Existenzbedrohende Auftragspraxis

Kaum noch eigene Bildredaktionen und Total-buy-out-Verträge für Freie

Bildredaktionen bei Tageszeitungen werden verkleinert, festangestellte Fotografen entlassen und bestenfalls noch als Pauschalisten weiter beschäftigt. Abdruckhonorare haben bei regional verbreiteten Zeitungen mittlerweile ein Niveau erreicht, dass selbst bienenfleißige Fotografen damit nur schwer über den Monat kommen können.

Von mediafon zusammengetragene Honorarspiegel weisen 10,23 Euro pro Foto bei den „Aachener Nachrichten“ oder 6,39 Euro bei der „Augsburger Allgemeinen“ bis zu 15,34 Euro bei der „Wuppertaler Rundschau“ aus. Dabei sind, so besagen Schätzungen, von den etwa 4.000 Bildjournalisten hierzulande nur noch um die 100 fest angestellt.

Die Digitalisierung der Fotografie, die zunächst als rein technischer Fortschritt daherkam, hat einen umfassenden Strukturwandel in den Arbeitsabläufen befördert. Das Fotografieren ist scheinbar einfacher, auf jeden Fall aber schneller und dezentraler geworden. Eigene Bildredaktionen erscheinen den Verlegern zunehmend als Luxus. Doch selbst dort, wo Outsourcing-Lösungen zunächst rundum vorteilhaft schienen, wandelt sich das Bild. Bei der „Eßlinger Zeitung“ sah der bis vor einigen Jahren fest angestellte Fotograf die Chance, als Freier mehr Raum für künstlerische Arbeit zu gewinnen. Er blieb der Zeitung vertraglich verbunden. Das von ihm gegründete Büro beliefert die Redaktion der in Esslingen und Umgebung mit 37.000 Exemplaren verbreiteten Regionalzeitung nach wie vor mit sämtlichen aktuellen Fotos. Allerdings wurde der Honorarrahmen dafür inzwischen zweimal gesenkt.

Mischlösungen

In großen Häusern dominieren Mischlösungen. Beim Berliner Verlag etwa erfüllt die dreiköpfige Bildredaktion der „Berliner Zeitung“ nur noch administrative und organisatorische Aufgaben. Man arbeitet mit sieben Pauschalisten – davon einem auf Recherche spezialisierten – und einer Reihe von Freien zusammen, die allesamt die rechteaufzehrenden Allgemeinen Geschäftsbedingungen des Verlages akzeptieren mussten. Die Erstdruckhonorare liegen mit reichlich 63 Euro für eine rund 200.000-Auflagen-Zeitung noch im nennenswerten Bereich, sind aber seit Jahren nicht gestiegen. Auch die Fotobeschaffungspraxis beim bildintensiven Boulevardblatt aus gleichem Hause, dem „Berliner Kurier“, ist vom „Drehen an der Kostenschraube“ gekennzeichnet, so Betriebsratsvorsitzende Renate Gensch. Wo möglich, würden Agenturmaterial oder kostenfreie Angebote aus dem Internet genutzt. Zwar arbeiten im Fotoressort neben der Chefin und einer Sachbearbeiterin noch vier Bildredakteure, die teilweise auch selbst fotografieren, doch die elf Pauschalistenverträge für Freie wurden zum Jahresende 2003 allesamt gekündigt. Nun dürfen sich die Fotografen für Einzelaufträge zu Honoraren verdingen, die „weit unter den Empfehlungen der Mittelstandsvereinigung Foto-Marketing liegen“. Eine so genannte „Umfragepauschale“ etwa, für die eine unbestimmte Anzahl Kopfporträts zu liefern ist, liegt bei 92,03 Euro. Die Tagespauschale für einen bis zu achtstündigen Einsatz beträgt 178,98 Euro. Die Verwertung der Fotos im Internet ist mit dem „Grundhonorar“ ebenfalls abgegolten. „Solche Honorar- und Auftragspraxis geht den freien Fotografen teilweise echt an die Existenz“, weiß die Betriebsratschefin aus Gesprächen.

