Beitragsanpassung unter der Inflationsrate

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Seit die aktuelle Empfehlung der KEF zur Beitragsanpassung vorliegt, gibt es mehrere Ministerpräsidenten, die eine Zustimmung zu einer Erhöhung kategorisch ausschließen. Dabei hatte das Bundesverfassungsgericht vor drei Jahren bereits geurteilt, dass sich ein Bundesland dem Vorschlag der KEF im bislang gültigen Verfahren nicht einfach so widersetzen darf. M sprach mit dem KEF-Vorsitzenden Prof. Dr. Martin Detzel über die aktuelle Debatte um die Rundfunkfinanzierung.

Diverse Medienpolitiker*innen – unter anderem die Ministerpräsidenten von Sachsen-Anhalt und Brandenburg – wollen der KEF-Empfehlung nicht zustimmen. Wird da zum Verfassungsbruch aufgerufen?

Ich nehme Aussagen einzelner Politiker zur Kenntnis. Aber klar ist: Für die Kommission gelten die verfahrensrechtlichen Grundsätze. Das beginnt mit dem Auftrag der Anstalten – und dieser Auftrag wurde von allen 16 Ministerpräsidentinnen und -präsidenten in der jetzigen Form unterschrieben. Auf dieser Basis haben die Anstalten angemeldet, hat die KEF geprüft und ihre Empfehlung zur Erhöhung des Beitrags um 58 Cent im Februar an die Länder überreicht. Diese haben nun verfahrensmäßig die Aufgabe, unsere Empfehlung umzusetzen, sofern es nicht verfassungsrechtlich anerkannte Gründe gibt, davon abzuweichen.

Das Verfassungsgericht hat ganz klar die sehr engen Voraussetzungen aufgezeigt, unter denen eine Abweichung zulässig ist. Im Wesentlichen ist dies der Fall, wenn der Informationszugang für die Bürgerinnen und Bürger eingeschränkt würde oder wenn diese unangemessen belastet würden. Beide Argumente wurden bisher von keinem der Länder, die einer Umsetzung der KEF-Empfehlung nicht zustimmen wollen, vorgebracht.

Dr. Martin Detzel
Prof. Dr. Martin Detzel. Foto: DHBW Karlsruhe

Die Rundfunkkommission der Länder hat bei der KEF ein „Sondergutachten zur Beitragsrelevanz möglicher Reformansätze“ in Auftrag gegeben. Wann wird das vorgelegt?

Die Länder haben Fragen für einen Sonderbericht an die KEF übermittelt, die als Arbeitsgrundlage für den angekündigten Reformstaatsvertrag dienen sollen. Wir haben die Fragen – sofern notwendig – ergänzt und zunächst zur Stellungnahme an die Anstalten weitergeleitet. Bei einer Vielzahl der Themen müssen die konkreten Daten erst noch ermittelt werden. Zeitlich strebt die KEF die Fertigstellung des Sonderberichts bis zum Herbst 2024 an.

Wie könnten die Ergebnisse dieses Gutachtens – wie von der Kommission erwartet – schon mit Blick auf die Beitragsperiode 2025-2028 relevant werden?

Der Sonderbericht ist kein Ersatz für das reguläre Beitragsverfahren. Die KEF kann den Ländern damit zwar Hilfestellungen geben, um ihre Reformüberlegungen materiell gewichten zu können. Die zahlenmäßigen Ergebnisse kann man aber nicht einfach von der empfohlenen Beitragserhöhung für 2025 bis 2028 abziehen. Sie können nur eine Diskussionsgrundlage für die weitere Arbeit der Länder sein. Teilweise werden auch nur Tendenzaussagen möglich sein. Eine Empfehlung zum Beitrag ist nur im regelhaften Bedarfsfeststellungsverfahren möglich.

Nach Lage der Dinge wird voraussichtlich der von Medienstaatsministerin Heike Raab angekündigte Reformstaatsvertrag bis Herbst nicht vorliegen, geschweige denn verabschiedet. Was passiert dann? Heike Raab sieht eine „zeitliche Elastizität für die politische Entscheidung“, die die Anstalten nach Ansicht der Länder verkraften können. Was halten Sie davon?

