Texte in führenden Printmedien als Wegbereiter
Antifeministische Männerrechtler zeigen im Internet wenig Berührungsangst mit rechtskonservativen oder gar rechtsextremen Foren. Überall wittern sie männliche Benachteiligungen und machen gegen „staatlich verordnete“ Gleichstellungspolitik Stimmung. Texte mit ähnlichem Tenor in führenden Printmedien haben dieser „Bewegung“ den Boden bereitet.
Der Soziologe Gerhard Amendt verlangte 2009 in der Welt am Sonntag, Frauenhäuser nicht mehr zu fördern – in diesen „Horten des Männerhasses“ seien „Ideologinnen“ mit „antipatriarchaler Kampfrhetorik“ am Werke. „Im Windschatten von Frauenemanzipation und Gender Mainstreaming ziehen Männer gesellschaftlich den Kürzeren“, behauptete der Journalist Paul-Hermann Gruner in der Monatszeitschrift Cicero; der Redakteur beim Darmstädter Echo rief gleich eine „Befreiungsbewegung für Männer“ aus. „Im Zweifel gegen den Mann“, überschrieb das Nachrichtenmagazin Focus eine Titelgeschichte, die die „Klage über Frauenunterdrückung“ als „sicheres Mittel der Machtausübung“ denunzierte. Die rechtslastige Wochenzeitung Junge Freiheit prangerte ein angebliches Denkverbot der „politisch Korrekten“ an: Kritik an der Benachteiligung von Männern sei schlicht unerwünscht.
Mediale Momentaufnahmen, Schlaglichter aus Veröffentlichungen der letzten Jahre: Sie belegen, dass sich etwas Neues entwickelt in der geschlechterpolitischen Debatte. Neokonservative und antifeministische Ideen kursieren, ein unübersichtliches Geflecht von Akteuren formiert sich, denen die ganze Richtung nicht passt. Vor allem in elektronischen Netzwerken stark präsent, stellen sie die Errungenschaften der Frauenbewegung in Frage, wollen diese teilweise rückgängig machen. Die Gleichstellung der Geschlechter, so heißt es, sei längst erreicht. Als Folge einer jahrzehntelangen Bevorzugung von Frauen würden inzwischen die Männer diskriminiert. Die „organisierte Besserstellung“ des weiblichen Geschlechts, durch Strategien wie das Gender Mainstreaming „staatlich gefördert“, müsse ein Ende haben. Ein „ausufernder Gouvernanten- und Umerziehungsstaat“ fördere einseitig die Frauen.
Öffentliche Nichtbeachtung?
Krude Ideen, die im Medienmainstream keine Rolle spielen? Männerrechtler prangern immer wieder die „öffentliche Nichtbeachtung“ ihrer Anliegen an. Eine „Kaste der Genderfunktionäre“ habe den Kulturbetrieb erobert. Eine omnipräsente weibliche Hegemonie unterdrücke jede männliche Opposition. Faktisch wurde und wird das Thema jedoch alles andere als ignoriert. Von Medienboykott kann überhaupt keine Rede sein. Entgegen der Behauptungen sind männerrechtliche Themen in den letzten Jahren dauernd in den Leitmedien aufgetaucht.
Vor allem die Frankfurter Allgemeine Zeitung thematisierte immer wieder den angeblichen Bedeutungsverlust des Mannes. Schon 2003 schrieb Herausgeber Frank Schirrmacher dem weiblichen Geschlecht die publizistische Deutungshoheit zu. Frauen hätten die „Bewusstseinsindustrie“ übernommen – weil sie als Moderatorinnen den politischen Männerrunden die Stichworte lieferten. Müttern warf Schirrmacher unter Verweis auf neue Erkenntnisse der Verhaltensbiologie vor, ihre Aufgabe als „Hüterinnen der Flamme“ und „natürlicher Kitt“ in den Familien zu vernachlässigen.
Die ständige Klage, man werde systematisch ausgegrenzt, ist inzwischen selbst zum Bestandteil des männlichen Opferdiskurses geworden. Das bekommt dann teilweise absurde Züge: In der Talkshow west.art am Sonntag im WDR-Fernsehen, gesendet im Frühjahr 2010, beschwerte sich der Vorsitzende der Vereinigung MannDat über fehlende Medienresonanz – während er vor laufenden Kameras ausführlich reden durfte. Aus dieser beleidigten Haltung des angeblich Übersehenwerdens heraus argumentieren die Männerrechtler, sie könnten in der Wahl ihrer Medienpartner nicht wählerisch sein. Das Ergebnis sind Veröffentlichungen in rechtslastigen Blättern wie der Jungen Freiheit oder in einschlägigen Internetforen.
