„Es wird nicht einfach sein, die Kündigung zu begründen“

DuMont – Der Prozeß

„Soviel Öffentlichkeit ist relativ selten beim Arbeitsgericht“, meint Richterin Ulrike Wagner, als der Fall „Schergel gegen DuMont Schauberg“ aufgerufen wird. Der Gerichtssaal 107 des Kölner Arbeitsgerichtes ist bis auf den letzten Platz gefüllt, Kolleginnen und Kollegen stehen im Saal und im Türrahmen. Bildjournalisten und Fernsehteams dokumentieren die Szenen vor Verhandlungsbeginn.

Für Richterin Wagner ist es an diesem Tag, Freitag, den 13. September, das achtzehn te Arbeitsgerichtsverfahren, für Hartmut Schergel das erste in seinem Leben. Es handelt sich um einen Gütetermin, doch mit einem gütlichen Einlenken des Verlages rechnet niemand ernsthaft.

In der Anlage des Schreibens des Verlages befindet sich das „Corpus Delicti“, meint der vom Verlag bestellte Arbeitsrechtler Ernst Eisenbeis, als wenn vor einer Strafkammer verhandelt würde. „Sie meinen den Artikel“, fragt die Richterin. Eisenbeis bestätigt. Er spricht davon, daß der Text untergeschoben worden sei und sich Schergel „illoyal“ und „gravierend geschäftsschädigend“ verhalten habe. Der Fall sei so vergleichbar, als wenn der „Spiegel“ schreiben würde, Spiegel-TV sei das Übelste, was es gäbe, meint Eisenbeis. Nachhilfe erteilen Eisenbeis und der DuMont-Haus-Jurist Andreas Cremer den anwesenden Journalisten: Bei der Abnahme des Artikels durch den Chefredakteur habe ein Redakteur auf eventuelle Probleme hinzuweisen. Dies habe Schergel unterlassen. Vom Chefredakteur würden Überschriften, der Gesamteindruck, – „Gestaltung“ flüstert Cremer Eisenbeis zu – und Gestaltung der Seite geprüft, jedoch nicht der Inhalt, so Eisenbeis. Wenn da irgendein Problem sein könnte, dann müsse das angesprochen werden. Das müsse einem Redakteur, der 25 Jahre beim „Stadt-Anzeiger“ arbeite, klar sein.

Nun werde versucht, die Verantwortung zu verschieben, nach dem Motto: Unser armer Redakteur hat damit nichts zu tun, meinte Eisenbeis. Mit dem Artikel würden potentielle Käufer von Reiseführern in die Arme der Konkurrenz getrieben. „Das ist ein Fehlverhalten, das ein Arbeitsverhältnis nicht mehr zuläßt“, so Eisenbeis.

Es gäbe offenbar sehr unterschiedliche Lesarten des Artikels. Der Verlag habe sich offenbar ertappt gefühlt, sagte Hartmut Schergels Anwalt Helmut Platow vor Gericht. Der Vorwurf des Verlages der Tendenzverletzung und der Geschäftsschädigung sei nicht belegt worden. Platow betonte, daß Schergel zurück an seinen Arbeitsplatz wolle. In einem Interview sagte Platow: „Ich halte die Kündigung für kraß rechtswidrig.“ Für den Verlag habe es großen Handlungsspielraum gegeben. Man könne von ihm in einer solchen Situation etwas anderes verlangen als eine fristlose Kündigung.

„Es wird für die Beklagte (den Verlag, d. Red.) nicht einfach sein, die fristlose Kündigung zu begründen“, so die Richterin am Ende des gescheiterten Gütetermins. Sie setzte als Verhandlungstermin für das ordentliche Arbeitsgerichtsverfahren den 15. Januar 1997 fest.


 

„Von allen Medien gibt die Zeitung dem Konsumenten die größte Entscheidungsfreiheit: Wieviel er zu welchem Thema erfahren will, hängt von ihm selber ab“

Überschrift zur „Woche der Zeitung“ im „Kölner Stadt-Anzeiger“, 23. September 1996


 

nach oben

Weitere aktuelle Beiträge

Mit Recht und Technik gegen Fake News

Als „vielleicht größte Gefahr“ in der digitalen Welt sieht die Landesanstalt für Medien NRW (LFM) die Verbreitung von Desinformationen. Insbesondere gilt das für die Demokratische Willensbildung. Daher wird die Aufsichtsbehörde ihren Scherpunkt im kommenden Jahr genau auf dieses Thema richten. Aber wie kann man der Flut an Fake News und Deep Fakes Herr werden?
mehr »

News-Junkie versus Nachrichtenvermeider

Eine Sonderausstellung im Museum für Kommunikation Berlin gibt Einblicke in die Geschichte der Nachrichten und unser Verhältnis dazu. Nie war es leichter, sich über das Weltgeschehen zu informieren als heute. Nie gab es mehr Medien und Formate, über die wir jederzeit und überall Nachrichten abrufen können. Doch wie können wir uns in diesem Dschungel zurechtfinden? Wie können wir gute Nachrichten produzieren?
mehr »

ver.di-Filmpreis für „Im Prinzip Familie“

„Im Prinzip Familie“ von Daniel Abma ist Gewinner des diesjährigen ver.di-Preises für Solidarität, Menschlichkeit und Fairness auf dem Internationalen Leipziger Festival für Dokumentar- und Animationsfilm DOK.  Der Film erhielt zudem den „film.land.sachsen-Preis“ für Filmkultur im ländlichen Raum sowie den Preis „Gedanken-Aufschluss“, von einer Jury aus Strafgefangenen der Jugendstrafvollzugsanstalt Regis-Breitingen. Damit gingen an „Im Prinzip Familie“ die meisten Auszeichnungen bei DOK Leipzig 2024.
mehr »

rbb-Intendantin blockiert Tarifeinigung

ver.di ruft die Beschäftigten des rbb ab dem 30. Oktober 2024 zu einem dreitägigen Warnstreik auf. Grund ist die Weigerung der Intendantin Ulrike Demmer, den seit dem Frühjahr ausgehandelten Beendigungsschutz-Tarifvertrag für freie Beschäftigte im Programm zu unterzeichnen und in Kraft zu setzen. Dabei hat auch der Verwaltungsrat dem Tarifvertrag schon seit Monaten zugestimmt.
mehr »