Die Bundesdatenschutzbeauftragte übt heftige Kritik an der polizeilichen Datenbank Inpol, die beim G20-Gipfel im Juli 2017 die Grundlage für den Entzug von 32 Presse-Akkreditierungen war. Danach ist die Qualität der Daten fragwürdig und ebenso die lange Zeit der Speicherung, mitunter bis zu zehn Jahren. Den Akkreditierungsentzug an sich stellt sie jedoch nicht in Frage.
Einem Beitrag des ARD-Hauptstadtstudios in der Tagesschau am 21. Februar zufolge, kommt Voßhoff in einem vertraulichen Bericht an den Bundestag zu dem Schluss, dass dieses Vorgehen des Bundespresseamts datenschutzrechtlich nicht zu beanstanden sei. Das ist es aber auf Grundlage einfacher Logik. Es ist ein einziges Unding.
Die Opfer dieses Skandals lassen sich in vier Kategorien einteilen (wobei Überschneidungen möglich sind). Erstens gab es mindestens eine Personenverwechslung. Zweitens waren ein paar von ihnen nie verurteilt worden. Sie wussten zum Teil gar nicht, dass jemals ein Verdacht gegen sie vorgelegen hatte. Bei zumindest einigen von ihnen hat sich das Bundespresseamt irgendwann entschuldigt. Drittens sind da die Leute, die vor Jahren – und zum Teil, bevor sie hauptberuflich journalistisch arbeiteten – mal wegen einer Kleinigkeit wie der Teilnahme an einer Sitzblockade verurteilt worden waren. Und dann gibt es diejenigen, bei denen tatsächlich aktuelle Anhaltspunkte für ein unerwünschtes politisches Denken und Beziehungen zu entsprechenden Kreisen vorliegen sollen. Sogar handfestere Straftaten wie eine Gleisblockade sollen Einzelnen nachgewiesen worden sein.
Aber das alles tut nichts zur Sache! Selbst wenn ein Journalist systemfeindliche Bewegungen unterstützt, muss er ins Pressezentrum des G20-Gipfels dürfen.
Das Bundespresseamt bezeichnete die Diskreditierten pauschal als Sicherheitsproblem. Dabei gab es natürlich Taschenkontrollen am Zugang zum Pressezentrum. Welche Gefahr soll also bestanden haben? Regierungssprecher Steffen Seibert nannte zur Erläuterung: „Schuhe werfen, solche Dinge“. Selbst das wäre schwer zu bewerkstelligen, seien doch die Regierungschefs bei solchen Gipfeln „nur noch auf Leinwänden zu sehen, kaum direkt zu sprechen oder zu beobachten“, so die Süddeutsche Zeitung.
Dass abstrakte Ängste vor Lappalien schwerer wiegen sollen als die Unschuldsvermutung und die Pressefreiheit, ist der Hauptskandal am Vorgehen des Bundespresseamts. Hanebüchen ist zudem, dass die zunächst erteilten und zum Teil ja auch schon genutzten Akkreditierungen laut Voßhoff wegen einer „deutlichen Lageverschärfung in der Nacht vom 6.7. auf den 7.7“ – noch bevor die schwersten Krawalle losgingen – zurückgezogen worden sein sollen. Behördenlogik: Macht die Schotten dicht, auch wenn im Zweifel Details wie die Pressfreiheit hinten runterfallen.
Es ist also davon auszugehen, dass die Verantwortlichen den G20-Akkreditierungsskandal nie in seinem vollen Umfang bedauern werden. Und deshalb wird ähnliches wieder passieren. Die nun extra im Bundespresseamt geschaffene Stelle für die sofortige Überprüfung von pressefeindlichen Maßnahmen und die von der Datenschutzbeauftragten geforderte Reform der Datenbank Inpol werden daran wohl nichts Grundsätzliches ändern, sondern maximal einzelnen Betroffenen der ersten drei Kategorien helfen.
Die neun Medienschaffenden, denen beim G20-Gipfel die Akkreditierungen entzogen worden waren, klagen dagegen nun vor dem Verwaltungsgericht Berlin. Acht von ihnen werden dabei von der dju in ver.di unterstützt.