Hohe Zeit für Onlineverkäufer

Nicht nur die Honorare, auch die Vertragsbedingungen für Fotokäufe werden immer fragwürdiger. 2003 wurde zumindest der Versuch der „Bild-Zeitung“, digital angefertigte Bilddaten als urheberrechtlich gar nicht geschützt zu behandeln, vom Hamburger Landgericht zurückgewiesen. Doch Allgemeine Geschäftsbedingungen, die bestimmen, dass der Fotograf mit einmaliger Honorierung sämtliche Nutzungsrechte an den Verlag überträgt, werden immer üblicher. Solche Total-buy-out-Verträge, deren Konformität mit dem Urheberrecht mehr als fraglich ist, besiegeln die Übertragung „sämtlicher Nutzungsrechte und verwandter Schutzrechte“ und verwehren nicht selten – wie etwa im Fall des hauptstädtischen TIP-Verlages, der ein Stadtmagazin herausgibt – sogar „Auskunftsansprüche über vorgenommene Verwertungen“. Wer solche Knebelverträge nicht unterschreibt, hat in der Regel den Schaden.

Bildverwerter andererseits offerieren 100 Prozent lizenzfreie Fotos bei einmaliger Downloadgebühr. Digitalvision warb vor einiger Zeit auf der Titelseite mit dem Spruch „Lassen sie sich nicht erpressen…“ und diffamierte damit die legalen Honorarforderungen von Fotografen und seriösen Bildagenturen. Stattdessen wurde das eigene Onlinearchiv als preiswerte Lösung angeboten. Der Sittenverfall im Urheberrecht wird so schließlich befördert und die Selbstbedienungsmentalität in Redaktionen und Verlagen angestachelt. Redakteure in den Fachressorts, die sich nach Wegfall spezialisierter Fotoabteilungen selbst um die Illustrierung von Beiträgen bemühen müssen, besitzen keine Kontakte zu professionellen Bildjournalisten, sie werden nach der Devise „bei Google gibt’s doch alles“ im Internet fündig. Oder sie fotografieren mit Digitalkameras selbst. Speziell in Lokalredaktionen geht der Trend dahin, Texter zu Terminen zu schicken, von denen sie das Foto gleich mitbringen sollen. Die Qualität leidet, aber seit im vergangenen Jahr sogar der Bundesgerichtshof bestätigt hat, dass Fotografieren zum Aufgabenbereich von Redakteuren gehört, ist dem auch juristisch schwerer Einhalt zu gebieten. Mitunter hilft Verweigerung. Beim „Schwäbischen Tagblatt“ in Tübingen und den Außenredaktionen wurden die Digitalkameras zwar angeschafft, bisher aber selten genutzt. Auf „nicht mal fünf Prozent“ schätzt Betriebsratsmitglied Hagen Klug den Anteil solcher Redakteursschnappschüsse, die ohnehin nur gemacht würden, wenn die zwei festangestellten Bildredakteure und die drei festen Freien Terminprobleme haben. Nachdem die „Journalisten neuerdings aus Spargründen bereits die Techniker beim Umbruch ersetzen müssen“, sei es Unsinn, „auch noch im Fotobereich zu dilettieren“, beharren sie.

Fotoredaktion in Hamburg aufgelöst

„Die Geschäftsführung der taz in Berlin hat beschlossen, die Hamburger Fotoredaktion aufzulösen und den beiden fest angestellten Redakteuren … bereits gekündigt.“ Diese Mitteilung konnten Anfang des Jahres alle Leser der Hamburger Ausgabe der „Tageszeitung“ auf ihren Lokalseiten finden. Den Protest gegen diese „menschlich unmöglich(e)“ Maßnahme verbanden Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Hamburger Ausgabe mit der Befürchtung, dass „die journalistische Qualität der taz Hamburg leiden wird“, wenn künftig „die schreibenden Redakteure auch fotografieren oder mit Symbolfotos arbeiten müssen“. Dennoch bleibt die Hoffnung, auf die Bilder der langjährigen Fotoprofis nicht verzichten zu müssen. Leser und Genossenschafter sind inzwischen mobilisiert, „bombardieren die Geschäftsführung mit Fragen und drohen Kündigungen an“, weiß Betriebsratschef Hans-Martin Kühnel. Die beiden Fotografen klagen.

