Filmemacher Dieter Wedel gestorben

Der vom NDR produzierte Film "Einmal im Leben" wurde ab dem 16. Januar 1972 im Ersten ausgestrahlt.
screenshot: kino.de/serie/einmal-im-leben-1972/

Der Regisseur und Drehbuchautor Dieter Wedel ist tot. Er sei bereits am 13. Juli im Alter von 82 Jahren in Hamburg gestorben, teilte das Oberlandesgericht (OLG) München am Mittwoch mit. An diesem Tag sollte das Landgericht München I entscheiden, ob eine Anklage gegen den Regisseur zugelassen wird. Dem Gericht liege sein Totenschein vor, sagte der Gerichtssprecher dem Evangelischen Pressedienst (epd). Auch die Rechtsanwaltskanzlei des Regisseurs bestätigte dessen Tod. Ihr Mandant sei nach langer schwerer Krankheit verstorben, hieß es.

Bekannt wurde der gebürtige Hesse 1976 mit den satirischen Geschichten über die Familie Semmeling. Anschließend feierte er zahlreiche Erfolge, beispielsweise mit dem ZDF-Vierteiler „Der große Bellheim“, dessen Produktionskosten damals zu den teuersten deutschen Fernsehprojekten zählten. In ihm erzählt der Regisseur die Geschichten einer untergehenden Kaufhaus-Dynastie in Hannover. Millionen von Zuschauerinnen und Zuschauern schauten seine Filme, die er unter anderem für ARD und ZDF produzierte.

Gegen den renommierten Filmemacher liefen zivil- und strafrechtliche Verfahren. In einer Zivilsache gegen ihn habe es noch in der vergangenen Woche Verhandlungen gegeben, sagte eine Sprecherin des Landgerichts München I. Im März 2021 hatte die Staatsanwaltschaft München I gegen den Regisseur Anklage wegen Vergewaltigung erhoben. Zuvor hatte ihn die Schauspielerin Jany Tempel beschuldigt, sie im Sommer 1996 in einem Münchner Luxushotel zum Geschlechtsverkehr gezwungen zu haben. Wedel bestritt die Vorwürfe bis zuletzt.

Bereits im Januar 2018 hatte die Wochenzeitung „Die Zeit“ über Anschuldigungen mehrerer Schauspielerinnen berichtet, die dem Regisseur Übergriffe während Dreharbeiten vorwarfen. Sie reichten von Machtmissbrauch bis hin zu sexueller Nötigung und Vergewaltigung. Die mutmaßlichen Vorfälle sollen mehrere Jahrzehnte zurückliegen. Nachdem die Vorwürfe bekannt geworden waren, trat Wedel 2018 als Intendant der Bad Hersfelder Festspiele zurück. Die Leitung hatte er 2014 übernommen. Zuvor hatte er unter anderem zwischen 2003 und 2014 die Nibelungenfestspiele in Worms geleitet. Die ARD, das ZDF, die Firma Bavaria Film und der Privatsender Sat.1, für die Wedel tätig war, hatten nach Bekanntwerden der Vorwürfe gegen ihn interne Untersuchungen eingeleitet, fanden allerdings keine Hinweise auf mögliche Übergriffe.

Das nun eingestellte Verfahren gegen Wedel sei medial zum angeblichen „Musterverfahren“ einer gesellschaftlichen Bewegung aufgebauscht worden, erklärte die Münchner Rechtsanwaltskanzlei Gauweiler & Sauter, die den Regisseur vertreten hatte. Unter anderem, weil einzelne Medien in vorverurteilenden Berichterstattungen die Rollen des Journalisten und des Strafverfolgers vermischt hätten, sei eine rechtsstaatlich normale, faire Aufarbeitung des erhobenen Vorwurfs behindert worden, so die Kanzlei.

Der Münchner Rechtsanwalt Alexander Stevens, der die Schauspielerin Jany Tempel vor Gericht vertreten hatte, teilte mit, seine Mandantin hoffe, dass sich mit dem Tod Wedels auch andere von sexueller Gewalt betroffene Frauen trauten, sich an die Öffentlichkeit zu wenden. Zudem hoffe sie, dass der Fall trotz Wedels Tod restlos aufgeklärt werde.

Wedel wurde als Sohn eines Ingenieurs und einer Pianistin in Frankfurt am Main geboren. Zu seinem Geburtsjahr gibt es unterschiedliche Angaben. Wedel selbst gab an, 1942 geboren zu sein. Er wuchs im hessischen Bad Nauheim auf und studierte Theaterwissenschaften, Publizistik und Geschichte an der Technischen Universität Berlin. 2010 veröffentlichte der sechsfache Vater seine Autobiografie „Vom schönen Schein und wirklichen Leben“. Zuletzt lebte Wedel in Hamburg und auf der spanischen Insel Mallorca.

 

 

nach oben

Weitere aktuelle Beiträge

Komplett-Verweigerung der Rundfunkpolitik

Nachdem die Ministerpräsident*innen am heutigen Donnerstag zur Rundfunkpolitik beraten haben, zeichnet sich ein düsteres Bild für die öffentlich-rechtlichen Medien, ihre Angebote und die dort Beschäftigten ab. Beschlossen haben die Ministerpräsident*innen eine Auftrags- und Strukturreform und einen ab 2027 geltenden neuer Mechanismus zur Festsetzung des Rundfunkbeitrags. Nicht verabschiedet wurde jedoch der fällige Rundfunkbeitragsstaatsvertrag.
mehr »

Gendergerechtigkeit per KI überprüfen

Ein Gender-Analyse-Tool der Technischen Universität München zeigt, wie Frauen medial ausgeklammert werden. Das Ziel vom  Gender Equality Tech Tool – GETT  ist es, die Sichtbarkeit von Frauen in der Berichterstattung bewusst zu fördern. Mit GETT kann über eine Kombination aus klassischen Algorithmen und Open-Source-KI-Modellen nachgeprüft werden, wie oft Frauen im Vergleich zu Männern in den Medien genannt und wie sie dargestellt werden.
mehr »

Gewalt an Frauen bleibt Leerstelle

Gewalt gegen Frauen ist in Deutschland alltäglich. Und nicht nur in Politik und Justiz besteht großer Nachholbedarf im Kampf gegen geschlechtsspezifische Gewalt: Auch die journalistische Praxis zeigt deutliche Schwächen und erhebliche Leerstellen. Der aktuelle Trendreport der Otto Brenner Stiftung nimmt die Jahre 2020 bis 2022 in den Blick und stellt fest: Gewalt gegen Frauen wird isoliert dargestellt, ohne strukturelle Ursachen und Präventionsmöglichkeiten zu thematisieren. Das betrifft besonders deutsche Täter. Die Perspektive der Opfer bleibt unterbelichtet.
mehr »

Gewalt gegen Medienschaffende

Eine erneut alarmierende Bilanz zieht die internationale Organisation Reporters Sans Frontiers (RSF), die weltweit Angriffe und Gewalttaten gegen Journalist*innen und damit gegen die Pressefreiheit dokumentiert: 55 getötete, 550 inhaftierte, 55 in Geiselhaft genommene und 95 unter unklaren Umständen vermisste Medienschaffende sind bis Anfang Dezember für dieses Jahr zu beklagen.
mehr »