Frauen und ihre sozialen Bewegungen

Screenshot https://www.digitales-deutsches-frauenarchiv.de/start

„Geschichte von unten sichtbar zu machen – das ist Ziel des Digitalen Deutschen Frauenarchivs DDF in Berlin, das seit September ein Fenster in analoge Archive über Frauen und ihre sozialen Bewegungen bietet“, so Pressesprecherin Susanne Diehr. Schwerpunktthema dieses Jahres war „100 Jahre Frauenwahlrecht“, 2019 behandelt der Fokus „30 Jahre Friedliche Revolution“ die Geschichte der DDR-Frauen. Interessierte finden hier Zeitdokumente, Quellentexte, Tonträger und Bilder aus 41 deutschsprachigen Frauen-Archiven, die durch Essays von Wissenschaftler_innen eingeordnet werden.

Die Anfänge des DDF gehen zurück ins Jahr 2013. Im Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD wurde damals vereinbart, existierende Materialien zur „Deutschen Frauenbewegung, unter besonderer Beachtung der Frauenbewegung in der DDR und der Umbruchzeit 1989/90“ wissenschaftlich aufzuarbeiten, in einem ‚Digitalen Deutschen Frauenarchiv‘ zu sichern und der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Diese Aufgabe hat dann der  i.d.a.-Dachverband übernommen, in dem die beteiligten Frauen-/Lesbenarchive, -bibliotheken und -dokumentationsstellen zusammengeschlossen sind. Seit 2016 werden Digitalisierungsprojekte der i.d.a.-Mitglieder mit Standort Deutschland gefördert und zwölf angestellte Mitarbeiter_innen in der Berliner DDF-Geschäftsstelle finanziert. Insgesamt erhält das Digitale Frauenarchiv eine halbe Million Euro pro Jahr vom Frauenministerium BMFSF – zunächst bis Ende 2019.

Das Fachportal, das laufend erweitert wird, bietet Informationen zu Themen, Akteur_innen und Netzwerken der Frauenbewegungen in den vergangenen 200 Jahren. Slogans wie „Frauen meistern die Technik!“, „Ohne Frauen ist kein Staat zu machen!“ oder „Das Private ist Politisch!“ zeigen, mit welchen Themen sich die Frauenbewegungen auseinandergesetzt haben. Diese werden in sechs Rubriken eingeteilt, wobei „Politik, Recht und Gesellschaft“ mit 19 von 35 Essays die umfangreichste ist.

In der Rubrik „Akteurinnen“ sind bisher 45 Persönlichkeiten und Organisationen versammelt. Älteste ist die 1819 geborene Louise Otto-Peters, eine engagierte Frauenpolitikerin, die ihren Lebensunterhalt als Schriftstellerin und Journalistin verdiente. Sie gründete die „Frauen-Zeitung“ und initiierte den „Allgemeinen Deutschen Frauenverein“. Die jüngste Akteurin in der Rubrik ist die Leipziger Frauenrechtlerin Cornelia Matzke (Jahrgang 1961). Für den Unabhängigen Frauenverband zog sie 1990 als Abgeordnete in den Sächsischen Landtag ein.

Alle Frauen sind mutig! stark! schön!“ heißt es auf einem Wahlplakat des Unabhängigen Frauenverbandes vom März 1990. Es ist eines von drei Postkartenmotiven, mit denen das DDF bereits im Mai 2017 Dokumente zur Frauenbewegungsgeschichte in Ostdeutschland sammelte. Im November erhielten fünf Archive mit dem Fokus DDR-Frauen eine Projektförderung für Interviews mit Zeitzeuginnen und die Digitalisierung zentraler Dokumente. Vorgestellt werden die Originalmaterialien zum DDF-Schwerpunkt „30 Jahre Friedliche Revolution“ auf einer Konferenz im Juni 2019 in Leipzig.

Pressesprecherin Susanne Diehr erläutert das feministische Konzept des Digitalen Frauenarchivs: „Geschichte spricht nicht für sich, sie wird immer aus einer bestimmten Perspektive interpretiert und mit einem bestimmten Interesse erzählt.“ Anders als die meisten Geschichtsbücher mache das Archiv die Frauen sichtbar, die für Demokratie und soziale Gerechtigkeit gekämpft haben.

