Der Fotojournalismus und das Geld

Wer bezahlt heute noch anspruchsvollen Fotojournalismus? Dieser Frage ging am 20. März eine Podiumsveranstaltung im Berliner Ballhaus Ost nach. Geklärt werden sollte, wie es um die Unabhängigkeit freier Fotojournalist_innen bestellt ist, wenn journalistisch ausgebildete Fotografinnen und Fotografen ihr Geld vorrangig mit Jobs für große Wirtschaftsunternehmen verdienen müssen, weil der Magazin-Markt nicht mehr genug Aufträge abwirft.

Eingeladen, diese Themen unter der Moderation von Roman Bezjak, Professor für Fotografie in Bielefeld, zu diskutieren, waren die Bildredakteurin der ZEIT Jutta Schein, der freie Fotograf Frank Schinski sowie die Kuratorin Katharina Mouratidi. Als Teaser stellte der Bildredakteur Tibor Bogun einige aktuelle Beispiele von Kooperationen zwischen Fotograf_innen und Wirtschaftsunternehmen vor, darunter eine von Johnnie Walker finanzierte Geschichte des Fotojournalisten Daniel Etter über Lesbos und mit „The New Next“ ein – mittlerweile in der Form eingestelltes – Kooperationsprojekt von Fotografen der Agentur Ostkreuz mit der Deutschen Bank.

Die Rollen auf dem Podium waren dabei klar verteilt. Jutta Schinski kam es zu, aus den Herausforderungen des Redaktionsalltages und der Briefings mit Fotograf_innen zu erzählen und nebenbei darauf hinzuweisen, wie man als Freier in der Redaktion vorstellig werden kann. Katharina Mouratidi hatte als Mitgründerin der Gesellschaft für humanistische Fotografie die Rolle der Verteidigerin politisch engagierter, sozialkritischer Fotografie inne. Frank Schinski hatte den Fotografenhut auf und versuchte sich darin, Unterschiede zwischen dem fotografischen Arbeiten für journalistische Medien und Unternehmen zu nivellieren. Darüber hinaus hatte er die undankbare Rolle, erklärbar zu machen, warum die Agentur Ostkreuz sich auf das Experiment mit der Deutschen Bank eingelassen hat.

Es war das Projekt „The New Next“, an dem gut die unterschiedlichen Positionen der Diskutanten deutlich wurden. So warnte Jutta Schein davor, dass der Fotojournalismus seine Glaubwürdigkeit verliere, wenn journalistische Bilder unter dem Logo eines Unternehmens auftauchen. Für Schinski wie auch einige Vertreter der Agentur aus dem Publikum war es wichtig, sich weiterhin die Freiheit zu nehmen, neue Experimente mit Akteuren aus der Wirtschaft zu wagen. Auch wenn Ostkreuz die Zusammenarbeit mit der Deutschen Bank letztlich aufgrund unterschiedlicher Vorstellungen über den Zuschnitt des Projekts vorzeitig beendet hat. Katharina Mouratidi hingegen legte den Fokus darauf, dass man sich immer gut überlegen müsse, ob man die eigene Marke in den Dienst von Unternehmen stelle, deren Interesse es sei, das eigene Image über die Kooperation mit Akteuren aus Kunst und Kultur aufzupolieren.

Was die Veranstaltung aufzeigte, war die Komplexität und Vielschichtigkeit des Themas, dessen Dimensionen ohne eine Einbeziehung des Kulturwandels des Mediums Fotografie nicht zu verstehen sind. Schnell ging es um Fragen von Moral und Ethik, das Selbstverständnis des Fotojournalismus sowie das Abarbeiten an Begriffen wie Wahrheit. Wirkliche Antworten darauf, ob es überhaupt und wenn ja, wo es neue Finanzierungsquellen gibt, wurden nicht geliefert. Dem Podium hätte es dabei gutgetan, durch Perspektiven, die nicht aus der Fotograf_innenszene kommen, angereichert zu werden. Mit am treffendsten war der Kommentar eines Fotografen aus dem Publikum, der darauf hinwies, dass das Unterbieten von Honoraren aufhören müsse und Veränderungen nur erreicht werden könnten, wenn die Verbände gestärkt würden.


Der Ostkreuz Verein für Fotografie als Veranstalter des Abends wurde als Förderverein von Fotografen der Berliner Agentur Ostkreuz gegründet. Ziele des Vereins sind die Förderung von künstlerischer und dokumentarischer Fotografie und die Schaffung eines Austausches über zeitgenössische Autorenfotografie. Bisherige Veranstaltungen hatten beispielsweise das Verhältnis von Fotografie zu Politik, Manipulation im Fotojournalismus oder die Darstellung von Migration in den Medien zum Thema. Darüber hinaus digitalisiert der Verein in Kooperation mit der Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur das Archiv des Fotografen Harald Hauswald zur ostdeutschen Zeitgeschichte.

Weitere aktuelle Beiträge

Regionale Zeitungen bleiben wichtig

Für die Zeitungsfacetten-Studie der Score Media Group wurden 5000 Menschen befragt, welchen Wert regionale Zeitungen für sie haben. Das Ergebnis setzt ein wichtiges Zeichen in einer Zeit, in der es um regionale und lokale Blätter zunehmend schlechter bestellt ist.
mehr »

Vorbild für Musk & Co: Medienzar Hugenberg

Wie bereits vor über 100 Jahren Autokraten Einfluss über eine von ihnen kontrollierte Presselandschaft nahmen, hat Peter Heller in seinem neu aufgelegten Film "Der vergessene Führer" von 1982 über den Medienzar Alfred Hugenberg aufgearbeitet. Dieser erscheint zusammen mit einem Buch über den  Rüstungs- und Medienunternehmer.
mehr »

Datensparsame Audio-Transkription

Interviews führen macht Spaß. Auf das Vergnügen folgte jedoch traditionell das mühsame manuelle Transkribieren des Gesprächs. Dank KI entfällt dieser Schritt. Das kostenlose Programm ersetzt das Abtippen von Interviews. NoScribe ist langsamer als kommerzielle Dienste, garantiert aber eine maximale Vertraulichkeit von Daten.
mehr »

Berichten über LSBTIQ-Themen

Wenn queere Menschen (Lesben, Schwule, Bisexuelle sowie trans und inter Menschen) Beiträge über sich in Zeitungen lesen oder im Fernsehen gucken, kommen sie manchmal aus dem Staunen nicht heraus. Egal ob Boulevard, Qualitätspresse oder Nachrichtenagenturen: Regelmäßig gibt es Schlagzeilen über das „Homosexuellen-Milieu“ und ungelenke Formulierungen wie „Homosexuelle und Lesben“ oder „bekennende Bisexuelle“ und „Menschen im falschen Körper“. Ein kollegialer Leitfaden zeigt, wie es besser geht.
mehr »