Ein Fest für die feministische Filmkunst

"La Maternal" von Pilar Palomero erhält den mit 15.000 Euro dotierten Preis für den besten Film im Internationalen Spielfilmwettbewerb für Regisseurinnen. Foto: IFFF

Das Internationale Frauenfilmfest (IFFF) präsentierte vom 18. bis 23. April in Dortmund zum 40. Mal historische Archivfilme, politische Dokumentarfilme mit starken Frauenfiguren sowie aktuelle Filme unter weiblicher Regie im Wettbewerb. Filmemacherinnen und Publikum zeigten sich in den Kinos in Feierlaune, aber auch kämpferisch bei den Debatten des Festivals. Immer noch ist es für Frauen schwerer als für Männer mit ihren Filmen zu reüssieren.

Inspirierende feministische Solidaritätsgedanken in den Filmen könnten in Gesprächen darüber auch zum gemeinsamen Handeln führen. Das gab Festivalleiterin Maxa Zoller bei der Diskussion unter dem Titel „Hürdenläuferinnen: 50 Jahre feministische Filmarbeit“ am Sonntag als Devise aus. Auch hierfür biete das Festival Raum. Wie die Filmindustrie von einer cineastisch engagierten Frauenbewegung bereits umgestaltet wurde und künftig werden kann, diskutierte die prominent besetzte Jury des Festivals. Diese war mit Vertreterinnen aus drei verschiedenen Generationen besetzt: mit der Filmemacherin Helke Sander, eine der Schlüsselfiguren der Frauenbewegung in der BRD der 1970er Jahre, der als „Tatort-Kommissarin“ bekannten Schauspielerin Maria Furtwängler, die zugleich Produzentin und Ärztin ist, und der Schauspielerin, Produzentin und Drehbuchautorin Sara Fazilat als jüngstes Jury-Mitglied.

Von Generationskonflikt keine Spur

Den Frauenkampf gelte es gesellschaftlich, als auch in der Filmbranche fortzuführen, waren sich alle einig. 1975 habe die Frauenbewegung gefordert, dass Frauen und Männer zu je 50 Prozent in allen Gremien und Jurys vertreten sein müssten, damit Filme von Regisseurinnen gleiche Förderungschancen erhielten, erklärte Helke Sander. Damals war dazu eine Verfassungsklage eingereicht, welche das Karlsruher Gericht nicht annahm. Beim Oberhausener Filmfestival habe eine Jury erstmals versucht, Gleichstellung zu realisieren: mit vier männlichen und drei weiblichen Juroren. Die Regel dort: Wenn sich die Frauen unisono einig waren, dass ihnen ein Film gefalle, und die Männer nicht, sei darüber eine Debatte entbrannt. Helke Sanders einstmaliges Zitat „Nimmt man dir das Schwert, dann greife zum Knüppel“ beeindruckt noch heute. Was sie genau damit gemeint habe, interessierte sich die Festival-Kuratorin Betty Schiel. Wenn man mit eleganten Formen des Widerstands nicht weiterkomme, müsse man zu anderen tatkräftigen Mitteln greifen, so Sander. Die Krise der politischen Kultur dauere bis heute an.

Internationale Spielfilmwettbewerb des IFFF

Der Spielfilmwettbewerb präsentierte acht aktuelle Spielfilme aus Brasilien, Deutschland, Frankreich, Indonesien, Mexiko, Palästina und Spanien. Dieser richtete sich an Regisseur*innen, die interessante Debüts vorgelegt hatten oder bereits ein größeres Œuvre aufweisen. Motherhood (La Maternal) der spanischen Regisseurin Pilar Palomero erhält den mit 15.000 Euro dotierten Preis für den besten Spielfilm. Der Film erzählt von einer 14-Jährigen, die als werdende Mutter wider Willen hin und hergerissen ist zwischen eigenen und fremden Erwartungen, als auch widersprüchlichen Gefühlen für ihre eigene Mutter. Die Jury lobte insbesondere die Leistung der jungen Hauptdarstellerin Carla Quilez. „Motherhood“ hat bislang noch keinen Verleih und Starttermin in Deutschland. Das Preisgeld wird zwischen der Regisseurin (5.000 Euro) und dem deutschen Verleih (10.000 Euro) geteilt. Damit soll der Vertrieb der Filme von Regisseurinnen in Deutschland unterstützt werden. Den Publikumspreis erhielt Claudia Richarz für ihren Dokumentarfilm „Helke Sander: Aufräumen“. Er porträtiert die Filmarbeit und Lebensgeschichte von der Mitbegründerin der zweiten deutschen Frauenbewegung und Gründerin der ersten europäischen feministischen Filmzeitschrift „Frauen und Film“.