Betrachtet man die Zeitschiene des geltenden Verfahrens, ergibt sich folgender Ablauf: Die KEF wird im Spätherbst dieses Jahres das Anforderungsschreiben für den 25. Bericht an die Anstalten verschicken. Wenn bis dahin kein modifizierter Auftrag in Form eines belastbaren Staatsvertrags vorliegt, wird erneut auf Basis des derzeitigen Auftrags angemeldet. Es ist an den Ländern, rechtzeitig einen neuen Medienstaatsvertrag vorzulegen, auf dessen Grundlage die Anstalten anmelden können. Die Anmeldung geht Ende April 2025 an die KEF. Diese wird bis spätestens Weihnachten 2025 prüfen, dann wie vorgeschrieben Politik und Anstalten dazu anhören und könnte voraussichtlich im Frühjahr 2026 eine neue Empfehlung auf den Tisch legen. Dann sind wieder die Länder mit ihren parlamentarischen Verfahren zur Umsetzung am Zug.

Oliver Schenk, Chef der Staatskanzlei in Sachsen meint, der aktuelle Rundfunkbeitrag gelte so lange, bis ein neuer Finanzierungsstaatsvertrag vorliegt. Mit welcher Finanzplanung sollten die Sender in diesem Fall in das Jahr 2025 gehen? Können sie bis zu einer Entscheidung von ihren Rücklagen leben?

Die festgestellte bedarfsgerechte Finanzierung der Anstalten durch den monatlichen Beitrag von 18,36 € endet zum 31. Dezember 2024. Solange nicht der Gegenbeweis angetreten ist, vertrauen wir darauf, dass die Länder ihre politische Handlungsfähigkeit behalten und zu dem Ergebnis kommen, dass das KEF-Verfahren Rechtsstaatlichkeit und Rechtssicherheit bedeutet und dies ein hohes Gut ist. Und dass sie am Ende sagen, wir setzen die 58-Cent-Empfehlung der KEF um.

Die Rücklage, auf die die genannten Überlegungen anspielen, ist die sog. „Sonderrücklage III“. Diese besteht aus Beitragsmehrerträgen der Jahre 2021 bis 2024. Die KEF hatte den Anstalten aufgegeben, diese Mehrerträge für die Jahre 2025 bis 2028 zurückzulegen. In die KEF-Empfehlung zur Erhöhung des Rundfunkbeitrags auf 18,94 Euro ab 2025 ist die Sonderrücklage III bereits bedarfsmindernd eingerechnet.

Die Sender argumentieren gelegentlich bei Tarifverhandlungen, ihnen seien aufgrund der KEF-Vorgaben finanziell die Hände gebunden. Nimmt die KEF mit ihren Empfehlungen Einfluss auf die Tarifpolitik?

Die KEF achtet die Autonomie der Tarifparteien und greift nicht in Tarifverhandlungen ein. Sie macht daher auch keine Vorgaben zu Tarifabschlüssen der Rundfunkanstalten. Die KEF schreibt auf der Grundlage der Anmeldung der Rundfunkanstalten deren Personalaufwand mit einer allgemeinen Steigerungsrate fort. Diese allgemeine Steigerungsrate soll neben den tariflichen Steigerungen auch Stufensteigerungen und Veränderungen der Stellenstruktur abdecken. Bei der Festlegung der allgemeinen Steigerungsrate dient die Entwicklung der Personalausgaben der Länder je Beschäftigtem als Grundlage, und zwar nicht für einzelne Jahre, sondern im Durchschnitt für die 4-jährigen Planungsperioden der KEF. Die im KEF-Verfahren berücksichtigten Steigerungsraten sind folglich nicht auf einzelne Tarifverhandlungen übertragbar bzw. nehmen deren Ergebnis nicht vorweg. Sie definieren den Rahmen für das Personalbudget auf der Grundlage eines externen Maßstabs, nämlich der Entwicklung bei den Ländern.

Raten Sie den Sendern im Fall einer Nichtverabschiedung des Staatsvertrags zur Klage vor dem BVerfG?

Sollte die KEF-Empfehlung von 18,94 Euro zum 1. Januar 2025 tatsächlich nicht umgesetzt sein, ist es allein Sache der Anstalten, ob sie den Rechtsweg beschreiten.

 Würde der erwartbare abermalige juristische Sieg der Öffentlich-Rechtlichen in Karlsruhe die Akzeptanz des ÖRR – wie Schenk prognostiziert/androht – „weiter senken“?