Agenturen bestimmen Illustrationsmonopol

Die überregionalen Tageszeitungen bedienen sich im Politik- und Wirtschaftsteil überwiegend bei den großen Nachrichtenagenturen. Von individueller Bildsprache kann da kaum noch die Rede sein. Die großen Bildanbieter wie Getty Images, Corbis, Masterfile, Keystone oder auch nationale Agenturen wie dpa, ddp oder action press bestimmen über ihr Illustrationsmonopol zunehmend auch Themen. Selbst bei den größten Online-Anbietern ist abseits vom Mainstream wenig zu holen, gesellschaftliche Randgruppen und Konflikte in der Arbeitswelt sind für sie Randthemen, die kaum bedient werden. In Beilagen und auf Ratgeberseiten werden zunehmend auch für die Redaktionen kostenlose PR-Fotos eingesetzt. Gegen solche Trends, die mit Einsparbestrebungen der Verleger konform gehen, kann der einzelne Bildjournalist kaum angehen. Hier sind Gewerkschaften und andere berufliche Interessenverbände, ist eine mündige Öffentlichkeit gefragt, müssen Qualitätsansprüche eingefordert werden.

Sich den neuen technischen Entwicklungen zu verschließen, macht keinen Sinn. Ein Fotograf, der heute nicht im Internet auffindbar ist, ist für den Markt kaum noch vorhanden. Die eigene Webseite wird für Freie und Fotografenbüros immer zwingender. Doch wenn schon die fortschreitende Digitalisierung Investitionen nötig machte, so fordert der Anschluss an die Direktvermarktung via Internet weitere. Deshalb sollte Sorgfalt und Zeit auf der Suche nach einem geeigneten Vermarktungspartner verwandt werden. Neben reinen Bildagenturen – wo man Anfangsinvestitionen spart, aber fortan einen beträchtlichen Teil des Honorars für die Vermittlung verliert – haben sich mittlerweile auch Plattformen und virtuelle Marktplätze gegründet, die von Fotografen selbst verwaltet oder zumindest genau auf die Bedürfnisse von Freien zugeschnitten sind. Oft sind solche Datenbanken mit den Internetseiten der Fotografen verlinkt, Handling und Abrechnung laufen zwischen Bildautor und Kunden direkt. Als Orientierung, mit welchen Partnern der Anschluss ans digitale Zeitalter zu schaffen ist, schlagen wir eine kleine Auswahl vor (vgl. Marginalie).


Online-Fotoanbieter:

Virtuelle Marktplätze:

Portfolioplattformen und Fotosuchmaschinen:

Virtuelles Fotografieforum:

nach oben

Weitere aktuelle Beiträge

Die Zukunft der Filmförderung

In der morgigen Plenarsitzung des Bundestages wird über die Zukunft der deutschen Filmwirtschaft entschieden, der vom Bundestagsausschuss für Kultur und Medien beschlossene Gesetzentwurf zum Filmfördergesetz (FFG) steht zur Abstimmung auf der Tagesordnung. ver.di begrüßt eine Reform der Filmförderung, denn in Zukunft müssen Filmproduktionen Tarif- und Urheber-Vergütungen verbindlich einhalten.
mehr »

Rundfunkreform mit vielen Fragezeichen

Bis zuletzt hatten die öffentlich-rechtlichen Anstalten auf ein Ende der Blockade einer Beitragserhöhung durch die Ministerpräsidenten der Länder gehofft. Die Verweigerungshaltung der Politik ließ ihnen am Ende keine Wahl: Am 19. November kündigten ARD und ZDF eine Klage beim Bundesverfassungsgericht an, um ihren Anspruch auf die von der Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs (KEF) errechnete Empfehlung einer Beitragserhöhung um 58 Cent auf 18,94 Euro monatlich durchzusetzen.
mehr »

Audiodeskription: Die KI liest vor

Die Hälfte der öffentlich-rechtlichen Sender verwendet inzwischen auch synthetische oder mit Künstlicher Intelligenz (KI) generierte Stimmen, um für Fernsehformate Audiodeskriptionen zu erstellen. Das ergibt sich aus Nachfragen von M bei den neun ARD-Landesrundfunkanstalten und beim ZDF. Neben professionellen Sprecher*innen setzen der MDR, WDR, NDR, Radio Bremen und das ZDF auch auf synthetische oder KI-Stimmen für die akustische Bildbeschreibung.
mehr »

Gendergerechtigkeit per KI überprüfen

Ein Gender-Analyse-Tool der Technischen Universität München zeigt, wie Frauen medial ausgeklammert werden. Das Ziel vom  Gender Equality Tech Tool – GETT  ist es, die Sichtbarkeit von Frauen in der Berichterstattung bewusst zu fördern. Mit GETT kann über eine Kombination aus klassischen Algorithmen und Open-Source-KI-Modellen nachgeprüft werden, wie oft Frauen im Vergleich zu Männern in den Medien genannt und wie sie dargestellt werden.
mehr »