Geheime Brückensache

dpa klagt gegen Bundesverkehrsministerium auf Datenfreigabe

Die dpa Redaktion DataReporting hat ihre eigene, höchst spezifische Arbeitsweise. Fünf Journalisten durchforsten große Datenbanken nach Neuigkeiten und recherchieren diese in der Wirklichkeit nach. Einen Überblick aber über den Zustand der rund 40.000 Brücken und Tunnel deutscher Autobahnen und Fernverkehrsstraßen zu bekommen, ist ihnen bislang nicht gelungen.

Zwei Jahre lang haben sich die Rechercheure vergeblich um Bauwerksdaten aus der Straßeninformationsbank bemüht, die in die dpa-Berichterstattung zur Verkehrsinfrastruktur einfließen sollen. Im Februar schließlich reichte die Nachrichtenagentur Klage beim Berliner Verwaltungsgericht gegen das Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (BMVBS) auf Herausgabe der Daten ein.
Das 2006 in Kraft getretene Informationsfreiheitsgesetz (IFG) verpflichtet Verwaltungen, Statistiken, Berichte, Verträge und anderes offen zu legen – allein: Das Bundesverkehrsministerium verweigerte die Übermittlung der geforderten Datensätze. Es lieferte nur zusammenfassende Berichte nach eigenen Kriterien, was eine unabhängige journalistische Arbeit unmöglich macht. Die Anfrage der dpa erstrecke sich auf eine Vielzahl von Informationen für alle Brücken und Tunnel – darunter Daten, die mit „Blick auf die innere Sicherheit und eine potenzielle Terrorismusgefahr nicht zur Verfügung gestellt werden können“, blockte das Ministerium ab.
Für DataReporting Redakteur Lars-Marten Nagel – der bereits über den besorgniserregenden Zustand Hamburger Brücken berichtete – sind das vorgeschobene Argumente: „Wir vermuten, dass einfach zu viele Brücken in zu schlechtem Zustand sind, was zu bekennen für das Ministerium natürlich ein Problem ist.“ Potenzielle Terroristen brauchten solche Daten nicht, sie könnten ganz einfach hingehen und sich eine Brücke aussuchen.
Die dpa sieht durch die Verweigerungshaltung des Ministeriums das gesetzlich verbriefte Informationsrecht ausgehebelt. Fragen nach Details zum Zustand der Infrastruktur seien berechtigt, was nicht zuletzt die Katastrophe des Kölner Stadtarchivs und die Mängel beim dortigen U-Bahnbau gezeigt hätten. Mit einem Verweis auf mögliche Terroranschläge könnten solche Informationsbegehren nicht abgelehnt werden.
Sechs Tage nach Einreichen der Klage, berichtet Nagel, hätte das Ministerium mit einem Kostenangebot reagiert: Mit rund 5.000 Euro für eine speziell zu entwickelnde Software seien die Daten auszulesen. Das IFG sehe für die „Herausgabe von Informationen die Erhebung von Auslagen“ vor. Diese Kosten könnten nicht vom BMVBS getragen werden, da es sich um den Einsatz von Steuergeldern handele, heißt es in einer Stellungnahme. „Das aber war keine formale Antwort auf unseren Widerspruch“, sagt Nagel. „Die Klage war bereits eingereicht. Jetzt ziehen wir uns nicht heraus, sondern wollen klare Verhältnisse haben.“ Auf parallele Verhandlungen lasse sich die dpa nicht mehr ein.
Einen Präzedenzfall für die Informationsfreiheit zu schaffen, wird von der Journalistenvereingung Netzwerk Recherche begrüßt. „Nur wenn große Medienhäuser ihre Rechte nutzen und bereit sind, Musterprozesse zu führen“, sagt Manfred Redelfs vom Netzwerk-Vorstand, „wird die alte Verwaltungskultur, die vom Amtsgeheimnis geprägt ist, von einer Kultur der Transparenz abgelöst werden.“ Die dpa übernehme hier eine Rolle, vor der freie Journalisten schon aus Kostengründen zurückschreckten.

nach oben

Weitere aktuelle Beiträge

Altersdiskriminierung beim WDR?

Der WDR serviert freie Mitarbeiter*innen ab, die im Rentenalter für den Sender arbeiten wollen. Damit tut er genau das Gegenteil von dem, was in der öffentlichen Diskussion derzeit geraten wird. Während Angestellte sich also über Jahre hinweg auf einen Termin für ihren Ruhestand vorbereiten konnten, wird langjährigen freien Mitarbeiter*innen nun mit kurzer Frist mitgeteilt, wann für sie angeblich Schluss sein soll. Altersdiskriminierung will man beim WDR aber nicht erkennen – für den Sender gehe es vielmehr darum, jüngeren Mitarbeitenden nicht den Einstieg zu blockieren.
mehr »

„PR-Puppen“ proben den Aufstand 

Kreative, die der Tech-Konzern OpenAI (ChatGPT, DALL-E) zu einem geschlossenen Produkttest eingeladen hatte, leakten den Testzugang kürzlich und griffen OpenAI in einem Protestschreiben öffentlich an. Sie warfen dem Unternehmen u.a. vor, sie für Marketing und PR zu missbrauchen und Art Washing zu betreiben.Eine teilnehmende Person schildert M , wie es zu dem Leak kam und was Techkonzerne künftig bei der Zusammenarbeit mit Kreativen besser machen können.
mehr »

Studienergebnisse: Worlds of Journalism

Was bedeutet es heute, Journalist*in zu sein? Welche Dynamiken und Entwicklungen lassen sich im Berufsfeld wahrnehmen? Was brauchen wir, um gute und professionelle Arbeit machen zu können? Zu diesen Fragen führt das Langzeitforschungsprojekt „Worlds of Journalism“ seit 2007 weltweit Befragungen durch. Von 2021 bis 2023 ging die Studie in die dritte Runde. Unterstützt von UNESCO und der International Federation of Journalists, fokussiert die aktuelle Umfrage auf den Themenkomplex Risiken und Ungewissheiten. Ein Blick in die Schweiz.
mehr »

Klimaprotest erreicht Abendprogramm

Am 20. August 2018, setzte sich die damals 15jährige Greta Thunberg mit dem Schild “Skolstrejk för Klimatet“ vor das Parlament in Stockholm. Das war die Geburtsstunde von Fridays for Future (FFF) – einer Bewegung, die nach ersten Medienberichten international schnell anwuchs. Drei Jahre zuvor hatte sich die Staatengemeinschaft auf der Pariser Klimakonferenz (COP 21) völkerrechtlich verbindlich darauf geeinigt, die Erderwärmung auf deutlich unter zwei Grad Celsius gegenüber dem vorindustriellen Niveau zu begrenzen.
mehr »