akkreditierungspraxis bei sportlichen und politischen Großveranstaltungen an. Die dju hat sich zusammen mit dem Deutschen Presserat, der ARD und Verlegerverbänden auf Grundsätze und Eckpunkte bei der Akkreditierung geeinigt. Danach sollen Journalisten einen grundsätzlichen Rechtsanspruch auf Akkreditierung haben. Eine Ablehnung dürfe nur möglich sein, wenn konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass der Journalist durch sein Verhalten die Sicherheit stören könnte. Er muss darüber so rechtzeitig informiert werden, dass er Gelegenheit zu einer Stellungnahme hat.


nach oben

Weitere aktuelle Beiträge

Journalismus unter KI-Bedingungen

Digitalkonzerne und Künstliche Intelligenz stellen Medienschaffende vor neue Herausforderungen. „KI, Big Tech & Co. – was wird aus dem Journalismus?“ lautete folgerichtig der Titel der 11. Medienpolitischen Tagung von ver.di und DGB am 16. Oktober in Berlin. Über 80 Wissenschaftler*innen, Rundfunkräte und Journalist*innen informierten sich auch über den aktuellen Stand der Debatte über den neuen Medien“reform“staatsvertrag.
mehr »

Neue Perspektiven für Klimajournalismus

Besondere Zeiten brauchen einen besonderen Journalismus – ein Motto, dass das im Juli gelaunchte deutschsprachige Medienprojekt „Neue Zukunft“ nicht aus werbestrategischen Gründen ausgegeben hat. Die Klimakrise und die Klimagerechtigkeitsbewegung erhalten in vielen Medien der Schweiz, Österreichs und Deutschlands ihrer Meinung nach nicht genügend Aufmerksamkeit. Gerade Gerechtigkeitsfragen erhöhen den Handlungsdruck im Zusammenhang mit den Folgen menschlichen Raubbaus an Ressourcen und Umwelt.
mehr »

Klimaleugnung in den Medien

Rechtspopulistische Bewegungen machen weltweit mobil gegen den Klimaschutz. Sie zeigen sich „skeptisch“ gegenüber dem Klimawandel und lehnen klima- und energiepolitische Maßnahmen ab. Ein Widerspruch: Obgleich „Klimaskepsis“ und die Leugnung des menschengemachten Klimawandels vielfach zentrale Positionen der politischen Rechten markieren, existieren auch gegenläufige Tendenzen in Bezug auf Umwelt- und Naturschutz. Denn auch Rechte waren stets in Umweltbewegungen zugegen. Das hat Tradition.
mehr »

Traditionelle Medien zu wenig divers

Vielfalt in traditionellen Medien ist gefährdet - durch Chefetagen, die überdurchschnittlich mit weißen Männern besetzt sind. Dazu kommt eine zunehmend stärker werdende Berufsflucht. Daneben entsteht ein „peripherer Journalismus“ – entweder mit einem hohem Anspruch an Diversität oder andererseits sehr eingeschränkter Vielfalt. Das Meinungsspektrum verschiebt sich von „migrantischen zu ultrakonservativen Stimmen“. Schlaglichter auf die kritisch-konstruktive Tagung „Diversität und Geschlecht im Journalismus“.
mehr »