In einigen Ländern wird mit Akzeptanzproblemen des öffentlich-rechtlichen Rundfunks argumentiert. Natürlich gibt es im Einzelfall immer Sachverhalte, die man heranziehen kann. Aber ob das wirklich ein Gesamtproblem ist, ist eine ganz andere Frage. Zudem ist schwer nachvollziehbar, dass dem Rundfunkbeitrag angesichts dessen langfristiger Entwicklung die unterstellte zentrale Bedeutung sowohl für das Problem als auch für dessen Lösung zukommen soll.

Richtig ist, dass das bestehende Beitragsfestsetzungsverfahren seit 2009 zu einer Beitragsentwicklung geführt hat, die nominell nahezu als stabil und real – gemessen an der Entwicklung der Inflation – zu einer deutlichen Absenkung der Belastung der Beitragszahlerinnen und -zahler geführt hat bzw. führt. Die Rundfunkgebühr lag 2009 bei 17,98 Euro und beläuft sich als Rundfunkbeitrag nach der aktuellen Empfehlung der KEF bis einschließlich 2028 auf 18,94 Euro. Dies entspricht im Zeitraum von 2009 bis 2028 nominell einer Steigerung von 0,26 Prozent pro Jahr. Bei Anwendung der Inflationsraten seit 2009 würde der Beitrag bereits zum Ende der laufenden Beitragsperiode 2024 dagegen zwischen 24,00 Euro und 25,00 Euro liegen. Diese positive Tatsache fand in der Debatte bisher leider wenig Beachtung, eher im Gegenteil.

Die erhitzte Debatte fällt nicht zufällig in ein Jahr, in dem im Herbst noch drei Landtagswahlen anstehen. Wie ließe sich die Politisierung des Beitragsfestsetzungsverfahrens künftig vermeiden? Halten Sie den Vorschlag des Zukunftsrates, die Finanzierung ex post vom Grad der Auftragserfüllung abhängig zu machen, für praktikabel? Wäre die Indexierung des Beitrags ein gangbarer Weg?

Dieser Vorschlag des Zukunftsrats ist schon heute überholt. Die Politik hat sich mit dem Vierten Medienänderungsstaatsvertrag kürzlich bereits anders entschieden und die Gremien und ihre Aufgabe der Auftrags- und Programmkontrolle stark aufgewertet. Dort gehört diese auch hin, denn die Gremien sind Organe der Anstalten. Andernfalls würden wir eine Kollision zwischen der Programmfreiheit der Anstalten und externen Einflüssen und Playern bekommen. Das ist verfassungsrechtlich sehr bedenklich. Deswegen sollte die KEF ihre jetzige Rolle behalten und die Qualitätsüberprüfung weiter bei den Anstalten intern geregelt werden.

Wir hatten ja schon mal eine breite Diskussion zum Thema Indexmodell, das ich sehr skeptisch sehe. Es gibt gute verfassungsrechtliche und europarechtliche Gründe, an der bisherigen Bedarfsprüfung durch der KEF festzuhalten. Deswegen könnten wir uns eine Verfahrensvereinfachung allein der dritten Stufe des Festsetzungsverfahrens vorstellen, die ich mit dem Schlagwort „Rationalisierungsmodell“ umschreiben möchte. Hierbei könnte man das KEF-Verfahren an sich unangetastet lassen, aber am Ende den Ländern eine verwaltungstechnische Vereinfachung an die Hand geben, indem zum Beispiel die KEF-Empfehlung mit der Entwicklung eines noch zu definierenden Preisindexes abzüglich eines Rationalisierungsabschlags abgeglichen wird. Bei einer unter diesem Vergleichswert liegenden KEF-Empfehlung könnte man auf eine Umsetzung durch Staatsvertag verzichten, da die Belastung der Beitragszahlerinnen und -zahler in diesem Fall geringer ausfällt als ihre Kaufkraftentwicklung. Durch diese reale Entlastung der Bürgerinnen und -bürger könnte die Politik sagen: „Ziel erreicht!“ Gleichzeitig bliebe der Druck auf die Anstalten, weiter zu rationalisieren und effizienter zu arbeiten, dauerhaft erhalten. Sollte die Beitragsempfehlung der KEF über dem Vergleichswert liegen, müsste die Entscheidung automatisch wieder wie gehabt in den Parlamenten diskutiert und legitimiert werden.

 

 

 

 

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