Keine falsche Bescheidenheit

Maria Furtwängler, Mitbegründerin der MaLisa-Stiftung, die Studien zur unterschiedlichen Darstellung von Frauen und Männern in den Medien herausgibt, setzt darauf, diesen Missstand mit Zahlen und konkreten Daten zu bekämpfen. Sie resümierte: Frauen seien als Expertinnen nur halb soviel gefragt seien wie Männer; in TV-Informationsprogrammen kämen sie ab 35 Jahren kaum mehr vor, bei Männern sei mit 65 Jahren Schluss. Selbst bei Kinderprogrammen erklärten hauptsächlich Männer die Welt. Sara Fazilat berichtete aus ihren Erfahrungen, dass sie nun mal wie manch andere Kolleginnen der Branche „kein Typ sei, der mit den Buddies Schnaps trinken geht“. Im Verlauf solcher Treffen würden aber oft fürs Filmemachen ökonomisch wichtige Entscheidungen getroffen. Weiteres Problem: Frauen konkurrierten mitunter um ein Stück Kuchen, statt zu verlangen, dass die halbe Bäckerei in weibliche Hände gehöre. Auch Furtwängler hinterfragte diese „Bescheidenheit“: „Kommen wir in der Außenwelt halb soviel wie Männer vor“, erscheine es Frauen oft, als sei es bereits genug. Wichtig sei, sich entgegengebrachte Verachtung nicht etwa noch zu Eigen zu machen. Eine Frau aus dem Publikum berichtete, sie sei in eine Talkrunde gebeten worden, weil ansonsten dort nur Männer diskutiert hätten. Furtwängler sagte, sie warte auf den Tag, dass ein Sender soviele Frauen in der Runde habe, so dass man aus diesem Grund dort einen Mann brauche. „Was können wir tun, damit wir nicht von Konservativen wie dem CDU-Vorsitzenden Friedrich Merz auf „Gender-Gaga“ reduziert werden?“, fragte sie.

Für mehr Geschlechtergerechtigkeit

Die Kuratorin des Frauenfilmfestivals Stefanie Görtz erinnerte an die Anfänge der neuen Frauenbewegung der 70er Jahre. Helke Sander habe damals erkannt, dass eine Veränderung des Systems des Kapitalismus erfolgen müsse, um Geschlechtergerechtigkeit erreichen zu können. Nur „durch Umwandlung der Produktions- und Machtverhältnisse“ sei es möglich, eine demokratische Gesellschaft zu schaffen“, hieß es in Sanders 1968 gehaltener Rede auf der 23. Delegiertenkonferenz des Sozialistischen Deutschen Studentenbundes (SDS) in Frankfurt am Main. Damit die Filmproduktion bei Unterfinanzierung nicht zu einem ambitionierten Hobby geriere, müssten Frauen auch heute systemische politische Kritik mitdenken, so Görtz: „Das wird Wind unter die Flügel unserer Bewegung bringen“.

nach oben

Weitere aktuelle Beiträge

Die Zukunft der Filmförderung

In der morgigen Plenarsitzung des Bundestages wird über die Zukunft der deutschen Filmwirtschaft entschieden, der vom Bundestagsausschuss für Kultur und Medien beschlossene Gesetzentwurf zum Filmfördergesetz (FFG) steht zur Abstimmung auf der Tagesordnung. ver.di begrüßt eine Reform der Filmförderung, denn in Zukunft müssen Filmproduktionen Tarif- und Urheber-Vergütungen verbindlich einhalten.
mehr »

Audiodeskription: Die KI liest vor

Die Hälfte der öffentlich-rechtlichen Sender verwendet inzwischen auch synthetische oder mit Künstlicher Intelligenz (KI) generierte Stimmen, um für Fernsehformate Audiodeskriptionen zu erstellen. Das ergibt sich aus Nachfragen von M bei den neun ARD-Landesrundfunkanstalten und beim ZDF. Neben professionellen Sprecher*innen setzen der MDR, WDR, NDR, Radio Bremen und das ZDF auch auf synthetische oder KI-Stimmen für die akustische Bildbeschreibung.
mehr »

Gendergerechtigkeit per KI überprüfen

Ein Gender-Analyse-Tool der Technischen Universität München zeigt, wie Frauen medial ausgeklammert werden. Das Ziel vom  Gender Equality Tech Tool – GETT  ist es, die Sichtbarkeit von Frauen in der Berichterstattung bewusst zu fördern. Mit GETT kann über eine Kombination aus klassischen Algorithmen und Open-Source-KI-Modellen nachgeprüft werden, wie oft Frauen im Vergleich zu Männern in den Medien genannt und wie sie dargestellt werden.
mehr »

Gewalt an Frauen bleibt Leerstelle

Gewalt gegen Frauen ist in Deutschland alltäglich. Und nicht nur in Politik und Justiz besteht großer Nachholbedarf im Kampf gegen geschlechtsspezifische Gewalt: Auch die journalistische Praxis zeigt deutliche Schwächen und erhebliche Leerstellen. Der aktuelle Trendreport der Otto Brenner Stiftung nimmt die Jahre 2020 bis 2022 in den Blick und stellt fest: Gewalt gegen Frauen wird isoliert dargestellt, ohne strukturelle Ursachen und Präventionsmöglichkeiten zu thematisieren. Das betrifft besonders deutsche Täter. Die Perspektive der Opfer bleibt unterbelichtet.
mehr »