Presserat überarbeitete Kodex zum Schutz der Persönlichkeit
Auf der einen Seite steht das Informationsinteresse der Öffentlichkeit, auf der anderen die Persönlichkeitsrechte des Prominenten, des Täters und des Opfers. Journalisten müssen nach ethischen Gesichtspunkten abwägen. Der Pressekodex des Deutschen Presserates bietet dafür eine Richtlinie (Ziffer 8). Diese wurde überarbeitet und aktuellen Anforderungen angepasst. Im März beschlossen, trat sie umgehend in Kraft.
Als „Triebfeder zur Novellierung“, bezeichnet Ursula Ernst, Sprecherin des Presserats, den Wunsch vieler Redaktionen und Verlage, die Abwägungskriterien in der Kriminalberichterstattung zu konkretisieren. Wann darf ich einen Täter zeigen? Welche Rolle spielt der Verfahrensstand? Wie gehe ich mit Prominenten um? Das sind einige der Fragen, die nunmehr besser beantwortet werden können. Außerdem sei es notwendig gewesen, bestimmte überholte Begriffe herauszunehmen und an einigen Stellen präziser zu formulieren, so Ursula Ernst.
Neu ist eine eigene Richtlinie zum Opferschutz, die dem „Stellenwert, den Opfer im Presserat genießen, besser gerecht wird“. „Zuvor wurden Täter und Opfer im Kodex in einem Atemzug genannt“, erklärt
Ursula Ernst. Eine weitere Richtlinie zur Kriminalberichterstattung beschäftigt sich speziell mit Tätern und Tatverdächtigen. Hier ist nunmehr eine Gleichrangigkeit zwischen dem öffentlichen Interesse und den Persönlichkeitsrechten des Täters fixiert. Der Journalist muss entscheiden, was Vorrang hat, wann er identifizierend berichten darf. Das gilt zum Beispiel bei „außergewöhnlich schweren oder in ihrer Art und Dimension besonderen Straftaten oder wenn eine schwere Tat in aller Öffentlichkeit geschehen ist“. Neben Regelbeispielen gibt es konkrete Kriterien für identifizierende Berichte wie „Intensität des Tatverdachts, Schwere des Vorwurfs und auch der Verfahrensstand. Nach Abschluss eines Strafverfahrens soll eine Redaktion zudem das Resozialisierungsinteresse eines Täters im Blick haben“.
Die Abschnitte 8.2. bis 8.5. der Richtlinie sind Gruppen gewidmet, die vor identifizierender Berichterstattung besonders geschützt werden müssen: Opfer, Kinder und Jugendliche, Familienangehörige und vermisste Personen. Ausdrücklich wird darauf hingewiesen, dass bei der Berichterstattung über Straftaten und Unglücksfälle Kinder und Jugendliche in der Regel nicht identifizierbar sein sollen.
Auch in seinen Märzsitzungen mussten die drei Beschwerdeausschüsse erneut schwere Verstöße gegen die Ziffer 8 des Pressekodex – vor allem gegen den Opferschutz – mit Rügen ahnden. Vier gingen allein an Bild Online. So zeigte das Medium einen tödlich verunglückten Hubschrauberpiloten in einer unpassenden Fotocollage an der Absturzstelle ohne Einwilligung der Hinterbliebenen. Eine weitere Rüge gab es wegen der Berichterstattung über den Tod einer als „Nymphomanin“ bezeichneten Frau mit Foto, abgekürztem Namen, Spitznamen und Alter. Eine dritte Rüge wurde für den Bericht über einen Geisterfahrer kassiert, der einen schweren Unfall verursachte und dabei selbst ums Leben kam. Neben einem Foto führten Namensnennungen und persönliche Details aus seinem Leben direkt zu dem Mann.
Eine vierte Rüge betraf sowohl die Online- als auch die Print-Ausgabe von Bild. Vor Gericht wurde ein 76jähriger wegen Demenz und wahnhafter Psychose als nicht schuldfähig an der Ermordung seiner Frau erklärt. Dennoch wurden Fotos von Opfer und Täter gezeigt.
Zusammenfassung
Insgesamt wurden in den drei Ausschüssen im März 121 Beschwerden behandelt. Es gab 6 öffentliche Rügen, 2 nicht-öffentliche Rügen, 10 Missbilligungen und 16 Hinweise. 54 Beschwerden wurden als unbegründet erachtet. In 6 Fällen wurden die Beschwerden als begründet angesehen, auf eine Maßnahme wurde jedoch verzichtet.
Informationen
Weitere Informationen zu den Ergebnissen der Ausschüsse,
die neue Fassung der Ziffer 8 im Wortlaut und die dazu gehörigen Richtlinien unter: www.presserat.de
Die ausführlichen Statistiken zur Arbeit des Presserates z.B. im Jahr 2012 unter:
http://www.presserat.info/inhalt/beschwerde/statistik.html