Seit 50 Jahren zeigen die „Filmtage Globale Perspektiven“ Filme zur Situation in den Ländern des „Globalen Südens“. In diesem halben Jahrhundert haben sich Begrifflichkeiten sowie Produktions- und Finanzierungsmöglichkeiten stark verändert. Das wurde auf der diesjährigen Veranstaltung, die in Frankfurt am Main stattfand, deutlich. Ebenso, dass die Finanzierung von langen Dokumentarfilmen durch Fernsehsender und die Filmförderungen für die Produzierenden meistens unzureichend sind.
„Ich wollte nie Filme über den Süden machen, sondern über uns und das, was wir daraus machen“, berichtete der vielfach preisgekrönte Dokumentarfilmer und Ehrengast der Veranstaltung Peter Heller auf dem Panel „50 Jahre Dokumentarfilme über den Globalen Süden“ in Frankfurt am Main. In einem Großteil seiner über 70 Produktionen war das ein dominierendes Thema, egal ob der Blick zum Beispiel auf Kolonialgeschichte oder Wirtschaftszusammenhänge gerichtet war: „Es geht um das, was wir in Afrika machen.“ Nicht nur für Heller, der seine Wurzeln in der 68er-Bewegung sieht, waren die Afrikaner*innen „Marionetten“, Opfer, „ich wollte Afrika so wie meine Großväter benutzen, nur anders“. Dieses Verhältnis habe sich dann, mit dem Kennenlernen speziell von Ostafrika, später dann von West- sowie Zentralafrika „total“ geändert. Inzwischen pflegt er seit Jahrzehnten innige Kontakte zu den Menschen dort, die teilweise auch zu Mitgliedern seines Teams geworden sind: „Und ja, da kann man dann davon sprechen, dass man auf Augenhöhe ist.“
Die Bedeutung einer Betrachtung der Regionen, die früher einmal als „Filme aus der Dritten Welt“ definiert wurden, um sich politisch zu platzieren, machte anschließend Martin Pieper vom ZDF klar: Wenn man sich mit der Situation in der Welt auseinandersetze, könne man gar nicht vermeiden, einen Blick auf diese Regionen zu richten. Aber wie gehe man mit dem aktuellen Begriff „Globaler Süden“ um? Und was bedeutet er letztendlich?
„Es kommt auf die Relevanz an, und es gibt so viele Parameter, die es zu berücksichtigen gilt“, gab der Redakteur in der Main-Metropole zu bedenken. Klare und einfache Antworten zu geben, sei jedenfalls schwierig, wenn nicht gar unmöglich. Wie werden etwa Beiträge über den Klimawandel, wirtschaftliche oder historische Entwicklungen eingeordnet? „Natürlich ist es ein sehr großer Teil der Welt, auch ein unbekannter Teil der Welt“, um den es geht, so Pieper, „und natürlich haben wir den Anspruch, auch diesen Teil der Welt zu zeigen“.
Als Beispiel dafür, wie schwer manchmal die richtige Einordnung fällt, wies er auf eine Dokumentation über William Kentridge hin, für die er zuständig war. Kentridge, einer der angesehensten Künstler Südafrikas, hat sich als weißer Jude in seinen Werken immer wieder mit den Themen Ausgrenzung, Identität und Wahrheit beschäftigt. Fällt dieser Film nun unter die Kategorie Kultur oder geht es um einen Blick auf die Zustände in einem von der Apartheid geprägtem Land? „Wir bemühen uns natürlich auch, andere Blicke zu eröffnen“, ergänzte Pieper. So sei es wichtig, nicht nur ein Bild von einem Afrika in Armut zu zeichnen, sondern auch von einem Kontinent, der von einer großen Innovationskraft geprägt sei. So gab es letztes Jahr auf arte die Reihe „Generation Afrika – Migration neu erzählen“ aus der Perspektive der Betroffenen. Junge Filmtalente haben sich dabei auf die Suche nach der Geschichte ihrer Wurzeln gemacht, sprechen von Vertreibung und Flucht, von Heimat und dem Ankommen in der Fremde. Die Kernfrage: Was motiviert junge Menschen zu gehen oder zu bleiben?
Anne Schoeppe, Geschäftsführerin von HessenFilm, plädierte dafür, die Formulierung „Filme aus dem globalen Süden“ noch einmal zu schärfen, und verlieh ihrem Anliegen Ausdruck, alle Filmemacher*innen dazu zu ermutigen, „mehr in die Welt zu gehen: Wir suchen die diverseren Geschichten.“
Was die Auswirkungen der Digitalisierung angeht, hat Heller eine Wandlung von „Befreiungsideologie“ zur „Befreiungstechnologie“ beobachtet, weil sich neue Möglichkeiten ergeben hätten: „Wir hatten schon 1976 Afrikaner*innen in unserem Team, die auch inhaltlich mitgearbeitet haben, aber das natürlich nicht auf der gleichen Ebene, wie sie heute möglich ist.“ Der Dokumentarfilmer machte dabei auf ein Projekt aufmerksam, das über Jahre gemeinsam mit einem Kolleg*innen aus dem Senegal entstanden sei: „Und natürlich hatten wir überhaupt nicht die Kohle, um immer hin und her zu fahren, aber wir konnten dann dank digitaler Möglichkeiten, uns, die Schnitte und einiges mehr austauschen.“
Von Moderatorin Irit Neidhardt auf die Vergütung der Filmschaffenden angesprochen, gab Heller, der zu den Gründungsmitgliedern der AG Dok gehört, eine ernüchternde Antwort: „Das Problem hat sich im Laufe der Jahre verschärft. Die Bedingungen haben sich gewandelt, und sie sind beschissen.“ Diese Einschätzung dürfte für den gesamten Dokumentarfilm-Bereich gelten. Ob neue Auswertungs- und Finanzierungsmöglichkeiten, etwa über Streamingportale, die Situation möglicherweise verbessern können, bleibt noch abzuwarten.