Junge Freiheit statt Feminismus
„Emanzipation nächste Stufe: Gegen die Benachteiligung und Abwertung von Männern formiert sich eine neue Bürgerrechtsbewegung“. So machte das Wochenmagazin Focus im Herbst 2008 eine Titelgeschichte über das „geschwächte Geschlecht“ auf. „Das schwächelnde Geschlecht“ variierte im Juli 2009 das Monatsblatt Cicero nur unwesentlich die Schlagzeile: „Die neue Männerbewegung fordert Gleichverpflichtung, Gleichwertigkeit und Gleichbehandlung.“ Im Herbst 2009 dann wieder der Focus: „Benachteiligt? Wer denn?“ Frauen hätten die Männer auf vielen Gebieten überholt, die weibliche Emanzipation sei abgeschlossen.
Das Bild in der Wochenzeitung Junge Freiheit war drastisch: Stiletto tritt auf Krawatte. Ein Mann lag am Boden, schaute flehend nach oben, wo von der Besitzerin der hochhackigen Schuhe nur Unterschenkel und Rockansatz zu sehen waren. „Modernes Geschlechterverhältnis“ lautete die Schlagzeile zur plumpen SM-Symbolik; die Titelzeile verlangte „Freiheit statt Feminismus!“ Opfer und Trottel sei der heutige Mann – betrogen und zum Depp der Nation geworden.
Das publizistische Aushängeschild des Rechtskonservatismus wittert überall Betrug. „Verrat an der Familie“ titelte die Junge Freiheit kurz nach ihrem Schwerpunkt zum Geschlechterkrieg. Verfasser des Seite 1-Aufmachers war der Deutschlandfunk-Redakteur Jürgen Liminski. Der zehnfache Vater, ob guter Verbindungen und seines Kinderreichtums häufig geladener Talkshowgast, hat wiederholt in der Jungen Freiheit publiziert – und verwendet dabei eine fragwürdige Sprache. So schreibt er, die Politik entziehe „der Keimzelle des Volkes schleichend die Lebensgrundlage“.
Zum ausführlichen Interview bereit war in derselben Zeitungs-Ausgabe der bekannte Kinderpsychologe und Buchautor Wolfgang Bergmann, der gegen den Ausbau der Krippen polemisierte. Es sei „auffällig, dass alle totalitären Systeme ihre Hand gerne nach den Kindern ausstrecken und darauf achten, dass diese möglichst früh von der Familie getrennt werden“. Bergmann ließ es sich nicht nehmen, an passender Stelle gleich auch noch „den Verlust an freiheitlicher Nationalkultur in Deutschland“ zu beklagen.
Männer, geschwächtes Geschlecht
Auf dem Titelbild des 2009 erschienenen Sammelbandes „Befreiungsbewegung für Männer – Auf dem Weg zur Geschlechterdemokratie“ ist neben Altglas-, Dosen- und Altpapiercontainern ein weiterer Müllschlucker zu sehen, auf dem groß „Männer“ steht. Das Foto, eine Postkarte der Künstlerin Claudia Jares de Pulgar, steht nach Meinung der Herausgeber „für den breit geduldeten Sexismus, den das ideologisch vorgeknetete Publikum für spaßig hält, weil er sich ja nur gegen Männer richtet“.
Richtig daran ist, dass sich (männliche wie weibliche) Konsumenten der Unterhaltungsindustrie seit Jahren mehr über Männer als über Frauen amüsieren. Die Werbespots der ARD für die (wegen schlechter Quoten schnell abgesetzte) Handwerkerin-Seifenoper „Eine für alle“ titulierte Männer pauschal als Schweine, dumme Gockel und lebende Verkehrshindernisse. Vom „bewegten Mann“ im Kino über die weibliche Rotzigkeit in der pseudofeministischen Unterhaltungsliteratur bis zu den Witzchen eines Mario Barth: Männlichkeit wird in der Tat deutlich häufiger satirisch abgewertet als Weiblichkeit. Daraus aber gleich eine „etablierte Misandrie“, also einen allgemeinen Männerhass im Kulturbetrieb abzuleiten, geht zu weit.
Das Internet ist das ideale Medium für Verschwörungstheoretiker jeglicher Couleur. Hier kann jeder posten, was ihm gerade einfällt – und sich durch die Einträge Gleichgesinnter bestätigt fühlen. Ob der Inhalt der Kommentare durch Quellen belegt ist oder nicht, spielt keine Rolle. Kein Zufall, dass auch der neue Geschlechterkampf vorwiegend online geführt wird.
