Gendersensible Sprache ist ein Thema, das zu heftigen Auseinandersetzungen führen kann, auch in der Politik. „Wahlkampf als Sprachkampf“ erkannte der Bayerische Rundfunk. „Wir können nicht nicht gendern“, sagte Jeanne Wellnitz, Autorin eines Kompendiums „Gendersensible Sprache“, am 29. September in der Diskussion „Gender und Diversity in Medien und PR“. Dazu sei das Bewusstsein für faire Sprache inzwischen zu groß geworden, vor allem seit 2018 das Personenstandsrecht mit der Einführung der dritten Kategorie „Divers“ verändert wurde.
Wie „Gleichberechtigung und Fairness“ in der Sprache zum Ausdruck gebracht werden könne, „ohne in puncto Lesbarkeit neue Hürden aufzubauen“, das sollte das Kompendium „Gendersensible Sprache“ des BdKom zeigen, der auf seiner Internetseite allerdings immer noch als „Bund der Kommunikatoren“ firmiert. „Geo“ hat dem „erbitterten Streit um das Gendern und eine gerechte Gesellschaft“ ein ganzes Heft gewidmet. Manche Medien stellen es den Autorinnen und Autoren frei, wie sie formulieren, ob sie von „Leserinnen und Lesern“ schreiben, von „Leser:innen“, „Leser_innen“ oder „LeserInnen“, wobei das sogenannte Binnen-I inzwischen ziemlich selten geworden ist. Mit 68 Prozent ist das Gendersternchen *, das auch ver.di und „M – Menschen Machen Medien“ benutzen, die vorherrschende Genderform. Die Doppelform „Leserinnen und Leser“ reiche nicht mehr, so Wellnitz, denn Menschen, die sich beispielsweise non-binär oder transgender empfinden, fühlten sich dann nicht angesprochen. Das Interesse an dem Thema sei bei den professionellen Kommunikator*innen jedenfalls groß: Aus einem geplanten Seminar zur gendersensiblen Sprache des BdKom seien inzwischen neun geworden.
Monique Hofmann, Bundesgeschäftsführerin der Deutschen Journalistinnen- und Journalisten-Union in ver.di, die damit beide Geschlechterformen seit vielen Jahren im Namen führt, berichtete bei der hybriden Veranstaltung in der taz kantine, dass sich immer mehr Redaktionen zusammensetzten und berieten, wie sie es mit dem Gendern halten wollen. „Denn es strahlt ja auch eine Haltung aus“. Der Journalistinnenbund bietet dabei mit der Internetseite „Genderleicht.de“ Hilfestellung. Vielfach werde in den Redaktionen auf die „Beidnennung“ zurückgegriffen. Noch ist das Gendern eher ein deutschsprachiges Thema. Nach Jahren in Italien sei sie zunächst für das Gendern nicht so sensibilisiert gewesen, erinnerte sich Hofmann, aber inzwischen bringe sie ungerechter Sprachgebrauch „auf die Palme“. Die seit langem in Deutschland lebende französische Journalistin Pascale Hugues formulierte es so: „Deutsch ist emanzipierter als Französisch.“
Verhalten, so hat Hofmann beobachtet, reagierten eher noch die Regionalzeitungen, die offenbar glaubten, das Gendern ihren älteren Leser*innen nicht zumuten zu können. Diese Haltung wurde in der anschließenden Diskussion von einer seit Jahrzehnten gender-engagierten Lehrerin als „altersdiskriminierend“ bezeichnet.
Denn das Bestreben um sprachliche Gerechtigkeit ist kein Phänomen der letzten Jahre, hatte Tinka Beller, Autorin von „30 Minuten Gendergerechte Sprache“ und Beraterin des BdKom-Kompendiums, schon zu Beginn der Veranstaltung ausgeführt. Luise F. Pusch, die Begründerin einer „feministischen Linguistik“, hatte seit den 1970er Jahren dazu publiziert. Ein „Riesenthema“ sei das Gendern vor allem für Verwaltungen und Hochschulen. In ihrem Bundesland Schleswig-Holstein werde alles „abgewiegelt“. Sternchen oder Doppelpunkt würden als Verstoß gegen die Rechtschreibung behandelt, berichtete Beller. Das bayerische Kabinett hat die Hochschulen schon vorsorglich ermahnt, dass die Verwendung von Gendersternchen nicht „notenrelevant“ sein dürfe.
Bei Microsoft Deutschland gibt es ein eigenes Team zur Einführung und Umsetzung inklusiver Sprache, berichtete Paula Auksutat, die dem Thema auch ihre Masterarbeit gewidmet hat. Das Unternehmen habe entschieden, das Gendersternchen zu verwenden, „wenn es die deutsche Sprache nicht anders zulässt“. Von allen Mitarbeiter*innen werde Respekt für diese Haltung eingefordert.
Für Kristina Faßler, General Manager Marketing & Commercial Sales WELT und Sendersprecherin WELTN24, ist Gender und Diversity in der Sprache eine „Frage der Empathie“, „und Kommunikation ist gelebte Empathie“. Wenn nur vom „Wähler“ gesprochen werde, ärgere es sie. Es gehe nicht darum, andere zu belehren, auch wenn das diejenigen, die Gendern ablehnten, zu glauben scheinen. Aber die Sprache solle alle ansprechen. Sie, die ebenso für den Springer Konzern arbeitet wie der Moderator des Abends, Johannes Altmeyer von „Business Insider“, sei froh, dass Konzernchef Mathias Döpfner das Gendern in die Verantwortung der einzelnen Teams und Redaktionen gegeben habe. In Ihrer Abteilung sei es „inzwischen selbstverständlich geworden“.
Mehr Gelassenheit und Respekt im Umgang mit anderen und der Sprache riet Beller. Das Thema werde weiter eine Rolle spielen, zeigte sich Hofmann überzeugt, da gebe es kein Zurück. „Wir sollten uns von der Sehnsucht nach verbindlichen Regeln verabschieden“, sagte Kompendiums-Autorin Wellnitz. Und sehen, dass faire Sprache vor allem für die Gewinnung von Mitarbeiter*innen sehr wichtig sei. Auf gendergerecht formulierte Anzeigen bewerben sich ein Drittel mehr Frauen als auf traditionell formulierte.