Diese mutigen Frauen sind auch heute noch als Vorbilder wichtig, denn „Rechte, die erstritten wurden, können wieder verloren gehen“, so Susanne Diehr mit Blick auf das Frauenwahlrecht von 1918, das durch die Scheinwahlen in der Nazizeit ausgehebelt wurde. Daraus seien auch Lehren für die Gegenwart zu ziehen, meinte DDF-Geschäftsführerin Sabine Balke Estremadoyro in einem Interview mit dem Deutschlandfunk. Sie sagte, angesichts einer AfD, die gegen Ausländer polemisiere und Frauen wieder zurück an den Herd holen wolle, müsse klar sein, „dass wir die Ohren spitzen und sagen: Nicht mit uns! Und gerade die Feministinnen sind dafür da zu sagen, wir wollen unseren Beitrag für die Demokratie leisten. Es ist ganz klar: Wir kämpfen! Und dieses Digitale Archiv kommt gerade zur rechten Zeit.“

Das Frauenarchiv ist nicht nur eine Fundgruppe für die interessierte Öffentlichkeit, sondern auch für Forschende und Multiplikator_innen, die hier hilfreiches Informationsmaterial finden. In der Blog-Rubrik gibt es z. B. für Erinnerungseinrichtungen Praxistipps zur Rechteklärung. In der Broschüre „Bewegungsgeschichte digitalisieren“, die kostenlos heruntergeladen werden kann, bündeln die i.d.a.-Mitgliedseinrichtungen ihre Erfahrungen bei der Klärung von Urheberrecht, Persönlichkeitsrecht und Datenschutz.

Pressesprecherin Diehr zieht nach den ersten drei Monaten eine positive Bilanz: „Das Portal wird sehr gut besucht. Zu Jubiläen wie ‚100 Jahre Frauenwahlrecht‘ am 12. November schnellten Zugriffe nochmals in die Höhe, was zeigt, dass es großen Informationsbedarf gibt.“

nach oben

Weitere aktuelle Beiträge

Europarat muss Pressefreiheit schützen

Anlässlich der Vorstellung des diesjährigen Europarats-Berichts zur Pressefreiheit in Europa fordert die Deutsche Journalistinnen- und Journalisten-Union (dju) in ver.di die Gremien der Europäischen Union zur dringenden Umsetzung verbindlicher Schutzmaßnahmen von Pressevertreter*innen auf. „Wir beobachten die drastische Zunahme von Angriffen auf unsere europäischen Kolleginnen und Kollegen mit großer Sorge, denn sie hängen unmittelbar mit dem Erstarken demokratiezersetzender politischer Bewegungen zusammen“, sagt der dju-Co-Vorsitzende Lars Hansen.
mehr »

Fahndungsfotos: Widerrechtlich im Einsatz?

Öffentlichkeitsfahndungen mit Hilfe der Medien sind eigentlich nur bei erheblichen Straftaten erlaubt. Trotzdem greifen Strafermittler auch bei Tankbetrug, Ladendiebstahl oder Rezeptfälschung zu diesem einschneidenden Mittel. Manchmal werden auch völlig Unschuldige an den Fotopranger gestellt. Die Medien veröffentlichen die Fahndungsfotos in aller Regel ungeprüft. Nach Ansicht der dju sollten die Redaktionen aber die Verhältnismäßigkeit hinterfragen. 
mehr »

Viel Parteienfunk, wenig Transparenz

Im Gefolge des Skandals beim Rundfunk Berlin-Brandenburg (RBB) werden auch die öffentlich-rechtlichen Kontrollgremien verstärkt kritisch beäugt. Geht es nach dem Urteil des Journalisten und Medienbloggers Peter Stawowy, dann ist das trotz einiger Reformbemühungen nach wie vor mehr als berechtigt. Zu starker Parteieneinfluss, mangelnde Transparenz, ineffiziente Strukturen -  dies nur einige der Defizite, die der Autor in seiner im Auftrag der Otto Brenner verfassten Studie ermittelt hat.
mehr »

Sprache als Pfeiler der Demokratie

Auf der Jahrestagung des Netzwerks Medienethik in Tutzing ging es um Sprache als Verständigungsmittel und journalistisches Handwerkszeug in einer politisch polarisierten Welt, in der gesprochene und geschriebene Sprache zunehmend von KI generiert wird. Über Probleme wie Hate Speech oder Diskriminierung und Potenziale für Inklusion oder Diversität diskutierten Teilnehmende aus Medienwissenschaft und -praxis. Sie loteten ethische Grenzen für den demokratischen Diskurs aus – mit interessanten Ein- und Ausblicken.
mehr »