Mehr als 50 junge Leute waren am 21. April in den Hessischen Rundfunk (HR) gekommen, um sich über einen Einstieg in den Journalismus zu informieren. Geboten wurde ein Kontrastprogramm, das verdeutlichte: An der Ausbildung zum Hörfunk-Journalismus im HR wäre einiges zu verbessern. Vorgestellt wurden dagegen Ansätze, die ewig-gestrige Vorstellung „Lehrjahre sind keine Herrenjahre“ in der Berufsausbildung zu umgehen.
Eingeladen hatte dazu die Deutschen Journalistinnen- und Journalisten-Union(dju) in ver.di, der Jugendpresse Hessen (JPH) e.V., und der ver.di-Senderverband im Hessischen Rundfunk. Anja Willmann von „connexx av“, dem gewerkschaftlichen Kooperationsprojekt für Medienschaffende in Frankfurt, vertrat die Position von ver.di: „Journalismus muss Spaß machen und gut bezahlt werden“. Die Ausbildung dürfe nicht automatisch dazu führen, danach als Freiberufler_in zu Dumpinglöhnen schuften zu müssen. Auch Journalistinnen und Journalisten müssten Sicherheit haben, zum Beispiel um eine Familie gründen zu können.
Andreas Jung, Ausbilder im HR, demotivierte allerdings: Bis zu 500 Bewerbungen gingen dort pro Jahr ein; 36 Bewerber würden eingeladen, höchstens zehn eingestellt. Im Klartext teilte er den Berufsanwärter_innen so mit: Ihr müsst euch darauf einstellen, dass es viel Konkurrenz gibt, nur wenige können sich durchsetzen. „Wir spüren sehr schnell, wer für diesen Beruf brennt und Leidenschaft hat“, sagte er. Aus dem Kurzfilm zu Werbezwecken für die HR-Ausbildung ging jedoch anderes hervor. Zu sehen war eine Gruppe junger Reporter_innen, die Verkehrsmeldungen aufbereitete; vor allem darauf konzentriert, Kamera-affin einen guten Eindruck zu hinterlassen. Keine Rede davon, dass Journalismus etwa auch aus Beharrlichkeit besteht, zum Beispiel Behörden bei wichtigen politischen Themen an deren Auskunftspflicht zu erinnern, Politiker an ihre Wahlversprechen, etc.. Angesichts des Werbespots über die HR-Ausbildung hätte man denken können: Das Berufsbild erschöpfe sich darin, gut auszusehen und grammatikalisch saubere Sätze sprechen zu können.
Die 24-jährige freie Journalistin Caro Lobig dagegen argumentierte, Hauptgedanke angehender Journalist_innen dürfe nicht sein, sich einzig gut verkaufen zu können, sondern seinen „tiefsten Überzeugungen“ zu folgen. „Lasst euch keine Angst machen“, sagte sie. Sie selber habe einfach mal eines ihrer Vorbilder angerufen, den Enthüllungsjournalisten Günter Wallraff, sich später dessen investigativ tätigem Team angeschlossen. Selbst wenn nicht jeder einen so eigenwilligen Einstieg wie diese Senkrechtstarterin, die noch vor fünf Jahren „genauso im HR gesessen“ hatte, schaffen mag, kann durchaus einleuchten: Der Beruf einer Journalistin oder Journalisten besteht aus Zivilcourage, guten Ideen, dem Wagemut, sie umzusetzen; sich seine Ideale nicht ausreden zu lassen. Ihr Rat an Berufsanfänger: „Herzensprojekten nachgehen, Visionen behalten, neugierig sein, seinen Idolen über die Schulter schauen“: Nicht den Wettlauf anzutreten, allen Regeln ständig hinterherzurennen; sich lieber in Netzwerken mit anderen zusammenzuschließen; mit deren Unterstützung letztere auch mal zu brechen.
Caro Lobig hat es geschafft. Zunächst hatte sie sich, fest angestellt beim „Team Wallraff“, undercover für drei Monate lang beim Onlineversand-Konzern Zalando eingeschlichen; in Zusammenarbeit mit ver.di dort drei Monate lang mit einer versteckten Kamera die miserablen Arbeitsbedingungen recherchiert; ebenso den Pflegeskandal in verschiedenen Behindertenwohnheimen ans Tageslicht befördert. Nun ist sie mit ihrer eigenen Produktionsfirma „Catamaranfilms“ unter anderem für RTL, Vox und den DGB tätig. Sie war in Flüchtlingsrettungsboote auf dem Mittelmeer des Vereins „Jugend rettet“ eingestiegen. Brauchten die Helfer dort Hilfe, habe sie „mit angepackt“.
Klar gehe es auch darum, mit Kritik umgehen zu können. Die in ihrem Fall lautete, sie sei nicht unparteiisch und objektiv: Berichte aus Betroffenheit. Doch in einer solchen Notsituation könne eine Journalistin nicht nur daneben stehen, argumentiert Caro Lobig. Letztlich sei ihr Anliegen, Menschen, die vielleicht ansatzweise rassistisch orientiert seien, so zu berühren, dass sie ihre Meinung ändern. Bei RTL habe sie mit „Die Flüchtlingsretter“ 2,7 Millionen Menschen erreicht. Sich um seine Informanten zu kümmern, gehöre zum Berufsbild.
Wie sie sich einst als Frau ins Männermetier des Profifußballs als Sportreporterin an den HR-Mikrofonen nach oben gekämpft hatte, berichtete die dort tätige Martina Knief. Frauenfußball sei bis 1970 in Deutschland sogar verboten gewesen, erklärte sie. In der Sportredaktion habe sie ständig gesagt: „Ich will zum Fußball“. Mit Hochkommen der Frauenliga habe sie als Fußballreporterin Fuß fassen können.
Knief fasste auch heiße Eisen an: „Wie kritisch dürfen Journalisten fragen?“ Ihre Antwort darauf: „Wir sind dazu da, das zu tun“. Und: „Wenn ich mich beschimpfen lassen muss, dann ist das halt so“. Auf die Frage aus dem Publikum, ob das Internet den Radiojournalismus überflüssig machen könne, antwortete Knief: Nein, qualitativ gutes Hörfunk-Programm müsse es geben; umso mehr wenn der HR-Bericht möglicherweise über Podcast (Mediendateien im Internet) gehört werde. Auch stimmte sie nicht überein mit dem HR-Ausbilder Andreas Jung, dass ein Journalist mindestens in zwei der drei Metiers „Hörfunk, Fernsehen, Online“ gut sein müsse. Ihrer Erfahrung nach sei gut, wer sich spezialisiere und in einem Bereich besondere Kenntnisse besitze.
Lisa Brüßler vom unabhängigen Verband junger Medienmacher „Jugendpresse Hessen“ berichtete von der Möglichkeit, dort Hilfe beim Einstieg zu erhalten, um etwa erste Arbeitsproben zu bekommen.