Das (kurzlebige) posten in den einschlägigen Foren und Blogs bildet das wichtigste Medium der neuen Männerrechtler. Zeitungstexte nehmen die meisten Diskutanten nur als Spuren im Netz wahr – ohne ihren redaktionellen Kontext, als bruchstückhaftes Zitat, als aus dem Zusammenhang gerissenen Textbaustein. Typisch für viele Beiträge ist der trotzig-beleidigte Gestus des „Da seht ihr’s mal wieder“. Der Tonfall im Netz ist aggressiv und intolerant, auf unliebsame Kritiker wird eine regelrechte Hatz veranstaltet. Beschimpfungen als „lila Pudel“, falsche Behauptungen und die Enthüllung der Klarnamen von Bloggern mit anderer Meinung sind an der Tagesordnung.
Die in den Foren Diskutierenden sind überwiegend keine Neonazis. Allerdings ergeben sich immer wieder Überschneidungen und Verbindungen zu rechtslastigen Kreisen und Publikationen. So verlinkte der Buchautor Arne Hoffmann, langjähriger Betreiber des inzwischen eingestellten Blogs Genderama, die maskulinistische Seite „Wie viel Gleichberechtigung verträgt das Land“ regelmäßig mit Artikeln aus der Jungen Freiheit. Das Forum wgvdl.com wiederum pflegt ein taktisches Verhältnis zum Rechtsextremismus, zitiert und verteidigt auch Texte auf Naziseiten wie de.altermedia.info. Deren homophobe Betreiber riefen 2009 zu „nationalen Protesten“ gegen den Christopher Street Day in München auf und unterstellten Oberbürgermeister Christian Ude, schwul zu sein – aus ihrer Sicht offenbar ein beträchtliches Manko.
Eindeutig rechtsextrem ist die Seite free-gender.de, auf der sich Mitglieder und Sympathisanten der Initiative „Raus aus den Köpfen – Genderterror abschaffen“ austoben. Gender Mainstreaming, so heißt es dort, sei „eine unbekannte Gefahr, die sich seit gut 25 Jahren immer tiefer in den politischen Alltag der BRD und der restlichen Welt hineingebohrt hat“. Die vor allem in Ostdeutschland aktive Gruppe veranstaltet „Aufklärungsvorträge“ zum Gender-Thema: „Langfristige Ziele des GM“ sind danach „die Vernichtung der Geschlechteridentitäten“ und „die frühkindliche Sexualisierung“. Sie besucht aber auch Treffen von Neonazis wie zum Beispiel das „Fest der Völker“ 2009 in Thüringen.
Männerrechtler stilisieren ihr Geschlecht zum Benachteiligten in nahezu jeder Lebenslage. Ob in der Arbeitswelt, im Bildungswesen, in der Gesundheitspolitik, beim Thema Gewalt oder im Scheidungsrecht: Überall greift nach dieser Lesart ein plattes „Winner-Loser-Schema“: Männer seien verunsichert und steckten in der Identitätskrise, weil sie durch Frauenförderung und Gender-Politik diskriminiert würden.
Ideologischer Dunstkreis
Typisch ist dabei die Umdeutung von Begriffen. Im Kampf um die Deutungshoheit versuchen Antifeministen, ursprünglich emanzipatorisch interpretierte Worte wie „Befreiung“ oder „Geschlechterdemokratie“ anders zu definieren. Die selbsternannten Freiheitskämpfer präsentierten sich als die neuen Bürgerrechtler, als Bewahrer zivilgesellschaftlicher Werte. So trägt der rechtslastige Online-Auftritt Die freie Welt den harmlosen und irreführenden Untertitel „Die Internet- & Blogzeitung für die Zivilgesellschaft“. Eine andere Publikation nennt sich eigentümlich frei – die Macher betrachten sich als Libertäre, sprachlich wie personell aber gibt es auch Überschneidungen zu Blättern wie der Jungen Freiheit.
Es handelt sich um eine Grauzone: Die Rollenbilder, auf die sich Antifeministen beziehen, sind eindeutig konservativ, sie werden bestenfalls libertär übertüncht. Eine Entlarvung männerrechtlicher Akteure nach dem Muster einer schematischen Extremismusforschung führt aber zu Trugschlüssen. Nicht jeder, der zu einem Rechtsextremen Kontakt hält oder in einer rechtslastigen Zeitschrift publiziert, ist automatisch selber rechtsextrem. Trotzdem ist es wichtig, den ideologischen Dunstkreis zu beleuchten, inhaltliche und personelle Überschneidungen festzustellen, verbindende Einstellungen zu benennen, zu große Offenheit dem rechtsextremen und rechtskonservativen Milieu gegenüber zu skandalisieren.
Über den Autor
Thomas Gesterkamp ist Journalist in Köln. Zuletzt erschien sein Buch „Die neuen Väter zwischen Kind und Karriere“ (Budrich Verlag 2010). Für die Friedrich-Ebert-Stiftung verfasste er die Expertise „Geschlechterkampf von rechts – Wie sich Männerrechtler und Familienfundamentalisten gegen das Feindbild Feminismus radikalisieren“, die kontroverse Debatten vor allem im Internet auslöste.