Editorial: Fehlende Visionen

Es war ein turbulentes, krisengeschütteltes Jahr. Im Schnelldurchlauf Revue passieren wird es wieder mit emotionalen Fernsehbilder in der Vorweihnachtszeit – diesmal in konkurrierenden Shows. Nicht nur mit gemischten Gefühle wie gehabt, sitzen wir davor. Mehr als je zuvor treffen viele von uns Medienschaffende Krisensymptome direkt und persönlich – Hunderte gehen ohne Arbeitsplatz oder Aufträge ins nächste Jahr.

Im Vorgriff auf Werbeeinbrüche und Gewinnminimierung haben fast alle Medienkonzerne dieser Republik zum Rotstift gegriffen, in bisher unbekannten Ausmaß werden Redaktionen geschrumpft. So mancher Managementfehler wird bereinigt – getarnt als Krisenreaktion und zu Lasten der abhängigen Festen und Freien.
Parallel laufen die Umstrukturierungen von Verlagen, Sendern und Agenturen zu crossmedialen Medienbetrieben mit Community-Mitmach-Charakter. Web 2.0 lässt grüßen – und höhnt: „Journalist ist doch jeder!“ So rast eine ganze Branche schier besinnunglos dem hinterher, was als technischer Fortschritt mit „Webtempo“ unvermeidlich daherkommt. Öffenlichkeitswirksam werden von Verlagsmanagern und Senderchefs Krokodilstränen vergossen und selbst im sonst staatsfernen Pressewesen plötzlich Staatshilfen eingefordert.
Was die angeblichen taffen Macher uns schuldig bleiben, sind durchdachte Pläne oder auch Visionen für zukunftsfähige, attraktive Medien. Nicht gegen, sondern mit motivierten Beschäftigten – mit Sicherheit bedarf es dafür mehr als Streichorgien! Weniger leisten jetzt in weniger Zeit mehr und das oft ohne ausreichende Qualifizierung – eine medial-qualitative Sackgasse! Learning by doing ist zu wenig für echte Multimedialität. Da nützt es wenig, wenn auf unzähligen Kongresspodien die gesellschaftliche Aufgabe der Medien in einer Demokratie sowie die Bedeutung journalistischer Qualität immer wieder wortreich gepriesen werden. Die Wahrheit ist immer konkret: Sei es bei Tarifstreits, wo für Leistungen keine angemessene Bezahlung rauskommt. Oder, wo sich die Verleger rückwärtsgewandt sperren, Onliner in den Redakteurstarifvertrag aufzunehmen wie es die Gewerkschaften fordern. Sei es, indem durch Outsourcing Gehälter gedrückt werden. Oder erfahrene Redakteure herausgedrängt und durch „billigere“ ersetzt werden. M hat viele dieser (Fehl-)Entwicklungen aufgespießt und hinterfragt – und bleibt auch im kommenden Jahr am Ball. Im Fokus dabei die Aktivitäten der Fachgruppe Medien insgesamt und der Deutschen Journalistinnen- und Journalisten-Union in ver.di, die unter anderem mit ihren Journalistentagen die wirtschaftlichen und berufspolitischen Veränderungen in der Medienbranche begleiten.

Die M-Redaktion wünscht allen Leserinnen und Lesern einen Jahreswechsel mit Zeit zum Luftholen, im neuen Jahr Kraft, Gesundheit und persönlichen Erfolg! Mitte Februar wird die erste M 2009 im Briefkasten liegen!

Karin Wenk,
verantwortliche Redakteurin

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